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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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zu sehen, den unsere Rosse sicher und furchtlos verfolgen , und immer lauter sanft
und heult der Wind, immer heftiger stürzen die Wasser nieder.

Anfangs suchte der Führer seineu Unmuth durch Beten, Schelten oder Flu¬
chen Luft zu machen -- vielleicht nnr ein Kunstgriff, um etwaigen Vorwürfen von
unsrer Seite zu entgehen -- eine Weile nachher- begann er uns zur Geduld zu
ernähren und endlich schien er selbst zu der Ueberzeugung zu gelange", daß wir
nichts Besseres thun könnten, als ruhig fortzureiten, um das spanische Hospiz
sobald als möglich zu erreichen. Aber Dreiviertelstunden vergingen, bis wir am
Fuße der Bergwand anlangten. "Jetzt sind wir gleich am Ziele", tröstete der Füh¬
rer, die Pferde fielen in einen lebhaften Trab und uach wenigen Stunden standen
wir am Eingange der bescheidenen Herberge.

Es ist ein kleines, viereckiges Gebäude, dessen Mauersteine nicht durch Mör¬
tel verbunden sind, so daß Luft und Feuchtigkeit von allen Seiten einzudringen
vermögen. Aber das Schieferdach vermag wenigstens den Negenfluten zu wehren,
und mit wahrhafter Freude sahen wir das große Feuer ans dem Herde, der
nach spanischer Weise die Mitte des Gemaches einnimmt und dem Rauch eine
ungehinderte CirculatiM durch alle Räume des Hauses gestattet, bis es ihm ge¬
nehm ist, durch das fensterreiche Thürmchen das Weite zu suchen. -- Außer dem
Herde, dem Holz- und Hansvorrathe enthält das "Hospiz" eigentlich nur eine
steinerne Bank, die sich rund um das Gemach zieht, aber wir sanden es herrlich
meublirt durch einige große Wollsäcke, die wahrscheinlich bis zum Einbruch der
Nacht in ein Schmngglerversteck gebracht werden sollten. Ihre Besitzer, dunkle
Männer im Costüm der spanischen Bergbewohner, begrüßten uns höflich, räumten
uns sogleich einen der Säcke zum Sitz ein, warfen noch einige Klötze ins Feuer,
und kehrten dann zu dem unterbrochenen Würfelspiele zurück, dessen Lauf sie ernst¬
haft und schweigend verfolgten, bis ein unverhoffter Wurf ihnen einen der Flüche
entlockte, an denen.ihre Sprache so überreich ist. Zuweilen tranken sie anch ans
einem,Schlauche, d. h. sie drückten denselben, bis der rothe Wein wie eine Fon¬
taine daraus hervor und ihnen in den weitgeöffneten Mund spritzte. Auch unser
Führer bewies eine große Geschicklichkeit in dieser wunderlichen Art zu trinken,
rauchte die Cigarrettos der Spanier mit großem Behagen und war sehr erstaunt,
als wir ihn zum Ausbruche ernährten.

Der Regen hatte freilich aufgehört, aber noch war der Himmel von Wolken
bedeckt; die Pferde.hatten sich auf dem schlüpfrigen Wege übermäßig anstrengen
müssen. Noch eine kleine Stunde, oder wenigstens eine halbe, möchten wir ver¬
weilen, meinte der Führer, -- aber er mußte sich fügen. Der Rauch, der Cigar-
rendampf und die qualmenden Wollsäcke machten das Hospiz zu einem nicht sehr
anmuthigen Aufenthalte. Unsere Kleider waren oberflächlich getrocknet und die
kleinen Pferdchen sahen wieder ganz munter ans. So gings denn weiter --
aber nicht nach dem Stäbchen Venasqne. Der Guide behauptetes ob mit Recht,


zu sehen, den unsere Rosse sicher und furchtlos verfolgen , und immer lauter sanft
und heult der Wind, immer heftiger stürzen die Wasser nieder.

Anfangs suchte der Führer seineu Unmuth durch Beten, Schelten oder Flu¬
chen Luft zu machen — vielleicht nnr ein Kunstgriff, um etwaigen Vorwürfen von
unsrer Seite zu entgehen — eine Weile nachher- begann er uns zur Geduld zu
ernähren und endlich schien er selbst zu der Ueberzeugung zu gelange», daß wir
nichts Besseres thun könnten, als ruhig fortzureiten, um das spanische Hospiz
sobald als möglich zu erreichen. Aber Dreiviertelstunden vergingen, bis wir am
Fuße der Bergwand anlangten. „Jetzt sind wir gleich am Ziele", tröstete der Füh¬
rer, die Pferde fielen in einen lebhaften Trab und uach wenigen Stunden standen
wir am Eingange der bescheidenen Herberge.

Es ist ein kleines, viereckiges Gebäude, dessen Mauersteine nicht durch Mör¬
tel verbunden sind, so daß Luft und Feuchtigkeit von allen Seiten einzudringen
vermögen. Aber das Schieferdach vermag wenigstens den Negenfluten zu wehren,
und mit wahrhafter Freude sahen wir das große Feuer ans dem Herde, der
nach spanischer Weise die Mitte des Gemaches einnimmt und dem Rauch eine
ungehinderte CirculatiM durch alle Räume des Hauses gestattet, bis es ihm ge¬
nehm ist, durch das fensterreiche Thürmchen das Weite zu suchen. — Außer dem
Herde, dem Holz- und Hansvorrathe enthält das „Hospiz" eigentlich nur eine
steinerne Bank, die sich rund um das Gemach zieht, aber wir sanden es herrlich
meublirt durch einige große Wollsäcke, die wahrscheinlich bis zum Einbruch der
Nacht in ein Schmngglerversteck gebracht werden sollten. Ihre Besitzer, dunkle
Männer im Costüm der spanischen Bergbewohner, begrüßten uns höflich, räumten
uns sogleich einen der Säcke zum Sitz ein, warfen noch einige Klötze ins Feuer,
und kehrten dann zu dem unterbrochenen Würfelspiele zurück, dessen Lauf sie ernst¬
haft und schweigend verfolgten, bis ein unverhoffter Wurf ihnen einen der Flüche
entlockte, an denen.ihre Sprache so überreich ist. Zuweilen tranken sie anch ans
einem,Schlauche, d. h. sie drückten denselben, bis der rothe Wein wie eine Fon¬
taine daraus hervor und ihnen in den weitgeöffneten Mund spritzte. Auch unser
Führer bewies eine große Geschicklichkeit in dieser wunderlichen Art zu trinken,
rauchte die Cigarrettos der Spanier mit großem Behagen und war sehr erstaunt,
als wir ihn zum Ausbruche ernährten.

Der Regen hatte freilich aufgehört, aber noch war der Himmel von Wolken
bedeckt; die Pferde.hatten sich auf dem schlüpfrigen Wege übermäßig anstrengen
müssen. Noch eine kleine Stunde, oder wenigstens eine halbe, möchten wir ver¬
weilen, meinte der Führer, — aber er mußte sich fügen. Der Rauch, der Cigar-
rendampf und die qualmenden Wollsäcke machten das Hospiz zu einem nicht sehr
anmuthigen Aufenthalte. Unsere Kleider waren oberflächlich getrocknet und die
kleinen Pferdchen sahen wieder ganz munter ans. So gings denn weiter —
aber nicht nach dem Stäbchen Venasqne. Der Guide behauptetes ob mit Recht,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/195>, abgerufen am 23.07.2024.