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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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noch nicht zu einem Reactionär. Indessen ist es häufig nothwendig, grade aus
Dinge, die sich von selbst verstehen, immer von neuem hinzuweisen, weil grade >
bei solchen Dingen der Jesuitismus sich die unausgesetzte und consequente Mühe
gibt, der Menge, die nicht selbst prüft, ciire falsche Tradition unterzuschieben. Und
so ist es denn ein großes Verdienst von Herrn Schwarz, daß.er diese Stellen so
scharf als möglich hervorgehoben und die Cvnscguenzen derselben deutlich und
schlagend entwickelt hat.

Wenn wir an dem trefflichen Buche eine Ausstellung machen wollten, so wäre
es diese, daß der Verfasser sich anch in der Form sei"en Helden etwas mehr zum
Vorbild hätte nehmen sollen. Wir vermissen in dem Werk jene sprühende
Schärfe, jene Gedrängtheit und Präcision, die man unwillkürlich vor Augen hat,
wenn man an Lessing denkt. Es hätte manches - gedrängter und schärfer gesagt
werden, manche Deduction, die hier ganz ernsthaft und in einer gewissen
Breite ausgeführt ist, hätte mit einem einfachen Witz abgemacht werden können.
Indessen darf man in dieser Beziehung der Individualität nicht Gewalt anthun,
und es ist um so ehrenwerther und erfreulicher, wenn eine Natur, deren Anlage
uach einer ganz andern Richtung hingeht, sich doch zur freien und objectiven An¬
erkennung einer ihr fremden Größe erwärmt. So hat es uns namentlich erfrent,
daß Herr Schwarz die kritische Bedeutung Lessings weit höher anschlägt, als die
von Schleiermacher und Strauß, obgleich die beiden letzteren ihm gewiß viel
näher stehen. Wir möchten zum Schluß eiuen Wunsch an Herr" Schwarz aus¬
sprechen. Die versprochene Geschichte der modernen Theologie wird gewiß ein
sehr interessantes Werk werden, allein da er bereits eine Monographie als Vor¬
läufer derselben vorausgeschickt hat, so wäre noch ein zweiter Versuch der Art wünschens-
werth: wir meinen ein Leben Schleiermachers. Schleiermacher gehört zu den
einflußreichsten Denkern der mit 1830 abgeschlossenen Periode und noch fehlt der
deutschen Literatur eine zusammenhängende Auseinandersetzung dessen, was er ge>
leistet hat. Eine solche Darstellung ist um so nothwendiger, da Schleiermachers
persönliche Wirksamkeit noch unendlich bedeutender war, als die durch seine
Schriften. Es ist aber hohe Zeit, daranzugehen, denn die unmittelbaren Tra¬
ditionen, sterben allmälig ans und man wird sehr bald als Quelle nichts weiter
übrighaben, als seine Schriften und einige in verschiedenen Journalen zerstreute
Notizen. Durch seiue Beziehung zur Schleiermacherschen Schule und durch seine
unabhängige Stellung innerhalb derselben scheint uns Herr Schwarz vorzugsweise
berufen zu sein, eine solche Darstellung mit Erfolg zu unternehmen. --


Geschichte der englischen Literatur nebst Proben aus den bedeutendsten
Schriftstellern und einer' Entwicklungsgeschichte der englischen Sprache. Von
W. Spalding, Professor an der Universität Se. Andrews. Nach der
zweiten Auflage des Originals mit Anmerkungen ins Deutsche übersetzt.
Halle, Gräger. --

noch nicht zu einem Reactionär. Indessen ist es häufig nothwendig, grade aus
Dinge, die sich von selbst verstehen, immer von neuem hinzuweisen, weil grade >
bei solchen Dingen der Jesuitismus sich die unausgesetzte und consequente Mühe
gibt, der Menge, die nicht selbst prüft, ciire falsche Tradition unterzuschieben. Und
so ist es denn ein großes Verdienst von Herrn Schwarz, daß.er diese Stellen so
scharf als möglich hervorgehoben und die Cvnscguenzen derselben deutlich und
schlagend entwickelt hat.

