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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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Glücksfall wiederholt sich beim Bosporus noch ein Mal und zwar findet sich dort,
hinter den Ihren Lesern bereits bekannten Meereseinschnitten von Büjük- (Groß-)
und Kütschück- (Klein-) Tscherkmedsche (Kasten) welche soeben der französische
Gesandte besichtigte, Gelegenheit zu einer ähnlichen Befestigungslinie, welche die
Rückenwehr eiuer nicht minder wichtigen Seestraße, als die Dardanellen und
gleichzeitig das Schild Stambuls sein würde. Der Felsen, auf dem ein Theil
Gallipolis erbaut ist, steigt schroff aus dem Meere empor. Hier wäre der wohl¬
gefundene Ort für eine starke Citadelle. Aber der Steamer hat bereits wieder
den Anker gehoben, die Räder bewegen sich erst langsam und bald schneller
und schneller. In einigen Minuten liegen Hafen, Stadt und Felsen hinter uns.

Die Befestigungen, welche die Seestraße der Dardanellen vertheidigen, liegen
nicht, wie meistens fälschlich vorausgesetzt wird, auf deren ganzer Länge vertheilt,
sondern sind, was sicher sehr zu loben ist, aus dem schmalsten Punkte der Meer¬
enge concentrirt. Um Mittag hat das Schiff diese Stelle, welche ans zwei
Drittel des Weges von Gallipoli zur Mündung gelegen ist, erreicht. Die Breite
der Straße übersteigt hier nicht 2000 Schritt. Links, auf dem asiatischen Ufer, et-
blickt man die kleine Stadt Schanar-Kalessi. Die dem Meere zugewendete Fronte
nimmt die Citadelle Sultani-Hissar ein. Am wichtigsten siud die beiden Flügel¬
batterien, Pascha-Tabiasst und Tschemenni-Tabiassi. Alles in allem stehen hier
gegen 180 Geschütze, worunter solche vom schwersten Kaliber. Unmittelbar der
Citadelle Sultani-Hissar gegenüber liegen die beiden Forts Rilid-Bahar (mit
vierzig Kanonen) und Stamasgiach (mit fünfzig), woraus erhellt, daß ein Fahr¬
zeug, welches auf diesem Punkte die Straße sorciren wollte, gleichzeitig von 270 Ka¬
nonen beschossen werden würde. Die übrigen Batterien sind vorwärts und rück¬
wärts von dieser schmalsten Stelle und zwar so vertheilt, daß einige ihr Feuer
mit dem der drei eben erwähnten Forts noch kreuzen könne". Zweitausend fünfhundert
Schritte oberhalb von Schanar-Kalessi, und zwar ebenfalls auf dem asiatischen
Ufer, bemerkt man eine im Bau begriffene Befestigung. Die Mauern sind be¬
reits bis fünfzehn Fuß über den Wasserspiegel hinaufgeführt. Es ist dies das
neue Fort Medschidje (so genannt zu Ehren des jetzt regierenden Sultans Abd-
ul-Medschid). Die Lage ist vortrefflich, nämlich auf einem flachen Küsteuvor-
sprunge (Cap Pilger Omar, Hadschi Omar Burnu) und zwar so gewählt, daß
diejenigen Schisse, welche, wider alles Erwarten, die ersterwähnten drei Forts
passtrt haben sollten, von den Geschützen der Medschidje-Batterie von vorn und
zwar der Läuge nach bestrichen werden würden. Zur Rückendeckung der Forts und
der Batterien sind Erdlüuetten auf den zunächst gelegenen Höhen errichtet worden.
Hierdurch wird der Erfolg eines landwärtigen Vorganges gegen die Befestigungen
sehr erschwert, und die wichtige Position von Schanar-Kalessi rundet sich damit
zu einem sortificatorischen Ganzen ab.

