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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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gnügen darauf, die Trümmer der ringsum eingerissenen Häuser so sehr wie mög¬
lich mit Wasser zu überschütten, sowie die Fronten und Giebelwände der dem
Feuer zunächststehenden zu bespritzen. Endlich läßt die Glut nach, die Feuer¬
mannschaften sind des Brandes Herr geworden.

Der Art war der Verlauf der vorgestrigen Feuersbrunst im Stadttheil Dolma-
Bagdsche, etwa anderthalbtausend Schritte von meiner Wohnung entfernt. In
der Woche zuvor konnte ich zu zweien Malen von meinen Fenstern aus Brände
beobachten. Es handelte sich in jedem dieser Fälle nur um eine Halbe Straße,
die in Asche sank. Wie oft sich nun aber immerhin auch die Feuersbrünste im
Winter hier wiederholen; zu den charakteristischen, einzig und allein in dieser
Jahreszeit vorkommenden Ereignissen gehören sie nicht, denn es fehlt auch im
Sommer nicht an ihnen. Eher noch rechne ich dazu die Einbrüche, die Rauban-fälle
und die Straßenmorde; doch redete ich von ihnen schon, ausführlicher an einer
andern Stelle.




Ueber den muthmaMchen Gang der Operationen der
combinirten Flotten gegen Sebastopol.

Es liegt in der-Natur aller Befestigungen, daß sie ihre Wirkung nur
unter Umständen vereinigen können, daß ihre starken Seiten zumeist schwache
Seiten nicht ausschließen, und daß sie, je nachdem, mit leichterer oder größerer
Mühe zu überwinden sind. Der Angreifer begibt sich in die übelste Position,
wenn er sich in die Lage versetzt, von mehren Befestigungen zugleich, d. h.
von concentrischem Feuer bekämpft zu werden. Dieses würde- die Situation
der combinirten Flotten sein, wenn sie, auf die Schnelligkeit ihrer vom Dampf
beflügelter Bewegungen vertrauend, sich kühn zwischen die russischen Batterien
werfen und die Escadre angreifen wollten, bevor die mächtigen Fortificationen,
welche sie beschützen, zerstört und ihr Feuer zum Schweigen gebracht worden
wäre. Diesen Weg einschlagen hieße die Vernichtung der russischen Seemacht
mit dem Verlust der eignen engagirten Schiffe erkaufen. Die englische Marine
hat Führer gehabt, wie Nelson, und sie besitzt deren noch, die um diesen Preis
selbst den Kampf nicht gescheut' haben würden,' aber vor dem besonnenen Ur¬
theil würde ein solches Unternehmen nicht bestehen können. Glücklicherweise
ist der angedeutete Weg nicht der einzige, den man zu wählen hat.

Wie günstig auch immer die Fortificationen von Sebastopol sein mögen,
wie sehr auf die gegenseitige Unterstützung berechnet, so erhellt doch, auch
für den Laien im Kriegswesen, aus dem einfachen Umstände, daß es eine
schmale Bucht ist, welche von ihnen vertheidigt wird, die Möglichkeit einer


gnügen darauf, die Trümmer der ringsum eingerissenen Häuser so sehr wie mög¬
lich mit Wasser zu überschütten, sowie die Fronten und Giebelwände der dem
Feuer zunächststehenden zu bespritzen. Endlich läßt die Glut nach, die Feuer¬
mannschaften sind des Brandes Herr geworden.

Der Art war der Verlauf der vorgestrigen Feuersbrunst im Stadttheil Dolma-
Bagdsche, etwa anderthalbtausend Schritte von meiner Wohnung entfernt. In
der Woche zuvor konnte ich zu zweien Malen von meinen Fenstern aus Brände
beobachten. Es handelte sich in jedem dieser Fälle nur um eine Halbe Straße,
die in Asche sank. Wie oft sich nun aber immerhin auch die Feuersbrünste im
Winter hier wiederholen; zu den charakteristischen, einzig und allein in dieser
Jahreszeit vorkommenden Ereignissen gehören sie nicht, denn es fehlt auch im
Sommer nicht an ihnen. Eher noch rechne ich dazu die Einbrüche, die Rauban-fälle
und die Straßenmorde; doch redete ich von ihnen schon, ausführlicher an einer
andern Stelle.




Ueber den muthmaMchen Gang der Operationen der
combinirten Flotten gegen Sebastopol.

