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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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dem Feuer ausgesetzten Fronten die Plantage- (Bekleiduugs-) Arbeiten am Haupt¬
wall, welche noch nicht ganz vollendet sind, fort.

Blutiger waren jedenfalls die beiden Zusammenstöße oberstromwarls, na¬
mentlich der bei Turtvkau (Turtvkag, Tortrokau, Tortokan sind Namen für ein
"ut denselben Ort). Nach einem hier in Umlauf befindlichen Gerücht hatte
Paskewitsch in Person commandirt. Man schlägt den Verlust der Nüssen an
Todte" und Verwundeten bei dieser Affaire auf 2500 Mann an. Die Türke"
litten verhältnißmäßig änßerst wenig.


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Wir gingen i" den letzten Tagen durch eine Krisis hindurch, vou der man
noch nicht' sagen kann, ob sie vollkommen.beendet ist. Die Westmächte haben,
wie man nachträglich erfahren hat, außer deu bereits bekannt gewordenen, andere
Forderungen der Pforte vorgelegt, i" die sofort zu willigen dieselbe Austand nahm.
Sie werden aus deu Zeitungen bereits von der schmerzvollen, bittern Aeußerung
Reschid Paschas wissen: "wenn man das im Sinne hatte, warum stellte man
denn nicht sofort uns die Bedingung, den Großherr" zum Christen zu machen?
Alle Ungewißheiten wären dann am Ende und wir wüßten genau, wie wir mit
England und Frankreich daran sind!"

Ich muß voraussetzen, daß die Journale beim Erscheinen dieses Berichts in
Ihren Blättern den wesentliche" Inhalt der Verhandlungen der letzten Woche
schon publicirt haben werde". ' Sie gälte" insgesammt' der Zukunft der orienta¬
lischen Christen, fassen aber in letzter Instanz einen ungleich weiter greifenden
Endzweck ins Ange. Der Hauptsache nach verlangen England und Frankreich
die Aufhebung der mit den neueren politischen Zuständen des türkischen Reiches
nicht mehr zu vereinigenden Gesetzesmacht des Koran. Sie bestehen im beson¬
deren ans der Rücknahme des seither uuter Todeöandrohuug gegen deu Uebertritt
vom Islam zum Christenthum gegebenen Verbots "ut wollen eben hierdurch el"
allmäliges Hinübergleiten des Türkeuthumö auch zu den religiösen Zuständen des
Abendlandes ermögliche".

Mau kaun nicht verkennen, daß die Politik, welche zu solchen Schritten
drängt, im großartigste" Sinne gefaßt ist; daß die Cabinete zu London und
Paris damit auf das eindringlichste den Beweis führen, wie es ihnen um eine
Lösung des Problems der orientalischen Frage, vom Fundament aus, zu thun ist,
und daß dabei alle Rücksichten des nächsten eignen Interesses zurücktreten.

Ein solches Verfahren kann nicht verfehle", der Welt noch klarer, als es
seither der Fall war, den moralischen Unterschied kennen zu lehren, der zwischen
cnropärsch-östlicher und europäisch-westlicher Politik vorherrscht. Ans Mittel¬
europa muß diese edle "ut energische Art zu handeln einen "in so tieferen Eindruck
machen, als England und Frankreich ihren Standpunkt, der allerdings die Ju¬


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dem Feuer ausgesetzten Fronten die Plantage- (Bekleiduugs-) Arbeiten am Haupt¬
wall, welche noch nicht ganz vollendet sind, fort.

Blutiger waren jedenfalls die beiden Zusammenstöße oberstromwarls, na¬
mentlich der bei Turtvkau (Turtvkag, Tortrokau, Tortokan sind Namen für ein
»ut denselben Ort). Nach einem hier in Umlauf befindlichen Gerücht hatte
Paskewitsch in Person commandirt. Man schlägt den Verlust der Nüssen an
Todte» und Verwundeten bei dieser Affaire auf 2500 Mann an. Die Türke»
litten verhältnißmäßig änßerst wenig.


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Wir gingen i» den letzten Tagen durch eine Krisis hindurch, vou der man
noch nicht' sagen kann, ob sie vollkommen.beendet ist. Die Westmächte haben,
wie man nachträglich erfahren hat, außer deu bereits bekannt gewordenen, andere
Forderungen der Pforte vorgelegt, i» die sofort zu willigen dieselbe Austand nahm.
Sie werden aus deu Zeitungen bereits von der schmerzvollen, bittern Aeußerung
Reschid Paschas wissen: „wenn man das im Sinne hatte, warum stellte man
denn nicht sofort uns die Bedingung, den Großherr» zum Christen zu machen?
Alle Ungewißheiten wären dann am Ende und wir wüßten genau, wie wir mit
England und Frankreich daran sind!"

Ich muß voraussetzen, daß die Journale beim Erscheinen dieses Berichts in
Ihren Blättern den wesentliche» Inhalt der Verhandlungen der letzten Woche
schon publicirt haben werde». ' Sie gälte» insgesammt' der Zukunft der orienta¬
lischen Christen, fassen aber in letzter Instanz einen ungleich weiter greifenden
Endzweck ins Ange. Der Hauptsache nach verlangen England und Frankreich
die Aufhebung der mit den neueren politischen Zuständen des türkischen Reiches
nicht mehr zu vereinigenden Gesetzesmacht des Koran. Sie bestehen im beson¬
deren ans der Rücknahme des seither uuter Todeöandrohuug gegen deu Uebertritt
vom Islam zum Christenthum gegebenen Verbots »ut wollen eben hierdurch el»
allmäliges Hinübergleiten des Türkeuthumö auch zu den religiösen Zuständen des
Abendlandes ermögliche».

Mau kaun nicht verkennen, daß die Politik, welche zu solchen Schritten
drängt, im großartigste» Sinne gefaßt ist; daß die Cabinete zu London und
Paris damit auf das eindringlichste den Beweis führen, wie es ihnen um eine
Lösung des Problems der orientalischen Frage, vom Fundament aus, zu thun ist,
und daß dabei alle Rücksichten des nächsten eignen Interesses zurücktreten.

Ein solches Verfahren kann nicht verfehle», der Welt noch klarer, als es
seither der Fall war, den moralischen Unterschied kennen zu lehren, der zwischen
cnropärsch-östlicher und europäisch-westlicher Politik vorherrscht. Ans Mittel¬
europa muß diese edle »ut energische Art zu handeln einen »in so tieferen Eindruck
machen, als England und Frankreich ihren Standpunkt, der allerdings die Ju¬


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/114>, abgerufen am 22.12.2024.