Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.Hier fällt das Plateau mit steilen, fürchterlich zerrissenen Wänden, oft 3--700 Oestlich vom Aja Burnn bildet die Küste eine schroffe Felswand von Hier fällt das Plateau mit steilen, fürchterlich zerrissenen Wänden, oft 3—700 Oestlich vom Aja Burnn bildet die Küste eine schroffe Felswand von <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0290" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/98070"/> <p xml:id="ID_902" prev="#ID_901"> Hier fällt das Plateau mit steilen, fürchterlich zerrissenen Wänden, oft 3—700<lb/> Fuß tief, in die See ab, gewährt mir hin und wieder einen schmalen sandigen<lb/> Strand dem Spiel der Wogen, und tritt an andern Stellen, mit wilden Fels¬<lb/> massen gefährliche Vorgebirge bildend, kühn in das Meer hinein. Die beiden<lb/> hervorragendsten Spitzen, Parthenivn und Aja Burnn (das heilige Vorgebirge)<lb/> deuten schon durch ihre Namen an, daß man hier das unwirthliche Gestade<lb/> wiedergefunden zu haben glaubte, wo im Alterthum die wilden Taurer zu<lb/> Ehren ihrer jungfräulichen Göttin erbarmungslos die unglücklichen Schiff¬<lb/> brüchigen vom Felsen stürzten, wo Iphigenia unter Barbaren ihr mildes<lb/> Priesterthum verwaltete, wo Orest vor den Erinnyeü Ruhe sand, und wo sich<lb/> zur Zeit der Blüte des Hellenenthums ein Tempel erhob, in dem der ver¬<lb/> söhnende Geist des griechischen Volks die barbarische Götterjungsrcm, die sprenge<lb/> Artemis und Agamenmons sanfte Tochter gern vereinigt verehrte. In der<lb/> That hat man auf der Felsenplatte im Innern der Bucht, welche durch die<lb/> beiden Vorgebirge gebildet wird, seltsame Reste eines uralten Maucnverks ge¬<lb/> funden, die, vereinzelt wie sie in dieser Einöde sind, nicht süglich einer mensch¬<lb/> lichen Ansiedelung, sondern nur einem Tempel angehört haben können; und<lb/> zum Zeichen, daß diese schauerliche Felsenwildniß zu allen Zeiten religiöse Ge¬<lb/> fühle in der Menschenbrust angeregt hat, ruht auch jetzt hier in einer von<lb/> dunkeln Basaltwänden eingefaßten Senkung, doch noch immer einige hundert<lb/> Fuß über dem Meeresspiegel, ein griechisches Kloster, dem heiligen Georg<lb/> gewidmet, eine kleine Kirche mit.einer Kuppel und einfache, von Baumgruppen<lb/> beschattete Häuschen, welche die Mönche sich errichteten, als sie ihr hartes<lb/> Troglodytenleben in den Felsenhöhlen der Umgegend aufzugeben sich entschlossen.<lb/> Hier ist es auch möglich, an dem abschüssigen Gehänge zum Strande hinab-<lb/> zuklettern;, doch findet die Neugier des Reisenden sür das beschwerliche Unter¬<lb/> nehmen keinen andern Lohn als die Erinnerung an die überstandenen Strapazen.</p><lb/> <p xml:id="ID_903" next="#ID_904"> Oestlich vom Aja Burnn bildet die Küste eine schroffe Felswand von<lb/> 6—700 Fuß Höhe. Plötzlich öffnet sie sich. Ein schmales Fahrwasser, das<lb/> kaum von zwei Schiffen zu gleicher Zeit benutzt werden kann, führt in eine<lb/> schöne geräumige Bucht, die durch steile Höhen auf allen Seiten so geschirmt<lb/> ist, daß sich hier kaum die Welle kreisete, wenn draußen der wildeste Sturm<lb/> tobt. Die Bucht, die fast eine Viertelmeile in das Land einschneidet, markirt<lb/> hier im Süden die östliche Grenze der Halbinsel. Sie ist. sehr tief und würde<lb/> den gesuchtesten Ankerplatz gewähren, wenn die Einfahrt an dieser gefährlichen<lb/> Küste nicht so schwierig und bei unruhige»! Wetter so gefährlich wäre.<lb/> Gleichwol ist sie den handeltreibenden Nationen seit uralten Zeiten bekannt<lb/> gewesen; hier lag zur Griechenzeit Symbvlon,, ein oft erwähnter Ankerplatz;<lb/> rechts aus den Höhen sieht man noch jetzt die gewaltigen Trümmer Cambelos,<lb/> einer der mächtigsten Burgen, welche Genuas ritterliche Kaufleute an der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0290]
