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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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(auf der andern Seite des Bosporus)? Die ersteren sind der bei weitem am
meisten frcquentirte.Vergnügungsort. Er liegt rückwärts von der Einmündung
des linkswärtigen- der beiden Bäche, welche Stambul den Haupttheil seines
Süßwassers zuführen, ins goldene Horn oder den Hafen. Eine große Wiese
zwischen kahlen, nur stellenweise mit Rasen bedeckten Thalrändern, und die.
eben wie eine Tenne, eine halbe Stunde sich hinzieht, ist sozusagen das
grandiose Parterre im Schauspiel der Naturbetrachtung, welcher man sich hier
hingibt. Die Türken und Griechen lagern auf bunten Teppichen, die' über
den Nasen hingebreitet sind, zumeist jede Familie für sich. Auch osmanische
Frauen, welche sonst so streng im Harem gehütet werden, erscheinen in Masse.
Es fehlt nicht an Erfrischungen', welche Diener unablässig theils aus den
Körben der Packpferde, die man mitgenommen, theils von den Wagen her
zutragen. Durch die Gruppen hindurch ziehen wandernde Musikanten; Bul¬
garen mit ihren eintönigen Sackpfeifen und Zigeuner mit kreischenden Geigen
oder dichtbeschellten Tambourins. Seltener kommt es vor, daß einzelne Männer¬
gruppen nach der Musik tanzen, ausgenommen in den Ostertagen. Der Tanz,
wieviele Variationen er auch hat, ist langsam, gemessen, feierlich. Man
kann nicht behaupten, daß die Bewegungen ohne Grazie seien, selbst
bei dem Lastträger (Hammal), der sonst nur gewohnt ist, das schwere Pack zu
dunkeln, nimmt man deren wahr.

Heute dürste Skutari der Sammelplatz der meisten Vergnügungslustigen
sein. Zwischen dieser Stadt und dem großen Dorfe Kadikvi dehnt sich, nahe
dem Viertel Hayder-Pascha, eine herrliche Bergwiese aus. Im Grunde der
sich flach absenkenden Niederung fließt der Bach Chalcedon. Hier wandelte
einst Belisar, als er von seinen'Ruhmes- und Siegeszügen heimgekehrt war.
Jetzt ist das Ufer des Baches Hauptpromenade der englischen, Offiziere, deren
Truppen die nahegelegenen Kasernen bezogen haben. Er, wie sie, hatte die
Aufgabe, ein erschüttertes Reich zu erhalten. --

Zwischen dem französischen Gesandten General Baraguay dHilliers, dem
Pfortenminister Reschid Pascha und Lord Stratford ist die Zwistigkeit ausge¬
glichen; der zweite hat auf Rath des dritten, in der fraglichen Angelegenheit
wegen der Unterthanen des Königreichs Hellas von römisch-katholischem
Glauben nachgegeben, und der ganze Streit liegt bereits vergessen und höchstens
belächelt hinter uns, wie ein böser Traum. Den Eindruck hat er indeß
gemacht, daß die Allianz ihre Seiten hat, auf denen sie verwundbar und sterblich
ist. Die ernsthaften Leute, deren es im Grunde genommen hier nur wenige
gibt, sind darum nicht eben gut weder auf Baraguay noch aus Stratford zu
sprechen, und meinen, daß es eine mehr als strafwürdige, eine verbrecherische


(auf der andern Seite des Bosporus)? Die ersteren sind der bei weitem am
meisten frcquentirte.Vergnügungsort. Er liegt rückwärts von der Einmündung
des linkswärtigen- der beiden Bäche, welche Stambul den Haupttheil seines
Süßwassers zuführen, ins goldene Horn oder den Hafen. Eine große Wiese
zwischen kahlen, nur stellenweise mit Rasen bedeckten Thalrändern, und die.
eben wie eine Tenne, eine halbe Stunde sich hinzieht, ist sozusagen das
grandiose Parterre im Schauspiel der Naturbetrachtung, welcher man sich hier
hingibt. Die Türken und Griechen lagern auf bunten Teppichen, die' über
den Nasen hingebreitet sind, zumeist jede Familie für sich. Auch osmanische
Frauen, welche sonst so streng im Harem gehütet werden, erscheinen in Masse.
Es fehlt nicht an Erfrischungen', welche Diener unablässig theils aus den
Körben der Packpferde, die man mitgenommen, theils von den Wagen her
zutragen. Durch die Gruppen hindurch ziehen wandernde Musikanten; Bul¬
garen mit ihren eintönigen Sackpfeifen und Zigeuner mit kreischenden Geigen
oder dichtbeschellten Tambourins. Seltener kommt es vor, daß einzelne Männer¬
gruppen nach der Musik tanzen, ausgenommen in den Ostertagen. Der Tanz,
wieviele Variationen er auch hat, ist langsam, gemessen, feierlich. Man
kann nicht behaupten, daß die Bewegungen ohne Grazie seien, selbst
bei dem Lastträger (Hammal), der sonst nur gewohnt ist, das schwere Pack zu
dunkeln, nimmt man deren wahr.

