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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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ausgegangenen vereinigten türkisch-französisch-englischen Escadre (siehe oben).
Wenn die Russen deren geringen Bestand in Erfahrung bringen sollten, so wäre
es nicht unwahrscheinlich, daß sie von Sebastopol ausgingen, um mit gesammelter
Kraft, d. h. mit 18 wohlbemanuten Linienschiffen, worunter fünf Dreidecker von
je 120 Kanonen, einen Schlag gegen drei Zweidecker zu führen, von denen der
eine (Sanspareil) außerdem nicht eben als ein besonders tüchtiges Fahrzeug er¬
wähnt wird. Aber man meint, daß der Versuch rnssischerseits dennoch zu kühn
sei, ein zu unermeßlich großes Material ans das Spiel stellen würde. Höchst
wahrscheinlich würde die ans lauter Dampfschiffen formirte Escadre ein Gefecht
auf Kernschußweite gar nicht annehmen, sie würde schnell die Luv (Windseite)
zu gewinnen suchen und sich hier in derjenigen Entfernung halten, die noch einen
Gebrauch ihrer sehr weitragenden und den russischen in dieser Hinsicht wol über¬
legenen Geschütze gestattet. Die Einleitung der Action würde somit in einer
Distance-Kanonade bestehen, und erst wenn diese einen bedeutenden Effect her¬
vorgebracht hatte, wovon die russischen Linienschiffe naht- und steuerlos und aus
solchen Gründen nnführbar geworden wären, würde man ihnen näher ans den
Leib gehen und sie die ganze zermalmende Wucht englisch-französischer Breitseiten
in der Nähe empfinden lassen. Ich glaube Ihnen entschieden versichern zu
können, daß so im wesentlichen die Instructionen lauten, welche der conunan-
dirende Admiral, Sir Edmund Lyons, von hier mitgenommen hat.

Mau hat noch die Frage hier aufgeworfen, ob die Nüssen nicht mit achtzehn
Linienschiffen einen Handstreich gegen die vierzehn im Bospor ankernden englisch-
französischen, die, nach 'Abgang der drei Schraubenfahrzcuge und der fünf Dampf¬
fregatten, ihres eigeutlichen Nervs entbehren, unternehmen werden. Hieraufhabe
ich keine Erwiederung. Griffen sie wirklich an, so wäre das Schicksal der Zarischen
Seemacht im Pontus damit besiegelt. Kein einziges ihrer Linienschiffe würde den
Weg nach Sebastopol zurückfinden. Dabei lasse ich den Umstand ganz unberück-
sichtigt, daß die Landbatterieu des Bospors, innerhalb deren Bereich Englands
und Frankreichs Flotten ankern, mit mehren hundert Kanonen des schwersten
Kalibers bewehrt sind, welche Zahl an und für sich schon ausreichen würde, jeder
Seemacht, die tollkühn genug wäre, sich in ihren Bereich zu wagen, den Unter¬
gang zu bereiten.

Meinem heutigen Briefe füge ich ein kleines Croquis^) des Hafens von
Sebastopol bei. Dasselbe macht in keiner Weise Anspruch auf Genauigkeit, wird
aber deumngeachtet ausreichend sein, um Ihnen die Schwierigkeiten zu vergegen¬
wärtigen, die ein Forciren des Hafens und Verbrennen der darin ankernden
russischen Flotte seitens der englisch-französischen Escadre haben würde. Sie wollen
namentlich die drei am Eingange des eigentlichen Kriegshafens gelegenen und als



Anm. d. Red. *) Hat dem Briefe nicht beigelegen. Wir hoffen, dasselbe nachzuliefern.

ausgegangenen vereinigten türkisch-französisch-englischen Escadre (siehe oben).
Wenn die Russen deren geringen Bestand in Erfahrung bringen sollten, so wäre
es nicht unwahrscheinlich, daß sie von Sebastopol ausgingen, um mit gesammelter
Kraft, d. h. mit 18 wohlbemanuten Linienschiffen, worunter fünf Dreidecker von
je 120 Kanonen, einen Schlag gegen drei Zweidecker zu führen, von denen der
eine (Sanspareil) außerdem nicht eben als ein besonders tüchtiges Fahrzeug er¬
wähnt wird. Aber man meint, daß der Versuch rnssischerseits dennoch zu kühn
sei, ein zu unermeßlich großes Material ans das Spiel stellen würde. Höchst
wahrscheinlich würde die ans lauter Dampfschiffen formirte Escadre ein Gefecht
auf Kernschußweite gar nicht annehmen, sie würde schnell die Luv (Windseite)
zu gewinnen suchen und sich hier in derjenigen Entfernung halten, die noch einen
Gebrauch ihrer sehr weitragenden und den russischen in dieser Hinsicht wol über¬
legenen Geschütze gestattet. Die Einleitung der Action würde somit in einer
Distance-Kanonade bestehen, und erst wenn diese einen bedeutenden Effect her¬
vorgebracht hatte, wovon die russischen Linienschiffe naht- und steuerlos und aus
solchen Gründen nnführbar geworden wären, würde man ihnen näher ans den
Leib gehen und sie die ganze zermalmende Wucht englisch-französischer Breitseiten
in der Nähe empfinden lassen. Ich glaube Ihnen entschieden versichern zu
können, daß so im wesentlichen die Instructionen lauten, welche der conunan-
dirende Admiral, Sir Edmund Lyons, von hier mitgenommen hat.

