Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.dem Leben lind Gesetz der Welt durch eine unnbersteigbare Scheidewand isolirt. Mrenzlwwi, I- 8 '
dem Leben lind Gesetz der Welt durch eine unnbersteigbare Scheidewand isolirt. Mrenzlwwi, I- 8 '
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0065" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97311"/> <p xml:id="ID_145" prev="#ID_144" next="#ID_146"> dem Leben lind Gesetz der Welt durch eine unnbersteigbare Scheidewand isolirt.<lb/> Er bezeichnet mit Recht diese Ansicht eilf einen nach Innen geschlagenen Spino-<lb/> zismus, und weist nach, das; eine solche Denkart nothwendig dem Naturalis¬<lb/> mus und Materialismus in die Hände arbeite: „deun man denke sich Einen,<lb/> dem die Alternative gestellt wird, entweder auf alle die Voraussetzungen zu ver¬<lb/> zichten, uaä> welchen Sonnenfinsternisse berechnet werden, und für ebenso möglich<lb/> zu halten, daß ein amerikanischer Tisch einem sogenannten Medium Verse vom<lb/> Coleridge in die Feder dictirt, alö daß ein Stein mit 'beschleunigter Geschwin¬<lb/> digkeit fällt, oder den Vorwurf des Naturalismus über sich ergehen zu lassen,<lb/> so kann bei einem Vernünftigen kein Zweifel darüber entstehen, wie er sich zu<lb/> entscheiden habe." Das alles ist so vortrefflich ausgeführt, daß wir nichts hin¬<lb/> zuzusetzen wissen. 2) Er tadelt den Materialismus in der modernen Natur-<lb/> wissenschaft, als deren Repräsentanten er Carl Vogt aufstellt. Daß ihre an¬<lb/> scheinende Abneigung gegen das Uebersinnliche eigentlich eine blinde Abneigung<lb/> gegen alle Spekulation, ja gegen alle Theorie und alles Gesetz ausdrückt, das<lb/> ist in der That eine sehr üble Wendung in unserer neueren Wissenschaft, wenn sie<lb/> gleich aus einer durchaus berechtigten Reaction gegen die Hirngespinste der frü¬<lb/> heren Naturphilosophie hervorgegangen ist. Ja, wir würden in unserer Oppo¬<lb/> sition vielleicht noch weiter gehen, als Herr Erdmann; denn wenn wir auch gern<lb/> zugeben wollen, daß Herr Vogt das, was die Franzosen vsprit nennen, in<lb/> überreichen Maße besitzt, so erscheint uns doch seine Theorie im allgemeinen als<lb/> vollkommen geistlos. Die heute so sehr vergötterte absolute Empirie zehrt noch<lb/> immer von den Resultaten der Speculation, denn Speculation ist nichts Anderes,<lb/> als das Vorausnehmen eines Gesetzes nach Gründen, die noch nicht i» ihrer<lb/> Totalität gesammelt, gesichtet und geordnet sind. Ohne ein solches Voraus¬<lb/> nehmen eines Gesetzes ist auch die Beobachtung vollkommen rathlos und un¬<lb/> fruchtbar; deun um mit Erfolg zu beobachten, muß man wissen, was man<lb/> sucht. Die größten Naturforscher haben auch immer ,den spekulativsten Geist<lb/> gehabt, z. B. Kepler und Newton, und der Skepticismus, der sich darüber freut,<lb/> einen neuen Punkt der Unwissenheit gefunden zu haben, wenn er ihn nicht selber<lb/> als ein zu überwindendes Moment begreift, arbeitet der Gedankenlosigkeit in die<lb/> Hände. 3) Herr Erdmann vindicirt der Naturwissenschaft nicht nnr das Recht,<lb/> sondern er legt ihr auch die Pflicht auf, sich um theologische Ansichten ganz und<lb/> gar nicht zu bekümmern; er bezeichnet es als eine Flucht ins Asyl der Ignoranz,<lb/> wenn der Physiolog den Theologen spielen will, denn wirklich ist der ein Igno¬<lb/> rant, der von solchem spricht, wovon er nichts weiß. „Wir freuen uns," fährt<lb/> er S. 12 fort, „wenn es dem Astronomen gelingt, das Universum ans Materie<lb/> und Bewegung zu construire», ohne dazu den göttlichen Willen zu Hilfe zu ru¬<lb/> fen, denn eine theistische Astronomie, welche in den Himmelsräumen Gott fände,<lb/> wäre uns ebenso absurd, wie eine Geometrie, welche unter ihren Sätzen Tugeud-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Mrenzlwwi, I- 8 '</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0065]
dem Leben lind Gesetz der Welt durch eine unnbersteigbare Scheidewand isolirt.
