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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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befindet sich vorerst nur englische Infanterie im Belauf von 13,000 Mann.
Die Artillerie und Cavalerie sind noch zurück, und dürsten kaum vor Monats¬
frist hier anlangen. So mag es denn kommen, daß die gesammte Armee des
Ostens nicht vor dem ersten Juni bereit sein wird, ins Feld zu rücken. Außer
der Feldartillerie, im ganzen gegen zweihundert Pieren, erwartet man einen
bedeutenden Park Positionsgeschütze. Wenn ich recht berichtet bin wird
derselbe mehre hundert Stück, wie . man sagt Vierzehnpfünder, also von mitt¬
lerem Kaliber, umfassen, deren Bestimmung es sein dürste,, die Linien von Bü-
jük Tscheckmedsche und Gallipoli zu erringen. Ob man Positionsartillerie
nach Adrianopel führen wird, lasse ich noch dahingestellt. Die Mittel über
welche man für die Bewaffnung dieser Befestigungen verfügt, sind ungeheuer,
und müssen das Vertrauen erwecken, daß dieselben rein unnehmbar werden.
Die Schlösser am Bosporus sind allein im Stande 300 Stück, theils Pairhans,
theils schwere Kanonen zu liefern, ohne daß die Meerenge dadurch völlig ver¬
theidigungslos würde, und ein Gleiches ist bei den Dardanellen der Fall.

Darüber, daß die Armeen Frankreichs und Englands die Russen diesseits
des Balkans erwarten werden, herrscht gegenwärtig nicht mehr der mindeste
Zweifel. Man wird sich demnach auf die Defensive beschränken. Ungewiß
bleibt es indeß, wie man unter solchen Umständen die Verbindung der russi¬
schen Operationen mit denen des griechischen Aufstandes verhindern will.
Nach Angabe der einen macht man sich nicht eben große Sorge darum, will,
wenn das Erpeditionscor.ps vereinigt sein wird, den Rest der osmanischen Gar¬
nison von Konstantinopel nach Thessalien beordern, und gedenkt auf diese
Weise der Insurgenten schnell Herr zu werden. Nach Angabe der andern
handelt es sich für die englisch-französische Armee um zwei gesonderte Opera¬
tionen. Während ein Theil der Armee in Adrianopel Stellung nehmen würde,
sei es die Bestimmung eines zweiten Theils, nach Sofia entsendet zu werden,
um so eine Barriere zwischen Russen und Griechen zu ziehen. Letzteres erscheint
mir sehr unwahrscheinlich. --
'


, Unser Korrespondent geht hier auf die Angelegenheit des französischen Botschafters über,
und sucht nachzuweisen, daß die Stellung desselben mit der des englische",, ihre" Individua-
litäten nach, auf die Dauer unhaltbar sei. Da diese, Angelegenheit nun durch die Abberufung
des General Baraguay dHillicrs glücklich erledigt ist, übergehe" wir diesen Abschnitt, theilen
aber daraus einige Bemerkungen über den englische" Bevollmächtigten mit. --

Was Lord Stratfvrd de Nedcliffe angeht, so kennt ihn die Welt genug¬
sam, theils aus wahrhaften Portraits, theils aus Zerrbildern, welche die
schlechte, d. h. Nußland ergebene oder verkaufte, im europäischen Sinne vater¬
landvergessene Presse von ihm gegeben hat. Ich will versuchen, in flüchtiger
Skizze jene ausdrucksvollen und großartigen Züge zu sammeln, die noch lange
unvergessen bleiben werden, wenn dereinst der Donner des heutigen Wett-
kampfes verhallt ist.


befindet sich vorerst nur englische Infanterie im Belauf von 13,000 Mann.
Die Artillerie und Cavalerie sind noch zurück, und dürsten kaum vor Monats¬
frist hier anlangen. So mag es denn kommen, daß die gesammte Armee des
Ostens nicht vor dem ersten Juni bereit sein wird, ins Feld zu rücken. Außer
der Feldartillerie, im ganzen gegen zweihundert Pieren, erwartet man einen
bedeutenden Park Positionsgeschütze. Wenn ich recht berichtet bin wird
derselbe mehre hundert Stück, wie . man sagt Vierzehnpfünder, also von mitt¬
lerem Kaliber, umfassen, deren Bestimmung es sein dürste,, die Linien von Bü-
jük Tscheckmedsche und Gallipoli zu erringen. Ob man Positionsartillerie
nach Adrianopel führen wird, lasse ich noch dahingestellt. Die Mittel über
welche man für die Bewaffnung dieser Befestigungen verfügt, sind ungeheuer,
und müssen das Vertrauen erwecken, daß dieselben rein unnehmbar werden.
Die Schlösser am Bosporus sind allein im Stande 300 Stück, theils Pairhans,
theils schwere Kanonen zu liefern, ohne daß die Meerenge dadurch völlig ver¬
theidigungslos würde, und ein Gleiches ist bei den Dardanellen der Fall.

Darüber, daß die Armeen Frankreichs und Englands die Russen diesseits
des Balkans erwarten werden, herrscht gegenwärtig nicht mehr der mindeste
Zweifel. Man wird sich demnach auf die Defensive beschränken. Ungewiß
bleibt es indeß, wie man unter solchen Umständen die Verbindung der russi¬
schen Operationen mit denen des griechischen Aufstandes verhindern will.
Nach Angabe der einen macht man sich nicht eben große Sorge darum, will,
wenn das Erpeditionscor.ps vereinigt sein wird, den Rest der osmanischen Gar¬
nison von Konstantinopel nach Thessalien beordern, und gedenkt auf diese
Weise der Insurgenten schnell Herr zu werden. Nach Angabe der andern
handelt es sich für die englisch-französische Armee um zwei gesonderte Opera¬
tionen. Während ein Theil der Armee in Adrianopel Stellung nehmen würde,
sei es die Bestimmung eines zweiten Theils, nach Sofia entsendet zu werden,
um so eine Barriere zwischen Russen und Griechen zu ziehen. Letzteres erscheint
mir sehr unwahrscheinlich. —
'


, Unser Korrespondent geht hier auf die Angelegenheit des französischen Botschafters über,
und sucht nachzuweisen, daß die Stellung desselben mit der des englische»,, ihre» Individua-
litäten nach, auf die Dauer unhaltbar sei. Da diese, Angelegenheit nun durch die Abberufung
des General Baraguay dHillicrs glücklich erledigt ist, übergehe» wir diesen Abschnitt, theilen
aber daraus einige Bemerkungen über den englische» Bevollmächtigten mit. —

Was Lord Stratfvrd de Nedcliffe angeht, so kennt ihn die Welt genug¬
sam, theils aus wahrhaften Portraits, theils aus Zerrbildern, welche die
schlechte, d. h. Nußland ergebene oder verkaufte, im europäischen Sinne vater¬
landvergessene Presse von ihm gegeben hat. Ich will versuchen, in flüchtiger
Skizze jene ausdrucksvollen und großartigen Züge zu sammeln, die noch lange
unvergessen bleiben werden, wenn dereinst der Donner des heutigen Wett-
kampfes verhallt ist.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/311>, abgerufen am 23.07.2024.