Hier fällt das Plateau mit steilen, fürchterlich zerrissenen Wänden, oft 3—700
Fuß tief, in die See ab, gewährt mir hin und wieder einen schmalen sandigen
Strand dem Spiel der Wogen, und tritt an andern Stellen, mit wilden Fels¬
massen gefährliche Vorgebirge bildend, kühn in das Meer hinein. Die beiden
hervorragendsten Spitzen, Parthenivn und Aja Burnn (das heilige Vorgebirge)
deuten schon durch ihre Namen an, daß man hier das unwirthliche Gestade
wiedergefunden zu haben glaubte, wo im Alterthum die wilden Taurer zu
Ehren ihrer jungfräulichen Göttin erbarmungslos die unglücklichen Schiff¬
brüchigen vom Felsen stürzten, wo Iphigenia unter Barbaren ihr mildes
Priesterthum verwaltete, wo Orest vor den Erinnyeü Ruhe sand, und wo sich
zur Zeit der Blüte des Hellenenthums ein Tempel erhob, in dem der ver¬
söhnende Geist des griechischen Volks die barbarische Götterjungsrcm, die sprenge
Artemis und Agamenmons sanfte Tochter gern vereinigt verehrte. In der
That hat man auf der Felsenplatte im Innern der Bucht, welche durch die
beiden Vorgebirge gebildet wird, seltsame Reste eines uralten Maucnverks ge¬
funden, die, vereinzelt wie sie in dieser Einöde sind, nicht süglich einer mensch¬
lichen Ansiedelung, sondern nur einem Tempel angehört haben können; und
zum Zeichen, daß diese schauerliche Felsenwildniß zu allen Zeiten religiöse Ge¬
fühle in der Menschenbrust angeregt hat, ruht auch jetzt hier in einer von
dunkeln Basaltwänden eingefaßten Senkung, doch noch immer einige hundert
Fuß über dem Meeresspiegel, ein griechisches Kloster, dem heiligen Georg
gewidmet, eine kleine Kirche mit.einer Kuppel und einfache, von Baumgruppen
beschattete Häuschen, welche die Mönche sich errichteten, als sie ihr hartes
Troglodytenleben in den Felsenhöhlen der Umgegend aufzugeben sich entschlossen.
Hier ist es auch möglich, an dem abschüssigen Gehänge zum Strande hinab-
zuklettern;, doch findet die Neugier des Reisenden sür das beschwerliche Unter¬
nehmen keinen andern Lohn als die Erinnerung an die überstandenen Strapazen.
Oestlich vom Aja Burnn bildet die Küste eine schroffe Felswand von
6—700 Fuß Höhe. Plötzlich öffnet sie sich. Ein schmales Fahrwasser, das
kaum von zwei Schiffen zu gleicher Zeit benutzt werden kann, führt in eine
schöne geräumige Bucht, die durch steile Höhen auf allen Seiten so geschirmt
ist, daß sich hier kaum die Welle kreisete, wenn draußen der wildeste Sturm
tobt. Die Bucht, die fast eine Viertelmeile in das Land einschneidet, markirt
hier im Süden die östliche Grenze der Halbinsel. Sie ist. sehr tief und würde
den gesuchtesten Ankerplatz gewähren, wenn die Einfahrt an dieser gefährlichen
Küste nicht so schwierig und bei unruhige»! Wetter so gefährlich wäre.
Gleichwol ist sie den handeltreibenden Nationen seit uralten Zeiten bekannt
gewesen; hier lag zur Griechenzeit Symbvlon,, ein oft erwähnter Ankerplatz;
rechts aus den Höhen sieht man noch jetzt die gewaltigen Trümmer Cambelos,
einer der mächtigsten Burgen, welche Genuas ritterliche Kaufleute an der
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |