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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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ihres Nachbarstaats zu combiniren und mit demselben auch nur die nothwendigsten
Feldnbnngen machen z" lassen, alle die Kunstgriffe und Fertigkeiten,, welche der
Soldat selbst in Friedenszeit bei einem großen Manöver im Exercitium, Vvr-
Posteudienst, Bivouak, selbst im kameradschaftlichen Verkehr mit ander" Truppen
erwirbt, alles militärische Selbstgefühl, der Applvmb und das Vertrauen zu.der
eigenen Waffe, die kriegerische Frende am Dienst nud der Stolz ans die Fahne, zu der sie
geschworen, die fehlten ihren Leuten nnr zu sehr. Grade also das, was den'
Soldaten fertig macht, hatten beide Commandeure ihren Leuten nicht geben
können. Diese Knauserei der Landstände ist in der That unverantwortlich. Es
ist natürlich, daß in einem kleinen Staat der militärische Dienst verhältnißmäßig
weniger geachtet wird, und es ist verzeihlich, wenn das Publicum die politische
Wichtigkeit des einzigen einheimischen Bataillons oder Regiments nicht übermäßig'
hoch anschlägt. Wenn aber die Vertreter der Bevölkerung, deuen das Recht der
Steuerbewilligung zusteht, so unverständig sind, nur mit Widerwillen nicht einmal
das Nothwendigste für ihre Truppen zu bewilligen, so begehen sie dadurch gradezu
ein Verbrechen an ihren eigenen Landeskindern, welche uach dem Gesetz doch
einmal den Kriegsdienst thun müssen. Denn wenn die Mauövrirfähigkeit und
die dienstliche Ausbildung der Landeskinder nicht vollständig bewirkt wird, so sind
diese in der gegenwärtigen Situation nicht nnr für andere Truppen ein Hemm¬
schuh, welcher dem Ganzen mehr Schaden als Nutzen bringt, sondern sie selbst
sind in der größten Gefahr, bei dem ersten Zusammentreffen mit dem Feinde
aufgerieben zu werden, oder in den Lazarethen, als Kriegsgefangene und als
Marodeure unterzugehen.

Unser guter Prinz, den ich als Mensch und als ehren¬
haften Soldat täglich höher schätzen lerne, obgleich er den zahllosen Schwierigkeiten
und Verdrießlichkeiten seines jetzigen Postens nicht im mindesten gewachsen ist,
gab heute bei Tafel einem von uns Offizieren den Auftrag, ihm ein Uniform-
tableau der verschiedenen Contingente, die unser Corps bilden, zu entwerfen.
Das wird ein ganz buntes Bild werden, denn von hellblauen, dunkelblauen, grauen
schwarzen, rothen, braunen und weißen Uniformen in allen möglichen Schattirungen
mit Kragen, Aufschlägen, Passepoils, Troddeln und Kopfbedeckungen aller Art
wimmelts bei uns. Die größte Wette mochte ich eingehen, daß es noch
keinen einzigen Offizier unter uns allen gibt, der jetzt schon einigermaßen zwischen
all den unzähligen Uniformen und Gradabzeichnnngen der vielen Offiziere, Aerzte,
Militärbcamten aller Art und Soldaten. orientirt wäre. Daß täglich Mißver¬
ständnisse, oft sehr komischer Art dadurch entstehen, ist natürlich.

Nein, das ist zum Verzweifeln. So habe ich zwei Tage nichts
Zu thun gehabt, als ans Befehl unseres Obergenerals Briefe zu schreiben und
N'ete zu machen, um der 3. Brigade einen Commandeur zu geben. Aus ü
verschiedenem Cvntingenten besteht dieselbe, und jeder dieser Contingentsbefehls-


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ihres Nachbarstaats zu combiniren und mit demselben auch nur die nothwendigsten
Feldnbnngen machen z» lassen, alle die Kunstgriffe und Fertigkeiten,, welche der
Soldat selbst in Friedenszeit bei einem großen Manöver im Exercitium, Vvr-
Posteudienst, Bivouak, selbst im kameradschaftlichen Verkehr mit ander» Truppen
erwirbt, alles militärische Selbstgefühl, der Applvmb und das Vertrauen zu.der
eigenen Waffe, die kriegerische Frende am Dienst nud der Stolz ans die Fahne, zu der sie
geschworen, die fehlten ihren Leuten nnr zu sehr. Grade also das, was den'
Soldaten fertig macht, hatten beide Commandeure ihren Leuten nicht geben
können. Diese Knauserei der Landstände ist in der That unverantwortlich. Es
ist natürlich, daß in einem kleinen Staat der militärische Dienst verhältnißmäßig
weniger geachtet wird, und es ist verzeihlich, wenn das Publicum die politische
Wichtigkeit des einzigen einheimischen Bataillons oder Regiments nicht übermäßig'
hoch anschlägt. Wenn aber die Vertreter der Bevölkerung, deuen das Recht der
Steuerbewilligung zusteht, so unverständig sind, nur mit Widerwillen nicht einmal
das Nothwendigste für ihre Truppen zu bewilligen, so begehen sie dadurch gradezu
ein Verbrechen an ihren eigenen Landeskindern, welche uach dem Gesetz doch
einmal den Kriegsdienst thun müssen. Denn wenn die Mauövrirfähigkeit und
die dienstliche Ausbildung der Landeskinder nicht vollständig bewirkt wird, so sind
diese in der gegenwärtigen Situation nicht nnr für andere Truppen ein Hemm¬
schuh, welcher dem Ganzen mehr Schaden als Nutzen bringt, sondern sie selbst
sind in der größten Gefahr, bei dem ersten Zusammentreffen mit dem Feinde
aufgerieben zu werden, oder in den Lazarethen, als Kriegsgefangene und als
Marodeure unterzugehen.

