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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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blicklich eine keineswegs leichte. Unter Vermeidung jedes ernsten, entscheidenden
Zusammenstoßes hat er nämlich nicht nur den aus der Dobrudscha vorbrechenden
Nüssen zu widerstehen, sondern auch die Stromlinie von da an bis Kalafat zu
decken, insbesondere die Ueöergänge von Oltenitza und Kalarasch zu bewachen.
Die Massen, welche ihm gegenüber operiren, sind von doppelter Stärke und
seit einiger Zeit darf man auch annehmen, daß sie besser verpflegt sind als die
türkischen Truppen.

Es ist vorauszusehen, daß dem osmanischen Generalissimus letztlich nichts
übrigbleiben wird, als Schutz innerhalb der gewaltigen Position von Schumla
zu suchen. Dieselbe hat, wie Sie aus einigen meiner frühern Berichte ersehen
haben werden, eine unvergleichliche Lage als strategischer Knotenpunkt für die
Vertheidigung zwischen dem hohen Balkan und der untern Donau. Die wich¬
tigsten Festungen an dieser Stromlinie, namentlich Silistria und Nustschuck,
sodann Warna und die Pässe des Balkan sind von dort aus in ziemlich der¬
selben Zeit zu erreichen. Man steht außerdem jeder Armee, welche das Ge¬
birge, sei es an der Meeresküste entlang operirend, oder auf der Linie von
Tirnowa her, überschreiten will, in der Flanke, kann mithin ihre Communi-
cationen abschneiden und nöthigt damit zum Angriff heraus, was so viel heißen
will, als: Schumla muß vom Feinde genommen oder cernirt sein, bevor es
umgangen werden kann.

Bei einer Lage von so entscheidender Bedeutung ist der Fragepunkt von
höchster Wichtigkeit: ob die Position auch taktisch das zu leisten vermag, wozu
sie strategisch auffordert, d. h. ob eine Armee, die hier. Fuß faßt, um den
Feind zum Angreifen oder Cerniren zu zwingen, hier im Terrain Mittel findet,
den Angriff abzuschlagen oder die Cernirungslinie zu durchbrechen?

Ich räume ein, daß Schumla auf den ersten Anblick nicht die Stärke
offenbart, welche ihm innewohnt. Diese beruht auf einem Element, welches
man sonst nirgends vielleicht Anlaß hat in Anschlag zu bringen, ich meine
auf der Vegetation, einem dichten Rüsterngestrüpp, welches alle Hänge und
insbesondere das Plateau des hufeisenförmigen Berges bedeckt. Eine detaillirte
Beschreibung der Position von Schumla werde ich ehestens in den Reise¬
bildern geben. (Wir liefern diese im Zusammenhang nach. Die' Red.)

Morgen trifft der Belagerungspark, welcher für den Angriff gegen Silistria
bestimmt ist, in Nassowa ein. Solange indeß Omer Pascha nicht entschieden
gegen Schumla zurückgeworfen ist, werden die Russen den Platz kaum ernstlich
zu belagern wagen. Eingeschlossen ist er vielleicht schon jetzt.

Rücksichtlich des griechischen Aufstandes sind dann und wann nicht
wenig beunruhigende Gerüchte im Umlauf. Sie werden bereits wissen, daß
eine Jnsurgentenschar in Chalcidiae landete und gegen Salonik vordrang.
Die 2000 Mann Türken, welche man in der letztgedachten Seefestung gelandet


blicklich eine keineswegs leichte. Unter Vermeidung jedes ernsten, entscheidenden
Zusammenstoßes hat er nämlich nicht nur den aus der Dobrudscha vorbrechenden
Nüssen zu widerstehen, sondern auch die Stromlinie von da an bis Kalafat zu
decken, insbesondere die Ueöergänge von Oltenitza und Kalarasch zu bewachen.
Die Massen, welche ihm gegenüber operiren, sind von doppelter Stärke und
seit einiger Zeit darf man auch annehmen, daß sie besser verpflegt sind als die
türkischen Truppen.

Es ist vorauszusehen, daß dem osmanischen Generalissimus letztlich nichts
übrigbleiben wird, als Schutz innerhalb der gewaltigen Position von Schumla
zu suchen. Dieselbe hat, wie Sie aus einigen meiner frühern Berichte ersehen
haben werden, eine unvergleichliche Lage als strategischer Knotenpunkt für die
Vertheidigung zwischen dem hohen Balkan und der untern Donau. Die wich¬
tigsten Festungen an dieser Stromlinie, namentlich Silistria und Nustschuck,
sodann Warna und die Pässe des Balkan sind von dort aus in ziemlich der¬
selben Zeit zu erreichen. Man steht außerdem jeder Armee, welche das Ge¬
birge, sei es an der Meeresküste entlang operirend, oder auf der Linie von
Tirnowa her, überschreiten will, in der Flanke, kann mithin ihre Communi-
cationen abschneiden und nöthigt damit zum Angriff heraus, was so viel heißen
will, als: Schumla muß vom Feinde genommen oder cernirt sein, bevor es
umgangen werden kann.

Bei einer Lage von so entscheidender Bedeutung ist der Fragepunkt von
höchster Wichtigkeit: ob die Position auch taktisch das zu leisten vermag, wozu
sie strategisch auffordert, d. h. ob eine Armee, die hier. Fuß faßt, um den
Feind zum Angreifen oder Cerniren zu zwingen, hier im Terrain Mittel findet,
den Angriff abzuschlagen oder die Cernirungslinie zu durchbrechen?

Ich räume ein, daß Schumla auf den ersten Anblick nicht die Stärke
offenbart, welche ihm innewohnt. Diese beruht auf einem Element, welches
man sonst nirgends vielleicht Anlaß hat in Anschlag zu bringen, ich meine
auf der Vegetation, einem dichten Rüsterngestrüpp, welches alle Hänge und
insbesondere das Plateau des hufeisenförmigen Berges bedeckt. Eine detaillirte
Beschreibung der Position von Schumla werde ich ehestens in den Reise¬
bildern geben. (Wir liefern diese im Zusammenhang nach. Die' Red.)

Morgen trifft der Belagerungspark, welcher für den Angriff gegen Silistria
bestimmt ist, in Nassowa ein. Solange indeß Omer Pascha nicht entschieden
gegen Schumla zurückgeworfen ist, werden die Russen den Platz kaum ernstlich
zu belagern wagen. Eingeschlossen ist er vielleicht schon jetzt.

Rücksichtlich des griechischen Aufstandes sind dann und wann nicht
wenig beunruhigende Gerüchte im Umlauf. Sie werden bereits wissen, daß
eine Jnsurgentenschar in Chalcidiae landete und gegen Salonik vordrang.
Die 2000 Mann Türken, welche man in der letztgedachten Seefestung gelandet


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/309>, abgerufen am 23.07.2024.