Mau hat noch die Frage hier aufgeworfen, ob die Nüssen nicht mit achtzehn
Linienschiffen einen Handstreich gegen die vierzehn im Bospor ankernden englisch-
französischen, die, nach 'Abgang der drei Schraubenfahrzcuge und der fünf Dampf¬
fregatten, ihres eigeutlichen Nervs entbehren, unternehmen werden. Hieraufhabe
ich keine Erwiederung. Griffen sie wirklich an, so wäre das Schicksal der Zarischen
Seemacht im Pontus damit besiegelt. Kein einziges ihrer Linienschiffe würde den
Weg nach Sebastopol zurückfinden. Dabei lasse ich den Umstand ganz unberück-
sichtigt, daß die Landbatterieu des Bospors, innerhalb deren Bereich Englands
und Frankreichs Flotten ankern, mit mehren hundert Kanonen des schwersten
Kalibers bewehrt sind, welche Zahl an und für sich schon ausreichen würde, jeder
Seemacht, die tollkühn genug wäre, sich in ihren Bereich zu wagen, den Unter¬
gang zu bereiten.

Meinem heutigen Briefe füge ich ein kleines Croquis^) des Hafens von
Sebastopol bei. Dasselbe macht in keiner Weise Anspruch auf Genauigkeit, wird
aber deumngeachtet ausreichend sein, um Ihnen die Schwierigkeiten zu vergegen¬
wärtigen, die ein Forciren des Hafens und Verbrennen der darin ankernden
russischen Flotte seitens der englisch-französischen Escadre haben würde. Sie wollen
namentlich die drei am Eingange des eigentlichen Kriegshafens gelegenen und als



Anm. d. Red. *) Hat dem Briefe nicht beigelegen. Wir hoffen, dasselbe nachzuliefern.
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[0391] ausgegangenen vereinigten türkisch-französisch-englischen Escadre (siehe oben). Wenn die Russen deren geringen Bestand in Erfahrung bringen sollten, so wäre es nicht unwahrscheinlich, daß sie von Sebastopol ausgingen, um mit gesammelter Kraft, d. h. mit 18 wohlbemanuten Linienschiffen, worunter fünf Dreidecker von je 120 Kanonen, einen Schlag gegen drei Zweidecker zu führen, von denen der eine (Sanspareil) außerdem nicht eben als ein besonders tüchtiges Fahrzeug er¬ wähnt wird. Aber man meint, daß der Versuch rnssischerseits dennoch zu kühn sei, ein zu unermeßlich großes Material ans das Spiel stellen würde. Höchst wahrscheinlich würde die ans lauter Dampfschiffen formirte Escadre ein Gefecht auf Kernschußweite gar nicht annehmen, sie würde schnell die Luv (Windseite) zu gewinnen suchen und sich hier in derjenigen Entfernung halten, die noch einen Gebrauch ihrer sehr weitragenden und den russischen in dieser Hinsicht wol über¬ legenen Geschütze gestattet. Die Einleitung der Action würde somit in einer Distance-Kanonade bestehen, und erst wenn diese einen bedeutenden Effect her¬ vorgebracht hatte, wovon die russischen Linienschiffe naht- und steuerlos und aus solchen Gründen nnführbar geworden wären, würde man ihnen näher ans den Leib gehen und sie die ganze zermalmende Wucht englisch-französischer Breitseiten in der Nähe empfinden lassen. Ich glaube Ihnen entschieden versichern zu können, daß so im wesentlichen die Instructionen lauten, welche der conunan- dirende Admiral, Sir Edmund Lyons, von hier mitgenommen hat. Mau hat noch die Frage hier aufgeworfen, ob die Nüssen nicht mit achtzehn Linienschiffen einen Handstreich gegen die vierzehn im Bospor ankernden englisch- französischen, die, nach 'Abgang der drei Schraubenfahrzcuge und der fünf Dampf¬ fregatten, ihres eigeutlichen Nervs entbehren, unternehmen werden. Hieraufhabe ich keine Erwiederung. Griffen sie wirklich an, so wäre das Schicksal der Zarischen Seemacht im Pontus damit besiegelt. Kein einziges ihrer Linienschiffe würde den Weg nach Sebastopol zurückfinden. Dabei lasse ich den Umstand ganz unberück- sichtigt, daß die Landbatterieu des Bospors, innerhalb deren Bereich Englands und Frankreichs Flotten ankern, mit mehren hundert Kanonen des schwersten Kalibers bewehrt sind, welche Zahl an und für sich schon ausreichen würde, jeder Seemacht, die tollkühn genug wäre, sich in ihren Bereich zu wagen, den Unter¬ gang zu bereiten. Meinem heutigen Briefe füge ich ein kleines Croquis^) des Hafens von Sebastopol bei. Dasselbe macht in keiner Weise Anspruch auf Genauigkeit, wird aber deumngeachtet ausreichend sein, um Ihnen die Schwierigkeiten zu vergegen¬ wärtigen, die ein Forciren des Hafens und Verbrennen der darin ankernden russischen Flotte seitens der englisch-französischen Escadre haben würde. Sie wollen namentlich die drei am Eingange des eigentlichen Kriegshafens gelegenen und als Anm. d. Red. *) Hat dem Briefe nicht beigelegen. Wir hoffen, dasselbe nachzuliefern.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/391>, abgerufen am 22.07.2024.