Wenn wir an dem trefflichen Buche eine Ausstellung machen wollten, so wäre
es diese, daß der Verfasser sich anch in der Form sei«en Helden etwas mehr zum
Vorbild hätte nehmen sollen. Wir vermissen in dem Werk jene sprühende
Schärfe, jene Gedrängtheit und Präcision, die man unwillkürlich vor Augen hat,
wenn man an Lessing denkt. Es hätte manches - gedrängter und schärfer gesagt
werden, manche Deduction, die hier ganz ernsthaft und in einer gewissen
Breite ausgeführt ist, hätte mit einem einfachen Witz abgemacht werden können.
Indessen darf man in dieser Beziehung der Individualität nicht Gewalt anthun,
und es ist um so ehrenwerther und erfreulicher, wenn eine Natur, deren Anlage
uach einer ganz andern Richtung hingeht, sich doch zur freien und objectiven An¬
erkennung einer ihr fremden Größe erwärmt. So hat es uns namentlich erfrent,
daß Herr Schwarz die kritische Bedeutung Lessings weit höher anschlägt, als die
von Schleiermacher und Strauß, obgleich die beiden letzteren ihm gewiß viel
näher stehen. Wir möchten zum Schluß eiuen Wunsch an Herr» Schwarz aus¬
sprechen. Die versprochene Geschichte der modernen Theologie wird gewiß ein
sehr interessantes Werk werden, allein da er bereits eine Monographie als Vor¬
läufer derselben vorausgeschickt hat, so wäre noch ein zweiter Versuch der Art wünschens-
werth: wir meinen ein Leben Schleiermachers. Schleiermacher gehört zu den
einflußreichsten Denkern der mit 1830 abgeschlossenen Periode und noch fehlt der
deutschen Literatur eine zusammenhängende Auseinandersetzung dessen, was er ge>
leistet hat. Eine solche Darstellung ist um so nothwendiger, da Schleiermachers
persönliche Wirksamkeit noch unendlich bedeutender war, als die durch seine
Schriften. Es ist aber hohe Zeit, daranzugehen, denn die unmittelbaren Tra¬
ditionen, sterben allmälig ans und man wird sehr bald als Quelle nichts weiter
übrighaben, als seine Schriften und einige in verschiedenen Journalen zerstreute
Notizen. Durch seiue Beziehung zur Schleiermacherschen Schule und durch seine
unabhängige Stellung innerhalb derselben scheint uns Herr Schwarz vorzugsweise
berufen zu sein, eine solche Darstellung mit Erfolg zu unternehmen. —


Geschichte der englischen Literatur nebst Proben aus den bedeutendsten
Schriftstellern und einer' Entwicklungsgeschichte der englischen Sprache. Von
W. Spalding, Professor an der Universität Se. Andrews. Nach der
zweiten Auflage des Originals mit Anmerkungen ins Deutsche übersetzt.
Halle, Gräger. —

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[0276] noch nicht zu einem Reactionär. Indessen ist es häufig nothwendig, grade aus Dinge, die sich von selbst verstehen, immer von neuem hinzuweisen, weil grade > bei solchen Dingen der Jesuitismus sich die unausgesetzte und consequente Mühe gibt, der Menge, die nicht selbst prüft, ciire falsche Tradition unterzuschieben. Und so ist es denn ein großes Verdienst von Herrn Schwarz, daß.er diese Stellen so scharf als möglich hervorgehoben und die Cvnscguenzen derselben deutlich und schlagend entwickelt hat. Wenn wir an dem trefflichen Buche eine Ausstellung machen wollten, so wäre es diese, daß der Verfasser sich anch in der Form sei«en Helden etwas mehr zum Vorbild hätte nehmen sollen. Wir vermissen in dem Werk jene sprühende Schärfe, jene Gedrängtheit und Präcision, die man unwillkürlich vor Augen hat, wenn man an Lessing denkt. Es hätte manches - gedrängter und schärfer gesagt werden, manche Deduction, die hier ganz ernsthaft und in einer gewissen Breite ausgeführt ist, hätte mit einem einfachen Witz abgemacht werden können. Indessen darf man in dieser Beziehung der Individualität nicht Gewalt anthun, und es ist um so ehrenwerther und erfreulicher, wenn eine Natur, deren Anlage uach einer ganz andern Richtung hingeht, sich doch zur freien und objectiven An¬ erkennung einer ihr fremden Größe erwärmt. So hat es uns namentlich erfrent, daß Herr Schwarz die kritische Bedeutung Lessings weit höher anschlägt, als die von Schleiermacher und Strauß, obgleich die beiden letzteren ihm gewiß viel näher stehen. Wir möchten zum Schluß eiuen Wunsch an Herr» Schwarz aus¬ sprechen. Die versprochene Geschichte der modernen Theologie wird gewiß ein sehr interessantes Werk werden, allein da er bereits eine Monographie als Vor¬ läufer derselben vorausgeschickt hat, so wäre noch ein zweiter Versuch der Art wünschens- werth: wir meinen ein Leben Schleiermachers. Schleiermacher gehört zu den einflußreichsten Denkern der mit 1830 abgeschlossenen Periode und noch fehlt der deutschen Literatur eine zusammenhängende Auseinandersetzung dessen, was er ge> leistet hat. Eine solche Darstellung ist um so nothwendiger, da Schleiermachers persönliche Wirksamkeit noch unendlich bedeutender war, als die durch seine Schriften. Es ist aber hohe Zeit, daranzugehen, denn die unmittelbaren Tra¬ ditionen, sterben allmälig ans und man wird sehr bald als Quelle nichts weiter übrighaben, als seine Schriften und einige in verschiedenen Journalen zerstreute Notizen. Durch seiue Beziehung zur Schleiermacherschen Schule und durch seine unabhängige Stellung innerhalb derselben scheint uns Herr Schwarz vorzugsweise berufen zu sein, eine solche Darstellung mit Erfolg zu unternehmen. — Geschichte der englischen Literatur nebst Proben aus den bedeutendsten Schriftstellern und einer' Entwicklungsgeschichte der englischen Sprache. Von W. Spalding, Professor an der Universität Se. Andrews. Nach der zweiten Auflage des Originals mit Anmerkungen ins Deutsche übersetzt. Halle, Gräger. —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/275>, abgerufen am 01.07.2024.