Heute dürste Skutari der Sammelplatz der meisten Vergnügungslustigen
sein. Zwischen dieser Stadt und dem großen Dorfe Kadikvi dehnt sich, nahe
dem Viertel Hayder-Pascha, eine herrliche Bergwiese aus. Im Grunde der
sich flach absenkenden Niederung fließt der Bach Chalcedon. Hier wandelte
einst Belisar, als er von seinen'Ruhmes- und Siegeszügen heimgekehrt war.
Jetzt ist das Ufer des Baches Hauptpromenade der englischen, Offiziere, deren
Truppen die nahegelegenen Kasernen bezogen haben. Er, wie sie, hatte die
Aufgabe, ein erschüttertes Reich zu erhalten. —

Zwischen dem französischen Gesandten General Baraguay dHilliers, dem
Pfortenminister Reschid Pascha und Lord Stratford ist die Zwistigkeit ausge¬
glichen; der zweite hat auf Rath des dritten, in der fraglichen Angelegenheit
wegen der Unterthanen des Königreichs Hellas von römisch-katholischem
Glauben nachgegeben, und der ganze Streit liegt bereits vergessen und höchstens
belächelt hinter uns, wie ein böser Traum. Den Eindruck hat er indeß
gemacht, daß die Allianz ihre Seiten hat, auf denen sie verwundbar und sterblich
ist. Die ernsthaften Leute, deren es im Grunde genommen hier nur wenige
gibt, sind darum nicht eben gut weder auf Baraguay noch aus Stratford zu
sprechen, und meinen, daß es eine mehr als strafwürdige, eine verbrecherische


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[0308] (auf der andern Seite des Bosporus)? Die ersteren sind der bei weitem am meisten frcquentirte.Vergnügungsort. Er liegt rückwärts von der Einmündung des linkswärtigen- der beiden Bäche, welche Stambul den Haupttheil seines Süßwassers zuführen, ins goldene Horn oder den Hafen. Eine große Wiese zwischen kahlen, nur stellenweise mit Rasen bedeckten Thalrändern, und die. eben wie eine Tenne, eine halbe Stunde sich hinzieht, ist sozusagen das grandiose Parterre im Schauspiel der Naturbetrachtung, welcher man sich hier hingibt. Die Türken und Griechen lagern auf bunten Teppichen, die' über den Nasen hingebreitet sind, zumeist jede Familie für sich. Auch osmanische Frauen, welche sonst so streng im Harem gehütet werden, erscheinen in Masse. Es fehlt nicht an Erfrischungen', welche Diener unablässig theils aus den Körben der Packpferde, die man mitgenommen, theils von den Wagen her zutragen. Durch die Gruppen hindurch ziehen wandernde Musikanten; Bul¬ garen mit ihren eintönigen Sackpfeifen und Zigeuner mit kreischenden Geigen oder dichtbeschellten Tambourins. Seltener kommt es vor, daß einzelne Männer¬ gruppen nach der Musik tanzen, ausgenommen in den Ostertagen. Der Tanz, wieviele Variationen er auch hat, ist langsam, gemessen, feierlich. Man kann nicht behaupten, daß die Bewegungen ohne Grazie seien, selbst bei dem Lastträger (Hammal), der sonst nur gewohnt ist, das schwere Pack zu dunkeln, nimmt man deren wahr. Heute dürste Skutari der Sammelplatz der meisten Vergnügungslustigen sein. Zwischen dieser Stadt und dem großen Dorfe Kadikvi dehnt sich, nahe dem Viertel Hayder-Pascha, eine herrliche Bergwiese aus. Im Grunde der sich flach absenkenden Niederung fließt der Bach Chalcedon. Hier wandelte einst Belisar, als er von seinen'Ruhmes- und Siegeszügen heimgekehrt war. Jetzt ist das Ufer des Baches Hauptpromenade der englischen, Offiziere, deren Truppen die nahegelegenen Kasernen bezogen haben. Er, wie sie, hatte die Aufgabe, ein erschüttertes Reich zu erhalten. — Zwischen dem französischen Gesandten General Baraguay dHilliers, dem Pfortenminister Reschid Pascha und Lord Stratford ist die Zwistigkeit ausge¬ glichen; der zweite hat auf Rath des dritten, in der fraglichen Angelegenheit wegen der Unterthanen des Königreichs Hellas von römisch-katholischem Glauben nachgegeben, und der ganze Streit liegt bereits vergessen und höchstens belächelt hinter uns, wie ein böser Traum. Den Eindruck hat er indeß gemacht, daß die Allianz ihre Seiten hat, auf denen sie verwundbar und sterblich ist. Die ernsthaften Leute, deren es im Grunde genommen hier nur wenige gibt, sind darum nicht eben gut weder auf Baraguay noch aus Stratford zu sprechen, und meinen, daß es eine mehr als strafwürdige, eine verbrecherische

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/307>, abgerufen am 22.12.2024.