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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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lacht, scherzt, und was mehr bedeuten will, mau treibt Luxus wie je zuvor, ja
größeren noch.

Die große Mehrzahl der Türken feiert den Sonntag nur halb oder gar
uicht mit. Sie hält um so strenger an der Festlichkeit des Freitags, und, gleich
wie der erstere Tag von den Christen zum Promeniren benutzt wird, beleben sich
an letzterem die Straßen mit muselmännischen Fezträgern, beurlaubten Soldaten,
mit deu Carossen hochbesoldeter Beamten und mit Reitern. Obwol der Koran
den Frauen das Erscheinen an öffentlichen Orten verbietet, und wenngleich das
andere Geschlecht bei den Türken mehr noch wie die Männer am Alten und Her¬
gebrachten hängt, steht man dennoch die Weiber in dieser Hinsicht an der Spitze
der allgemeinen Emancipationsbewegnng stehen. Gern, gar zu gern würden sie
insgesammt Schleier und Kaftan fallen lassen und sich, wie sie zu sagen pflegen,
et la. ssiMka kleiden, allein so weit zu gehen ist vorerst noch nicht gestattet.


°2.

Die Dinge sind hier angethan, wie sie es am Vorabend der Eröffnung der
Feindseligkeiten zu einem Weltkriege sein können. Alles verkündet den ungeheuren
Wendepunkt, bei dem wir angelangt sind. Aber die Gefühle sind, wenn anch
tief bewegter, so dennoch mehr freudiger, als beängstigender Art. Von der
muselmännischen Bevölkerung versteht es sich ohnehin von selbst, daß der Hinzu¬
tritt Englands und Frankreichs auf den Kriegsschauplatz ihr Selbstvertrauen und
alle Erwartungen zu der Zukunft mächtig heben muß; aber auch die fränkische
Bevölkerung ist voller Vertrauen und was die verschiedenen Nationalitäten unter
den Rajahs anlangt, so beobachten sie in musterhafter Weise die Regeln politischer
Submission; die Aufgeklärten unter ihnen wissen ohnedies, um wie viel vortheil¬
hafter sich ihre Verhältnisse demnächst unter türkischer Oberherrschaft gestalten
werden, und daß Frankreich und England, ohne viel Geräusch freilich, aber mit
festem Ernste für dieses Interesse bei der Pforte gewirkt haben und noch weiter
wirken werde". Worauf diese beiden Mächte gegenwärtig ausgehn, scheint that¬
sächlich nichts Anderes, als eine Ermöglichung der Verschmelzung aller die türkisch¬
europäischen Provinzen bewohnenden Nationalitäten zu einem homogenen Volke
zu sein. Zu dem Ende will man die Schranken niederreißen, welche namentlich
der Islam zwischen den Stämmen ungleichen Glaubens aufgerichtet hat, indem
er nicht gestattet, daß die Tochter eines Muselmanns einen Christen Heirathe.

Man sagte mir für gewiß, daß die neuesten, gemeinsamen Forderungen
Englands und Frankreichs darauf beständen, es solle demnächst das Gesetz,
wornach Uebertritt vom Islam zum Christenthum mit dem Tode bestraft wird,
zurückgenommen werden, und in diesem Sinne gemischte Ehen kein Hinderniß
mehr finden. Sie sehen daraus, daß die Politik der Westmächte den hiesigen
Verhältnissen eine durchaus neue Basis zu geben bemüht ist; sie ist damit in voll-


Grenzboten. II. -I8si. 14

lacht, scherzt, und was mehr bedeuten will, mau treibt Luxus wie je zuvor, ja
größeren noch.

Die große Mehrzahl der Türken feiert den Sonntag nur halb oder gar
uicht mit. Sie hält um so strenger an der Festlichkeit des Freitags, und, gleich
wie der erstere Tag von den Christen zum Promeniren benutzt wird, beleben sich
an letzterem die Straßen mit muselmännischen Fezträgern, beurlaubten Soldaten,
mit deu Carossen hochbesoldeter Beamten und mit Reitern. Obwol der Koran
den Frauen das Erscheinen an öffentlichen Orten verbietet, und wenngleich das
andere Geschlecht bei den Türken mehr noch wie die Männer am Alten und Her¬
gebrachten hängt, steht man dennoch die Weiber in dieser Hinsicht an der Spitze
der allgemeinen Emancipationsbewegnng stehen. Gern, gar zu gern würden sie
insgesammt Schleier und Kaftan fallen lassen und sich, wie sie zu sagen pflegen,
et la. ssiMka kleiden, allein so weit zu gehen ist vorerst noch nicht gestattet.


°2.

Die Dinge sind hier angethan, wie sie es am Vorabend der Eröffnung der
Feindseligkeiten zu einem Weltkriege sein können. Alles verkündet den ungeheuren
Wendepunkt, bei dem wir angelangt sind. Aber die Gefühle sind, wenn anch
tief bewegter, so dennoch mehr freudiger, als beängstigender Art. Von der
muselmännischen Bevölkerung versteht es sich ohnehin von selbst, daß der Hinzu¬
tritt Englands und Frankreichs auf den Kriegsschauplatz ihr Selbstvertrauen und
alle Erwartungen zu der Zukunft mächtig heben muß; aber auch die fränkische
Bevölkerung ist voller Vertrauen und was die verschiedenen Nationalitäten unter
den Rajahs anlangt, so beobachten sie in musterhafter Weise die Regeln politischer
Submission; die Aufgeklärten unter ihnen wissen ohnedies, um wie viel vortheil¬
hafter sich ihre Verhältnisse demnächst unter türkischer Oberherrschaft gestalten
werden, und daß Frankreich und England, ohne viel Geräusch freilich, aber mit
festem Ernste für dieses Interesse bei der Pforte gewirkt haben und noch weiter
wirken werde». Worauf diese beiden Mächte gegenwärtig ausgehn, scheint that¬
sächlich nichts Anderes, als eine Ermöglichung der Verschmelzung aller die türkisch¬
europäischen Provinzen bewohnenden Nationalitäten zu einem homogenen Volke
zu sein. Zu dem Ende will man die Schranken niederreißen, welche namentlich
der Islam zwischen den Stämmen ungleichen Glaubens aufgerichtet hat, indem
er nicht gestattet, daß die Tochter eines Muselmanns einen Christen Heirathe.

Man sagte mir für gewiß, daß die neuesten, gemeinsamen Forderungen
Englands und Frankreichs darauf beständen, es solle demnächst das Gesetz,
wornach Uebertritt vom Islam zum Christenthum mit dem Tode bestraft wird,
zurückgenommen werden, und in diesem Sinne gemischte Ehen kein Hinderniß
mehr finden. Sie sehen daraus, daß die Politik der Westmächte den hiesigen
Verhältnissen eine durchaus neue Basis zu geben bemüht ist; sie ist damit in voll-


Grenzboten. II. -I8si. 14
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/112>, abgerufen am 22.12.2024.