Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.schlingen, als da, wo man vertuscht, verdeckt und zuleimt, bis endlich das fressende Man nenne doch nnr eine Sphäre schweizerischer' und politischer, gei¬ Der Tendenz des "Bundes", welcher in der deutschen Schweiz jetzt wol das ver¬ schlingen, als da, wo man vertuscht, verdeckt und zuleimt, bis endlich das fressende Man nenne doch nnr eine Sphäre schweizerischer' und politischer, gei¬ Der Tendenz des „Bundes", welcher in der deutschen Schweiz jetzt wol das ver¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0229" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97475"/> <p xml:id="ID_594" prev="#ID_593"> schlingen, als da, wo man vertuscht, verdeckt und zuleimt, bis endlich das fressende<lb/> Uebel deu ganzen Organismus des Staates und der Gesellschaft vollkommen<lb/> vergiftet haben wird. Freilich ist dies „deutscher Trost". Aber hat man einer<lb/> Räthselansgabe der Zeit gegenüber etwas Anderes? Sind nicht selbst Unterstützungs-<lb/> anstalten, die man in der Schweiz wahrhaft großartig nennen darf, weiter nichts,<lb/> als Sühnungsopfcr vor dem Sphynx, damit es uns neue Frist zum Nachdenken<lb/> über die Lösung seines Räthsels gebe? In dieser Allgemeinheit der materiellen<lb/> Noth mag allerdings zum Theil der Grund mit liegen, daß vorzüglich die<lb/> Cantone, welche wirklich mitlcbend in die moderne materielle und geistige Ent¬<lb/> wickelung eingetreten sind, kein so wohlfeiles Staatsleben mehr haben, als<lb/> früher. Nur Thurgau, Uri, Neuenburg, Baselland und Zug stellen im Budget<lb/> für 1834 einen Ueberschuß her. Aber auch ihnen können weniger günstige<lb/> Finanzzustände nicht ausbleiben, wenn sie es, wie Se. Gallen, Zürich, Luzern,<lb/> Bern, Aargau u. s. w. unternehmen, den Nothwendigkeiten gerecht zu werden,<lb/> welche die Väter in falscher Oekonomie vernachlässigten und deren Forderungen<lb/> um so unüberwindlicher werden, je länger man. ihre Befriedigung hinausschiebt.<lb/> Ein neu vrgauisireudes Geschlecht ist immer der am härtesten leidende Epigone<lb/> des vorhergegangenen. Es ist darum mehr als unpatriotisch und unpolitisch,<lb/> wenn von den Gegnern der heutigen Bundeszustände diese steigenden Budgets<lb/> zu eiuer Anklage des BnndessystemS und Cantonallebens und jene „wohlfeil<lb/> regierten" Cantone zu nachaDmenswürdigen Vorbildern gemacht werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_595"> Man nenne doch nnr eine Sphäre schweizerischer' und politischer, gei¬<lb/> stiger und materieller Entwickelung, worin die wohlfeil regierten Cantone<lb/> wirklich schöpferisch vorangeschritten sind. Am ehesten läßt es sich noch von<lb/> Thurgau sagen, daß es wenigstens nicht zurückgeblieben, daß es mitarbeitend<lb/> in das neue eidgenössische Leben eingetreten ist. Aber dieser Wein-, Frucht- und Feld¬<lb/> garten der Ostschweiz ist auch von der Natur begünstigt, wie keiner seiner Nachbarn.<lb/> Man darf übrigens nicht glauben, daß es im einsichtigeren Publicum der Schweiz<lb/> nicht recht wohl erkannt werde, wie ein wirkliches Einleben in die neuen Zustände<lb/> nothwendig in der ersten Zeit einen größeren cantvnalen Aufwand bedingt, als<lb/> die frühere Regierungsweise, wo jeder Canton absolut nur an sich dachte. Aber<lb/> die Presse, welche theilweise bei uns den Launen und Neigungen ihrer engen<lb/> Leserkreise ebenso höfisch schmeichelt, wie anderwärts denen der Regierungen, hat<lb/> in ihren kleineren Organen meistens nicht den Muth, dies grade den Massen klar<lb/> ZU machen. Sie findet sich mit Gejammer über die Thatsache und gern auch mit<lb/> einiger Heulerei über Vielregiernug, mit Schielblicken ans die Anforderungen des<lb/> Bundesprincips an die einzelnen Cantone ab. Indessen bringt anch i» dieser<lb/> Beziehung das neue Jahr einige nicht unerhebliche Fortschritte.</p><lb/> <p xml:id="ID_596" next="#ID_597"> Der Tendenz des „Bundes", welcher in der deutschen Schweiz jetzt wol das ver¬<lb/> breitere Blatt ist, antworten bereits mehre Organe aus den Cantone» insofern, als sie</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0229]