Er bezeichnet mit Recht diese Ansicht eilf einen nach Innen geschlagenen Spino-
zismus, und weist nach, das; eine solche Denkart nothwendig dem Naturalis¬
mus und Materialismus in die Hände arbeite: „deun man denke sich Einen,
dem die Alternative gestellt wird, entweder auf alle die Voraussetzungen zu ver¬
zichten, uaä> welchen Sonnenfinsternisse berechnet werden, und für ebenso möglich
zu halten, daß ein amerikanischer Tisch einem sogenannten Medium Verse vom
Coleridge in die Feder dictirt, alö daß ein Stein mit 'beschleunigter Geschwin¬
digkeit fällt, oder den Vorwurf des Naturalismus über sich ergehen zu lassen,
so kann bei einem Vernünftigen kein Zweifel darüber entstehen, wie er sich zu
entscheiden habe." Das alles ist so vortrefflich ausgeführt, daß wir nichts hin¬
zuzusetzen wissen. 2) Er tadelt den Materialismus in der modernen Natur-
wissenschaft, als deren Repräsentanten er Carl Vogt aufstellt. Daß ihre an¬
scheinende Abneigung gegen das Uebersinnliche eigentlich eine blinde Abneigung
gegen alle Spekulation, ja gegen alle Theorie und alles Gesetz ausdrückt, das
ist in der That eine sehr üble Wendung in unserer neueren Wissenschaft, wenn sie
gleich aus einer durchaus berechtigten Reaction gegen die Hirngespinste der frü¬
heren Naturphilosophie hervorgegangen ist. Ja, wir würden in unserer Oppo¬
sition vielleicht noch weiter gehen, als Herr Erdmann; denn wenn wir auch gern
zugeben wollen, daß Herr Vogt das, was die Franzosen vsprit nennen, in
überreichen Maße besitzt, so erscheint uns doch seine Theorie im allgemeinen als
vollkommen geistlos. Die heute so sehr vergötterte absolute Empirie zehrt noch
immer von den Resultaten der Speculation, denn Speculation ist nichts Anderes,
als das Vorausnehmen eines Gesetzes nach Gründen, die noch nicht i» ihrer
Totalität gesammelt, gesichtet und geordnet sind. Ohne ein solches Voraus¬
nehmen eines Gesetzes ist auch die Beobachtung vollkommen rathlos und un¬
fruchtbar; deun um mit Erfolg zu beobachten, muß man wissen, was man
sucht. Die größten Naturforscher haben auch immer ,den spekulativsten Geist
gehabt, z. B. Kepler und Newton, und der Skepticismus, der sich darüber freut,
einen neuen Punkt der Unwissenheit gefunden zu haben, wenn er ihn nicht selber
als ein zu überwindendes Moment begreift, arbeitet der Gedankenlosigkeit in die
Hände. 3) Herr Erdmann vindicirt der Naturwissenschaft nicht nnr das Recht,
sondern er legt ihr auch die Pflicht auf, sich um theologische Ansichten ganz und
gar nicht zu bekümmern; er bezeichnet es als eine Flucht ins Asyl der Ignoranz,
wenn der Physiolog den Theologen spielen will, denn wirklich ist der ein Igno¬
rant, der von solchem spricht, wovon er nichts weiß. „Wir freuen uns," fährt
er S. 12 fort, „wenn es dem Astronomen gelingt, das Universum ans Materie
und Bewegung zu construire», ohne dazu den göttlichen Willen zu Hilfe zu ru¬
fen, denn eine theistische Astronomie, welche in den Himmelsräumen Gott fände,
wäre uns ebenso absurd, wie eine Geometrie, welche unter ihren Sätzen Tugeud-
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