Es liegt in der-Natur aller Befestigungen, daß sie ihre Wirkung nur
unter Umständen vereinigen können, daß ihre starken Seiten zumeist schwache
Seiten nicht ausschließen, und daß sie, je nachdem, mit leichterer oder größerer
Mühe zu überwinden sind. Der Angreifer begibt sich in die übelste Position,
wenn er sich in die Lage versetzt, von mehren Befestigungen zugleich, d. h.
von concentrischem Feuer bekämpft zu werden. Dieses würde- die Situation
der combinirten Flotten sein, wenn sie, auf die Schnelligkeit ihrer vom Dampf
beflügelter Bewegungen vertrauend, sich kühn zwischen die russischen Batterien
werfen und die Escadre angreifen wollten, bevor die mächtigen Fortificationen,
welche sie beschützen, zerstört und ihr Feuer zum Schweigen gebracht worden
wäre. Diesen Weg einschlagen hieße die Vernichtung der russischen Seemacht
mit dem Verlust der eignen engagirten Schiffe erkaufen. Die englische Marine
hat Führer gehabt, wie Nelson, und sie besitzt deren noch, die um diesen Preis
selbst den Kampf nicht gescheut' haben würden,' aber vor dem besonnenen Ur¬
theil würde ein solches Unternehmen nicht bestehen können. Glücklicherweise
ist der angedeutete Weg nicht der einzige, den man zu wählen hat.

Wie günstig auch immer die Fortificationen von Sebastopol sein mögen,
wie sehr auf die gegenseitige Unterstützung berechnet, so erhellt doch, auch
für den Laien im Kriegswesen, aus dem einfachen Umstände, daß es eine
schmale Bucht ist, welche von ihnen vertheidigt wird, die Möglichkeit einer


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[0302] gnügen darauf, die Trümmer der ringsum eingerissenen Häuser so sehr wie mög¬ lich mit Wasser zu überschütten, sowie die Fronten und Giebelwände der dem Feuer zunächststehenden zu bespritzen. Endlich läßt die Glut nach, die Feuer¬ mannschaften sind des Brandes Herr geworden. Der Art war der Verlauf der vorgestrigen Feuersbrunst im Stadttheil Dolma- Bagdsche, etwa anderthalbtausend Schritte von meiner Wohnung entfernt. In der Woche zuvor konnte ich zu zweien Malen von meinen Fenstern aus Brände beobachten. Es handelte sich in jedem dieser Fälle nur um eine Halbe Straße, die in Asche sank. Wie oft sich nun aber immerhin auch die Feuersbrünste im Winter hier wiederholen; zu den charakteristischen, einzig und allein in dieser Jahreszeit vorkommenden Ereignissen gehören sie nicht, denn es fehlt auch im Sommer nicht an ihnen. Eher noch rechne ich dazu die Einbrüche, die Rauban-fälle und die Straßenmorde; doch redete ich von ihnen schon, ausführlicher an einer andern Stelle. Ueber den muthmaMchen Gang der Operationen der combinirten Flotten gegen Sebastopol. Es liegt in der-Natur aller Befestigungen, daß sie ihre Wirkung nur unter Umständen vereinigen können, daß ihre starken Seiten zumeist schwache Seiten nicht ausschließen, und daß sie, je nachdem, mit leichterer oder größerer Mühe zu überwinden sind. Der Angreifer begibt sich in die übelste Position, wenn er sich in die Lage versetzt, von mehren Befestigungen zugleich, d. h. von concentrischem Feuer bekämpft zu werden. Dieses würde- die Situation der combinirten Flotten sein, wenn sie, auf die Schnelligkeit ihrer vom Dampf beflügelter Bewegungen vertrauend, sich kühn zwischen die russischen Batterien werfen und die Escadre angreifen wollten, bevor die mächtigen Fortificationen, welche sie beschützen, zerstört und ihr Feuer zum Schweigen gebracht worden wäre. Diesen Weg einschlagen hieße die Vernichtung der russischen Seemacht mit dem Verlust der eignen engagirten Schiffe erkaufen. Die englische Marine hat Führer gehabt, wie Nelson, und sie besitzt deren noch, die um diesen Preis selbst den Kampf nicht gescheut' haben würden,' aber vor dem besonnenen Ur¬ theil würde ein solches Unternehmen nicht bestehen können. Glücklicherweise ist der angedeutete Weg nicht der einzige, den man zu wählen hat. Wie günstig auch immer die Fortificationen von Sebastopol sein mögen, wie sehr auf die gegenseitige Unterstützung berechnet, so erhellt doch, auch für den Laien im Kriegswesen, aus dem einfachen Umstände, daß es eine schmale Bucht ist, welche von ihnen vertheidigt wird, die Möglichkeit einer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/301>, abgerufen am 23.07.2024.