Unser guter Prinz, den ich als Mensch und als ehren¬
haften Soldat täglich höher schätzen lerne, obgleich er den zahllosen Schwierigkeiten
und Verdrießlichkeiten seines jetzigen Postens nicht im mindesten gewachsen ist,
gab heute bei Tafel einem von uns Offizieren den Auftrag, ihm ein Uniform-
tableau der verschiedenen Contingente, die unser Corps bilden, zu entwerfen.
Das wird ein ganz buntes Bild werden, denn von hellblauen, dunkelblauen, grauen
schwarzen, rothen, braunen und weißen Uniformen in allen möglichen Schattirungen
mit Kragen, Aufschlägen, Passepoils, Troddeln und Kopfbedeckungen aller Art
wimmelts bei uns. Die größte Wette mochte ich eingehen, daß es noch
keinen einzigen Offizier unter uns allen gibt, der jetzt schon einigermaßen zwischen
all den unzähligen Uniformen und Gradabzeichnnngen der vielen Offiziere, Aerzte,
Militärbcamten aller Art und Soldaten. orientirt wäre. Daß täglich Mißver¬
ständnisse, oft sehr komischer Art dadurch entstehen, ist natürlich.

Nein, das ist zum Verzweifeln. So habe ich zwei Tage nichts
Zu thun gehabt, als ans Befehl unseres Obergenerals Briefe zu schreiben und
N'ete zu machen, um der 3. Brigade einen Commandeur zu geben. Aus ü
verschiedenem Cvntingenten besteht dieselbe, und jeder dieser Contingentsbefehls-


Grenzbotcn. I- ->8ö4. 27
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[0217] ihres Nachbarstaats zu combiniren und mit demselben auch nur die nothwendigsten Feldnbnngen machen z» lassen, alle die Kunstgriffe und Fertigkeiten,, welche der Soldat selbst in Friedenszeit bei einem großen Manöver im Exercitium, Vvr- Posteudienst, Bivouak, selbst im kameradschaftlichen Verkehr mit ander» Truppen erwirbt, alles militärische Selbstgefühl, der Applvmb und das Vertrauen zu.der eigenen Waffe, die kriegerische Frende am Dienst nud der Stolz ans die Fahne, zu der sie geschworen, die fehlten ihren Leuten nnr zu sehr. Grade also das, was den' Soldaten fertig macht, hatten beide Commandeure ihren Leuten nicht geben können. Diese Knauserei der Landstände ist in der That unverantwortlich. Es ist natürlich, daß in einem kleinen Staat der militärische Dienst verhältnißmäßig weniger geachtet wird, und es ist verzeihlich, wenn das Publicum die politische Wichtigkeit des einzigen einheimischen Bataillons oder Regiments nicht übermäßig' hoch anschlägt. Wenn aber die Vertreter der Bevölkerung, deuen das Recht der Steuerbewilligung zusteht, so unverständig sind, nur mit Widerwillen nicht einmal das Nothwendigste für ihre Truppen zu bewilligen, so begehen sie dadurch gradezu ein Verbrechen an ihren eigenen Landeskindern, welche uach dem Gesetz doch einmal den Kriegsdienst thun müssen. Denn wenn die Mauövrirfähigkeit und die dienstliche Ausbildung der Landeskinder nicht vollständig bewirkt wird, so sind diese in der gegenwärtigen Situation nicht nnr für andere Truppen ein Hemm¬ schuh, welcher dem Ganzen mehr Schaden als Nutzen bringt, sondern sie selbst sind in der größten Gefahr, bei dem ersten Zusammentreffen mit dem Feinde aufgerieben zu werden, oder in den Lazarethen, als Kriegsgefangene und als Marodeure unterzugehen. Unser guter Prinz, den ich als Mensch und als ehren¬ haften Soldat täglich höher schätzen lerne, obgleich er den zahllosen Schwierigkeiten und Verdrießlichkeiten seines jetzigen Postens nicht im mindesten gewachsen ist, gab heute bei Tafel einem von uns Offizieren den Auftrag, ihm ein Uniform- tableau der verschiedenen Contingente, die unser Corps bilden, zu entwerfen. Das wird ein ganz buntes Bild werden, denn von hellblauen, dunkelblauen, grauen schwarzen, rothen, braunen und weißen Uniformen in allen möglichen Schattirungen mit Kragen, Aufschlägen, Passepoils, Troddeln und Kopfbedeckungen aller Art wimmelts bei uns. Die größte Wette mochte ich eingehen, daß es noch keinen einzigen Offizier unter uns allen gibt, der jetzt schon einigermaßen zwischen all den unzähligen Uniformen und Gradabzeichnnngen der vielen Offiziere, Aerzte, Militärbcamten aller Art und Soldaten. orientirt wäre. Daß täglich Mißver¬ ständnisse, oft sehr komischer Art dadurch entstehen, ist natürlich. Nein, das ist zum Verzweifeln. So habe ich zwei Tage nichts Zu thun gehabt, als ans Befehl unseres Obergenerals Briefe zu schreiben und N'ete zu machen, um der 3. Brigade einen Commandeur zu geben. Aus ü verschiedenem Cvntingenten besteht dieselbe, und jeder dieser Contingentsbefehls- Grenzbotcn. I- ->8ö4. 27

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/217>, abgerufen am 22.07.2024.