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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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bringen möge, geleert. Unter unseren älteren Stabsoffizieren herrscht nicht bei
allen eine gleiche Frende, wenn sie auch natürlich gute Miene zum bösen Spiel
machen müssen. Einzelne dieser Herren sind von den vielen langen Diners schon
etwas zu stark für den Sattel des Kriegsrosses geworden, oder sie haben sich mit
Haus und Hof und Garten angekauft, da sie hofften, für den Rest ihrer Lebens¬
zeit in derselben Garnison stehen zu bleiben und nun sollen sie das Alles, und
die vielen liebgewordenen Bequemlichkeiten und Vergnügungen plötzlich aufgeben,
-- es will uicht recht schmecken, so brave Männer sonst auch die Betroffenen
gewiß alle sind. Ein älterer Stabsoffizier in einem kleinen Contingent muß in
der That eine sehr energische Kriegernatur sein, sonst wird er leicht zu friedensfaul,
zu sehr von localen Gewohnheiten abhängig, er verliert ein Geist und Körper
die Rüstigkeit, die ein tüchtiger Offizier für den Kriegsdienst nothwendig haben
muß. In einer größeren Armee, in der preußischen, östreichischen, franzö¬
sischen u. f. w. wird auch ein höherer Offizier nicht selten versetzt, ist bald dort,
bald wieder hundert Meilen weit wo anders, das erhält frisch und mobil. -- Bei
uns, wenn eine Versetzung nur aus drei Meilen weit geschehen soll, glaubt man
wunder welch eine Härte das sei! Und gar die Frau Gemahlin und die lieben
Kinder, die man nur nach halben Dutzenden -zählen kann, die Basen und Con¬
silien laufen Tage lang in der Stadt herum und lamentiren über die unerhörte
Härte, daß der prächtige Major jetzt gar nach öl. versetzt sei. Seine Gemahlin
hatte sich doch erst im Theater neu abonnirt und er selbst hatte seit Jahren
seine stehende Whistpartie im Ccisino, die sei nun auch zersprengt u. s. w.
Jetzt, wo der Befehl zum Ausmarsch gekommen ist, werden diese Lamentationen
so zunehmen, daß man sich dagegen die Ohren mit Baumwolle verstopfen möchte.

Tag und Nacht wird an unserer Ausrüstung gearbeitet, denn
von Frankfurt sind aufs neue dringende Befehle gekommen, die zur vermehrten
Eile antreiben. Es ist noch vieles nachzuholen, denn - wenn unsere Ausrüstung
auch stets sehr solide, ja selbst luxuriös war, so ward früher doch mitunter mehr
Rücksicht genommen auf das Glänze" bei der Parade, als auf das Nützliche im
Kriege selbst. Trotz des besten Willens aller, und obgleich mit dem Gelde da¬
bei wahrlich nicht gespart wird, geht unsere Mobilmachung für den Kriegsdienst
doch nicht so rasch wie man wünschen müßte. In einem kleinen Arsenal läßt
manches sich kaum erreichen, was in einem großen Arsenal sehr leicht ist. Mau
kann die einzelnen Arbeiter nicht so passend nach ihren verschiedenen Fähigkeiten
verwenden, da man natürlich keine große Auswahl unter denselben hat, und bald
Stockes hier, bald dort, so sehr auch von allen Seiten angetrieben wird. Die
Militärmacht eines größeren Staates hat auch in ihrer verhältnißmäßig leichteren,
schnelleren und dabei auch wohlfeileren Mobilmachung einen nicht geringen Vor¬
theil vor uns kleinen Cvntingenten voraus. Indeß der Wille ist bei allen unsern
Offizieren und Militärbeamten der beste und die fürstlichen Beamten geben das


bringen möge, geleert. Unter unseren älteren Stabsoffizieren herrscht nicht bei
allen eine gleiche Frende, wenn sie auch natürlich gute Miene zum bösen Spiel
machen müssen. Einzelne dieser Herren sind von den vielen langen Diners schon
etwas zu stark für den Sattel des Kriegsrosses geworden, oder sie haben sich mit
Haus und Hof und Garten angekauft, da sie hofften, für den Rest ihrer Lebens¬
zeit in derselben Garnison stehen zu bleiben und nun sollen sie das Alles, und
die vielen liebgewordenen Bequemlichkeiten und Vergnügungen plötzlich aufgeben,
— es will uicht recht schmecken, so brave Männer sonst auch die Betroffenen
gewiß alle sind. Ein älterer Stabsoffizier in einem kleinen Contingent muß in
der That eine sehr energische Kriegernatur sein, sonst wird er leicht zu friedensfaul,
zu sehr von localen Gewohnheiten abhängig, er verliert ein Geist und Körper
die Rüstigkeit, die ein tüchtiger Offizier für den Kriegsdienst nothwendig haben
muß. In einer größeren Armee, in der preußischen, östreichischen, franzö¬
sischen u. f. w. wird auch ein höherer Offizier nicht selten versetzt, ist bald dort,
bald wieder hundert Meilen weit wo anders, das erhält frisch und mobil. — Bei
uns, wenn eine Versetzung nur aus drei Meilen weit geschehen soll, glaubt man
wunder welch eine Härte das sei! Und gar die Frau Gemahlin und die lieben
Kinder, die man nur nach halben Dutzenden -zählen kann, die Basen und Con¬
silien laufen Tage lang in der Stadt herum und lamentiren über die unerhörte
Härte, daß der prächtige Major jetzt gar nach öl. versetzt sei. Seine Gemahlin
hatte sich doch erst im Theater neu abonnirt und er selbst hatte seit Jahren
seine stehende Whistpartie im Ccisino, die sei nun auch zersprengt u. s. w.
Jetzt, wo der Befehl zum Ausmarsch gekommen ist, werden diese Lamentationen
so zunehmen, daß man sich dagegen die Ohren mit Baumwolle verstopfen möchte.

Tag und Nacht wird an unserer Ausrüstung gearbeitet, denn
von Frankfurt sind aufs neue dringende Befehle gekommen, die zur vermehrten
Eile antreiben. Es ist noch vieles nachzuholen, denn - wenn unsere Ausrüstung
auch stets sehr solide, ja selbst luxuriös war, so ward früher doch mitunter mehr
Rücksicht genommen auf das Glänze» bei der Parade, als auf das Nützliche im
Kriege selbst. Trotz des besten Willens aller, und obgleich mit dem Gelde da¬
bei wahrlich nicht gespart wird, geht unsere Mobilmachung für den Kriegsdienst
doch nicht so rasch wie man wünschen müßte. In einem kleinen Arsenal läßt
manches sich kaum erreichen, was in einem großen Arsenal sehr leicht ist. Mau
kann die einzelnen Arbeiter nicht so passend nach ihren verschiedenen Fähigkeiten
verwenden, da man natürlich keine große Auswahl unter denselben hat, und bald
Stockes hier, bald dort, so sehr auch von allen Seiten angetrieben wird. Die
Militärmacht eines größeren Staates hat auch in ihrer verhältnißmäßig leichteren,
schnelleren und dabei auch wohlfeileren Mobilmachung einen nicht geringen Vor¬
theil vor uns kleinen Cvntingenten voraus. Indeß der Wille ist bei allen unsern
Offizieren und Militärbeamten der beste und die fürstlichen Beamten geben das


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/210>, abgerufen am 22.07.2024.