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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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lich war, und der so lange scheitern wird, bis europäische Krisen das holländische
Colonialsystem unhaltbar machen. Sehen wir uns dasselbe jetzt genauer an!

Java ist in der Wirklichkeit nichts anders als eine große Plantage der nieder¬
ländischen Regierung, ans welcher die Bevölkerung Sklavenarbeit verrichtet; denn
der Tagelohn, welchen, die Regierung zahlt, beträgt nicht mehr als ca. 4 flV per
Monat in Kupfergeld, welches 23 pCt. schlechter gio Silbergeld ist, und außerdem
muß der Javaner noch eine Menge unbezahlter Hcrrendienste verrichten, und end¬
lich für seinen eignen Unterhalt sorgen. Daraus folgt,, daß die völlig armen
Javaner nie soviel überverdienen, ">u sich europäische Waaren anschaffen zu könne",
woraus sich denn die im Verhältniß zur Ausfuhr so geringe Einfuhr in Java
erklärt. Folgende 2 Tabellen werden dieses hinlänglich erläutern: x



Von der Einfuhr sind aber die nach China, Japan ze. wieder aus- oder
nur durchgeführten Waaren wieder abzusetzen zu einem Betrage von circa 6 Mil¬
lionen; der größere Theil des Ueberrestes kommt dann noch ans die Consumtion
des Heeres und der einheimischen Europäer.

Die Regierung thut nichts, ja hindert sogar die Versuche von Privaten, um
die javanische Bevölkerung materiell oder geistig zu hebe"; so verweigert sie z. B.
die Verpachtuugc" wüster Grundstücke an Privaten zur Cultivirung, hindert die
Privatindustrie indirect auf alle mögliche Weise und erschwert die Niederlassungen
selbst von Niederländer" im Innern Javas, alles, damit der Javaner nicht mildere
Herren kennen lerne, als die Regierung; so thut sie z. B. nicht blos selbst nichts
für die Christianisirung der Javaner, welche sie für eine zwar wünschenswerthe,
aber höchst bedenkliche Sache erklärt, sondern sie hindert auch die Missionäre
derart, daß das Christenthum aus Java erst einige Tausend Anhänger
nnter deu Eingebornen zählt. Fremde, besonders Engländer und Nordamerikaner
werden entweder gar nicht ins Innere gelassen, oder dnrch, nnter dem Titel von
Ehrenbegleiter", beigegebene Spione überwacht, und bei der geringsten unbesonne-
nen Aeußerung ans deu Colonien verwiesen, welches Recht der Generalgouvemeur
auch gegenüber jedem Niederländer hat; man läßt nicht einmal Konsuln fremder
Nationen in die Kolonie zu, trotzdem, daß man deshalb anch keine in die anderer
Nationen, z. B. nach Australien, wo es so nöthig wäre, schicken kaun; die Ja¬
vaner haben keine Presse; die der javanischen Europäer hängt von der Willkür
des Gencralgonverneurs ab. Die Beamten bei den Culturen erhalten einen
großen Theil ihrer Besoldungen in Culturprocenten, und für deu tüchtigsten gilt
der, welcher den Ertrag seiner Culturen am höchsten zu steigern weiß; Freimü¬
thige und Reformfreunde werden pensionirt.


lich war, und der so lange scheitern wird, bis europäische Krisen das holländische
Colonialsystem unhaltbar machen. Sehen wir uns dasselbe jetzt genauer an!

Java ist in der Wirklichkeit nichts anders als eine große Plantage der nieder¬
ländischen Regierung, ans welcher die Bevölkerung Sklavenarbeit verrichtet; denn
der Tagelohn, welchen, die Regierung zahlt, beträgt nicht mehr als ca. 4 flV per
Monat in Kupfergeld, welches 23 pCt. schlechter gio Silbergeld ist, und außerdem
muß der Javaner noch eine Menge unbezahlter Hcrrendienste verrichten, und end¬
lich für seinen eignen Unterhalt sorgen. Daraus folgt,, daß die völlig armen
Javaner nie soviel überverdienen, »>u sich europäische Waaren anschaffen zu könne»,
woraus sich denn die im Verhältniß zur Ausfuhr so geringe Einfuhr in Java
erklärt. Folgende 2 Tabellen werden dieses hinlänglich erläutern: x



Von der Einfuhr sind aber die nach China, Japan ze. wieder aus- oder
nur durchgeführten Waaren wieder abzusetzen zu einem Betrage von circa 6 Mil¬
lionen; der größere Theil des Ueberrestes kommt dann noch ans die Consumtion
des Heeres und der einheimischen Europäer.

Die Regierung thut nichts, ja hindert sogar die Versuche von Privaten, um
die javanische Bevölkerung materiell oder geistig zu hebe»; so verweigert sie z. B.
die Verpachtuugc» wüster Grundstücke an Privaten zur Cultivirung, hindert die
Privatindustrie indirect auf alle mögliche Weise und erschwert die Niederlassungen
selbst von Niederländer» im Innern Javas, alles, damit der Javaner nicht mildere
Herren kennen lerne, als die Regierung; so thut sie z. B. nicht blos selbst nichts
für die Christianisirung der Javaner, welche sie für eine zwar wünschenswerthe,
aber höchst bedenkliche Sache erklärt, sondern sie hindert auch die Missionäre
derart, daß das Christenthum aus Java erst einige Tausend Anhänger
nnter deu Eingebornen zählt. Fremde, besonders Engländer und Nordamerikaner
werden entweder gar nicht ins Innere gelassen, oder dnrch, nnter dem Titel von
Ehrenbegleiter», beigegebene Spione überwacht, und bei der geringsten unbesonne-
nen Aeußerung ans deu Colonien verwiesen, welches Recht der Generalgouvemeur
auch gegenüber jedem Niederländer hat; man läßt nicht einmal Konsuln fremder
Nationen in die Kolonie zu, trotzdem, daß man deshalb anch keine in die anderer
Nationen, z. B. nach Australien, wo es so nöthig wäre, schicken kaun; die Ja¬
vaner haben keine Presse; die der javanischen Europäer hängt von der Willkür
des Gencralgonverneurs ab. Die Beamten bei den Culturen erhalten einen
großen Theil ihrer Besoldungen in Culturprocenten, und für deu tüchtigsten gilt
der, welcher den Ertrag seiner Culturen am höchsten zu steigern weiß; Freimü¬
thige und Reformfreunde werden pensionirt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/422>, abgerufen am 22.07.2024.