schlingen, als da, wo man vertuscht, verdeckt und zuleimt, bis endlich das fressende
Uebel deu ganzen Organismus des Staates und der Gesellschaft vollkommen
vergiftet haben wird. Freilich ist dies „deutscher Trost". Aber hat man einer
Räthselansgabe der Zeit gegenüber etwas Anderes? Sind nicht selbst Unterstützungs-
anstalten, die man in der Schweiz wahrhaft großartig nennen darf, weiter nichts,
als Sühnungsopfcr vor dem Sphynx, damit es uns neue Frist zum Nachdenken
über die Lösung seines Räthsels gebe? In dieser Allgemeinheit der materiellen
Noth mag allerdings zum Theil der Grund mit liegen, daß vorzüglich die
Cantone, welche wirklich mitlcbend in die moderne materielle und geistige Ent¬
wickelung eingetreten sind, kein so wohlfeiles Staatsleben mehr haben, als
früher. Nur Thurgau, Uri, Neuenburg, Baselland und Zug stellen im Budget
für 1834 einen Ueberschuß her. Aber auch ihnen können weniger günstige
Finanzzustände nicht ausbleiben, wenn sie es, wie Se. Gallen, Zürich, Luzern,
Bern, Aargau u. s. w. unternehmen, den Nothwendigkeiten gerecht zu werden,
welche die Väter in falscher Oekonomie vernachlässigten und deren Forderungen
um so unüberwindlicher werden, je länger man. ihre Befriedigung hinausschiebt.
Ein neu vrgauisireudes Geschlecht ist immer der am härtesten leidende Epigone
des vorhergegangenen. Es ist darum mehr als unpatriotisch und unpolitisch,
wenn von den Gegnern der heutigen Bundeszustände diese steigenden Budgets
zu eiuer Anklage des BnndessystemS und Cantonallebens und jene „wohlfeil
regierten" Cantone zu nachaDmenswürdigen Vorbildern gemacht werden.
Man nenne doch nnr eine Sphäre schweizerischer' und politischer, gei¬
stiger und materieller Entwickelung, worin die wohlfeil regierten Cantone
wirklich schöpferisch vorangeschritten sind. Am ehesten läßt es sich noch von
Thurgau sagen, daß es wenigstens nicht zurückgeblieben, daß es mitarbeitend
in das neue eidgenössische Leben eingetreten ist. Aber dieser Wein-, Frucht- und Feld¬
garten der Ostschweiz ist auch von der Natur begünstigt, wie keiner seiner Nachbarn.
Man darf übrigens nicht glauben, daß es im einsichtigeren Publicum der Schweiz
nicht recht wohl erkannt werde, wie ein wirkliches Einleben in die neuen Zustände
nothwendig in der ersten Zeit einen größeren cantvnalen Aufwand bedingt, als
die frühere Regierungsweise, wo jeder Canton absolut nur an sich dachte. Aber
die Presse, welche theilweise bei uns den Launen und Neigungen ihrer engen
Leserkreise ebenso höfisch schmeichelt, wie anderwärts denen der Regierungen, hat
in ihren kleineren Organen meistens nicht den Muth, dies grade den Massen klar
ZU machen. Sie findet sich mit Gejammer über die Thatsache und gern auch mit
einiger Heulerei über Vielregiernug, mit Schielblicken ans die Anforderungen des
Bundesprincips an die einzelnen Cantone ab. Indessen bringt anch i» dieser
Beziehung das neue Jahr einige nicht unerhebliche Fortschritte.
Der Tendenz des „Bundes", welcher in der deutschen Schweiz jetzt wol das ver¬
breitere Blatt ist, antworten bereits mehre Organe aus den Cantone» insofern, als sie
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