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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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würde ich es als einen Fehler betrachten. Dieselbe sind eine Reserve, welche
beide Admiräle bemüht sein, werden, möglichst intact zu erhalten. Darum ist
der Moment, wo sie zur Action berufen werden müssen, meiner Ansicht nach
erst dann gekommen, wenn die Äußeren Forts mürbe gemacht geworden sind
unter den richtigen Zielschüssen der Dampfer, wenn ihre Scharten und Ge¬
schütze demontirt liegen und nur noch schwach den Angriff erwidern. Einige
Breitseiten mit ihrem dichten Kugelhagel sind dann unendlich entscheidungsvoller
als im Anfang, weil das Zerstörungswerk, soweit es vollbracht ist, zahlreiche
verletzliche Punkte offengelegt hat.

Es wird für den weitern Fortgang des Angriffs bedingend sein, ob nach
dem Fall der ersten Vertheidigungslinie und der sie flankirenden Strandwerke
die gewonnene Annäherung ausreicht, um den Rest der feindlichen Flotte, die
muthmaßlich nicht zur Entwicklung kommen wird, aus der Ferne zu beschießen:
ist es nicht möglich,'so müssen noch mehre Befestigungen zum Fall gebracht
werden, insbesondere das große Fort links. Alsdann dürste es möglich sein,
die Stadt, das Marinearsenal und die zusammengedrängten feindlichen Kriegs¬
schiffe gleichzeitig zu erreichen. >
'

Dann wäre der Hauptact der Zerstörung gekommen. Daß man auch jetzt
uoch das eigentliche Gros der Flotte in Reserve halten muß, liegt zu klar auf
der Hand, um hier noch einer Erörterung zu bedürfen. Neugierig bin ich indeß,
welche Bestimmung man in Anbetracht dieser Nothwendigkeit den Schrauben¬
schiffen geben wird. Ob man sich entschließt, sie zunächst in die Action hinein¬
zuziehen, oder sie im Gegentheil als leichtbeweglichste Reserve im hintersten
Treffen hält. Beide Verfahrungsarten können mit Gründen unterstützt werden.
Für erstere Methode würde die specielle Tauglichkeit der Schrauben zum Agiren
auf engen Wasserflächen reden, mithin die Vorzüge, welche sie vor allen andern
Linienschiffen beim Entscheidu'ngskamps im Hafen selbst voraushaben; sür letztere
die Unerläßlichkeit eines schnell zur Verwendung und zwar unter allen Um¬
ständen (also gegen Wind und Strömung) bereiten Rückhalts.

Wie mancherlei Art die Zweifel indeß auch sein mögen, die man über
Entwurf, Ausführung und Ausgang dieses bevorstehenden Kampfes hegen
mag: so viel ist gewiß, daß, wenn er zur Entscheidung durchgeführt, und sein
Zweck, die Verbrennung der russischen Seemacht mitten im Hafen, erreicht wird,
er die grandioseste Action bezeichnen möchte, von der die Annalen der Seekriege
wissen. Mehr noch: er dürfte in seiner Art ohne Beispiel dastehen. Wenn
er aber im voraus mit irgend einem Wagniß verglichen werden kann, möchte
die Schlacht von Kopenhagen ihm am nächsten stehen, wobei man nicht ver¬
gessen möge, daß bei diesem Treffen die Dänen und Engländer nicht voll
funfzehnhundert Kanonen in Thätigkeit brachten, während die heutigen com-
binirten Pontusflotten deren allein dreitausend tragen.


würde ich es als einen Fehler betrachten. Dieselbe sind eine Reserve, welche
beide Admiräle bemüht sein, werden, möglichst intact zu erhalten. Darum ist
der Moment, wo sie zur Action berufen werden müssen, meiner Ansicht nach
erst dann gekommen, wenn die Äußeren Forts mürbe gemacht geworden sind
unter den richtigen Zielschüssen der Dampfer, wenn ihre Scharten und Ge¬
schütze demontirt liegen und nur noch schwach den Angriff erwidern. Einige
Breitseiten mit ihrem dichten Kugelhagel sind dann unendlich entscheidungsvoller
als im Anfang, weil das Zerstörungswerk, soweit es vollbracht ist, zahlreiche
verletzliche Punkte offengelegt hat.

Es wird für den weitern Fortgang des Angriffs bedingend sein, ob nach
dem Fall der ersten Vertheidigungslinie und der sie flankirenden Strandwerke
die gewonnene Annäherung ausreicht, um den Rest der feindlichen Flotte, die
muthmaßlich nicht zur Entwicklung kommen wird, aus der Ferne zu beschießen:
ist es nicht möglich,'so müssen noch mehre Befestigungen zum Fall gebracht
werden, insbesondere das große Fort links. Alsdann dürste es möglich sein,
die Stadt, das Marinearsenal und die zusammengedrängten feindlichen Kriegs¬
schiffe gleichzeitig zu erreichen. >
'

Dann wäre der Hauptact der Zerstörung gekommen. Daß man auch jetzt
uoch das eigentliche Gros der Flotte in Reserve halten muß, liegt zu klar auf
der Hand, um hier noch einer Erörterung zu bedürfen. Neugierig bin ich indeß,
welche Bestimmung man in Anbetracht dieser Nothwendigkeit den Schrauben¬
schiffen geben wird. Ob man sich entschließt, sie zunächst in die Action hinein¬
zuziehen, oder sie im Gegentheil als leichtbeweglichste Reserve im hintersten
Treffen hält. Beide Verfahrungsarten können mit Gründen unterstützt werden.
Für erstere Methode würde die specielle Tauglichkeit der Schrauben zum Agiren
auf engen Wasserflächen reden, mithin die Vorzüge, welche sie vor allen andern
Linienschiffen beim Entscheidu'ngskamps im Hafen selbst voraushaben; sür letztere
die Unerläßlichkeit eines schnell zur Verwendung und zwar unter allen Um¬
ständen (also gegen Wind und Strömung) bereiten Rückhalts.

Wie mancherlei Art die Zweifel indeß auch sein mögen, die man über
Entwurf, Ausführung und Ausgang dieses bevorstehenden Kampfes hegen
mag: so viel ist gewiß, daß, wenn er zur Entscheidung durchgeführt, und sein
Zweck, die Verbrennung der russischen Seemacht mitten im Hafen, erreicht wird,
er die grandioseste Action bezeichnen möchte, von der die Annalen der Seekriege
wissen. Mehr noch: er dürfte in seiner Art ohne Beispiel dastehen. Wenn
er aber im voraus mit irgend einem Wagniß verglichen werden kann, möchte
die Schlacht von Kopenhagen ihm am nächsten stehen, wobei man nicht ver¬
gessen möge, daß bei diesem Treffen die Dänen und Engländer nicht voll
funfzehnhundert Kanonen in Thätigkeit brachten, während die heutigen com-
binirten Pontusflotten deren allein dreitausend tragen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/303>, abgerufen am 23.07.2024.