Der Abend ist abermals hereingebrochen, wenn der Dampfer der Mündung


Glücksfall wiederholt sich beim Bosporus noch ein Mal und zwar findet sich dort,
hinter den Ihren Lesern bereits bekannten Meereseinschnitten von Büjük- (Groß-)
und Kütschück- (Klein-) Tscherkmedsche (Kasten) welche soeben der französische
Gesandte besichtigte, Gelegenheit zu einer ähnlichen Befestigungslinie, welche die
Rückenwehr eiuer nicht minder wichtigen Seestraße, als die Dardanellen und
gleichzeitig das Schild Stambuls sein würde. Der Felsen, auf dem ein Theil
Gallipolis erbaut ist, steigt schroff aus dem Meere empor. Hier wäre der wohl¬
gefundene Ort für eine starke Citadelle. Aber der Steamer hat bereits wieder
den Anker gehoben, die Räder bewegen sich erst langsam und bald schneller
und schneller. In einigen Minuten liegen Hafen, Stadt und Felsen hinter uns.

Die Befestigungen, welche die Seestraße der Dardanellen vertheidigen, liegen
nicht, wie meistens fälschlich vorausgesetzt wird, auf deren ganzer Länge vertheilt,
sondern sind, was sicher sehr zu loben ist, aus dem schmalsten Punkte der Meer¬
enge concentrirt. Um Mittag hat das Schiff diese Stelle, welche ans zwei
Drittel des Weges von Gallipoli zur Mündung gelegen ist, erreicht. Die Breite
der Straße übersteigt hier nicht 2000 Schritt. Links, auf dem asiatischen Ufer, et-
blickt man die kleine Stadt Schanar-Kalessi. Die dem Meere zugewendete Fronte
nimmt die Citadelle Sultani-Hissar ein. Am wichtigsten siud die beiden Flügel¬
batterien, Pascha-Tabiasst und Tschemenni-Tabiassi. Alles in allem stehen hier
gegen 180 Geschütze, worunter solche vom schwersten Kaliber. Unmittelbar der
Citadelle Sultani-Hissar gegenüber liegen die beiden Forts Rilid-Bahar (mit
vierzig Kanonen) und Stamasgiach (mit fünfzig), woraus erhellt, daß ein Fahr¬
zeug, welches auf diesem Punkte die Straße sorciren wollte, gleichzeitig von 270 Ka¬
nonen beschossen werden würde. Die übrigen Batterien sind vorwärts und rück¬
wärts von dieser schmalsten Stelle und zwar so vertheilt, daß einige ihr Feuer
mit dem der drei eben erwähnten Forts noch kreuzen könne». Zweitausend fünfhundert
Schritte oberhalb von Schanar-Kalessi, und zwar ebenfalls auf dem asiatischen
Ufer, bemerkt man eine im Bau begriffene Befestigung. Die Mauern sind be¬
reits bis fünfzehn Fuß über den Wasserspiegel hinaufgeführt. Es ist dies das
neue Fort Medschidje (so genannt zu Ehren des jetzt regierenden Sultans Abd-
ul-Medschid). Die Lage ist vortrefflich, nämlich auf einem flachen Küsteuvor-
sprunge (Cap Pilger Omar, Hadschi Omar Burnu) und zwar so gewählt, daß
diejenigen Schisse, welche, wider alles Erwarten, die ersterwähnten drei Forts
passtrt haben sollten, von den Geschützen der Medschidje-Batterie von vorn und
zwar der Läuge nach bestrichen werden würden. Zur Rückendeckung der Forts und
der Batterien sind Erdlüuetten auf den zunächst gelegenen Höhen errichtet worden.
Hierdurch wird der Erfolg eines landwärtigen Vorganges gegen die Befestigungen
sehr erschwert, und die wichtige Position von Schanar-Kalessi rundet sich damit
zu einem sortificatorischen Ganzen ab.

Der Abend ist abermals hereingebrochen, wenn der Dampfer der Mündung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/292>, abgerufen am 24.08.2024.