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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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man einen halben Löffel des Breies ganz mit Buttermilch füllt und so verschlingt.
Der Haferkuchen ist ebenfalls nur ein steifes Geknet ans Mehl und Wasser, von
einem Fuß Durchmesser und einem halben Zoll Dicke, das, auf einem schief-
stehenden Roste neben das Torffeuer gestellt, dort bis zu großer Härte ein-
gedörrt wird. ' Er hat nur etwas Hafer- und einen sehr lebhaften Rauch-
geschmack. -- Man sollte schließen, daß solche elende Speise kaum hinreichend
sein könnte, in verkrüppelten Körpern ein dürftiges Leben zu fristen, aber da
würde man sehr irren. Wenn auch fette Leute unter den irischen Bauern höchst
selten vorkommen, fo sind magere und ausgehungerte, ja selbst schwächlich aus¬
sehende ebenso selten"). Und wenn das Auge die dürftige, oft anstößige und
schmutzige Ausstaffirung überwinden kann, so freut man sich, fast durchweg kräftige,
wohlgenährte, ja schöne, sehr wohlgeformte Gestalten zu sehen. Sobald eine
bessere Kleidung an die Stelle der Lumpen tritt, treten die schönen Körper zur
Ueberraschung hervor. Die irländischen gewöhnlichen Polizeimänner, natürlich
alle ans der untersten Classe des Volkes und ihre einfache Ernährungsweise anch
in ihren Kasernen beibehaltend, sind die schönsten und wohlgestaltetsten, sowie
die stärksten Männer. Wahrhaft athletische Gestalten findctHman darunter. Alle
Polizeimänner in Dublin, deren gegen zweitausend sind, haben sechs Fuß und
darüber. Irland ist serner mit Recht wegen seiner schönen Mädchen berühmt,
und ich möchte behaupten, daß die Schönheit dort weit häufiger in den
traurigsten Hütten als in den besseren Häusern, weit häufiger in der
Einöde als in den Städten zu finden sei. Rechnet man nnn noch hinzu, daß
der Ausdruck der Gesichter uicht im mindesten ein gedrückter, sorgenvoller,
ernster, sondern ein sehr freier, leichter und heiterer ist, so wird man begreifen,
wie trügerisch die Schlüsse send, welche der Reisende aus den Lumpen ans ihre
Besitzer zu macheu geneigt ist.

Genügsamkeit und patriarchalische Einfachheit der Sitten sind ein Hauptzug
des irischen Wesens. Beide finden sich in allen Ständen und Verhältnissen, und
sind oft so übertrieben, daß sie lächerlich oder bedauernswerth werden. In der Graf¬
schaft Donegal kann man nicht allzuselten sehen, wie ein Pferd im Felde die
Egge statt alles Geschirres an seinem bloßen Schwänze zieht, an welchem sie mit
einem Strohseile festgebunden ist. Dort bedient man sich noch häufig genug zum
Abwägen des Hafers, der Kartoffeln, des Salzes u. s. w., statt der Gewichte
alter, durch den Gebrauch gesetzlich gewordener Mauersteine, denen man ihr
verschiedenes Gewicht eingegraben oder aufgeschrieben hat, oder auch nicht. Dort
dient unter anderem in sehr zweifelhaften Fällen ein Wagemeister als Normalgc-



Das; die Magen sich bei der einfachen Kost sehr wohl befinden, davon zenzen schon
die prächtigen, weißen Zähne, die eine Zierde jedes Jrländers sind. Viel haben sie darin
vor den Engländern voraus!

man einen halben Löffel des Breies ganz mit Buttermilch füllt und so verschlingt.
Der Haferkuchen ist ebenfalls nur ein steifes Geknet ans Mehl und Wasser, von
einem Fuß Durchmesser und einem halben Zoll Dicke, das, auf einem schief-
stehenden Roste neben das Torffeuer gestellt, dort bis zu großer Härte ein-
gedörrt wird. ' Er hat nur etwas Hafer- und einen sehr lebhaften Rauch-
geschmack. — Man sollte schließen, daß solche elende Speise kaum hinreichend
sein könnte, in verkrüppelten Körpern ein dürftiges Leben zu fristen, aber da
würde man sehr irren. Wenn auch fette Leute unter den irischen Bauern höchst
selten vorkommen, fo sind magere und ausgehungerte, ja selbst schwächlich aus¬
sehende ebenso selten"). Und wenn das Auge die dürftige, oft anstößige und
schmutzige Ausstaffirung überwinden kann, so freut man sich, fast durchweg kräftige,
wohlgenährte, ja schöne, sehr wohlgeformte Gestalten zu sehen. Sobald eine
bessere Kleidung an die Stelle der Lumpen tritt, treten die schönen Körper zur
Ueberraschung hervor. Die irländischen gewöhnlichen Polizeimänner, natürlich
alle ans der untersten Classe des Volkes und ihre einfache Ernährungsweise anch
in ihren Kasernen beibehaltend, sind die schönsten und wohlgestaltetsten, sowie
die stärksten Männer. Wahrhaft athletische Gestalten findctHman darunter. Alle
Polizeimänner in Dublin, deren gegen zweitausend sind, haben sechs Fuß und
darüber. Irland ist serner mit Recht wegen seiner schönen Mädchen berühmt,
und ich möchte behaupten, daß die Schönheit dort weit häufiger in den
traurigsten Hütten als in den besseren Häusern, weit häufiger in der
Einöde als in den Städten zu finden sei. Rechnet man nnn noch hinzu, daß
der Ausdruck der Gesichter uicht im mindesten ein gedrückter, sorgenvoller,
ernster, sondern ein sehr freier, leichter und heiterer ist, so wird man begreifen,
wie trügerisch die Schlüsse send, welche der Reisende aus den Lumpen ans ihre
Besitzer zu macheu geneigt ist.

Genügsamkeit und patriarchalische Einfachheit der Sitten sind ein Hauptzug
des irischen Wesens. Beide finden sich in allen Ständen und Verhältnissen, und
sind oft so übertrieben, daß sie lächerlich oder bedauernswerth werden. In der Graf¬
schaft Donegal kann man nicht allzuselten sehen, wie ein Pferd im Felde die
Egge statt alles Geschirres an seinem bloßen Schwänze zieht, an welchem sie mit
einem Strohseile festgebunden ist. Dort bedient man sich noch häufig genug zum
Abwägen des Hafers, der Kartoffeln, des Salzes u. s. w., statt der Gewichte
alter, durch den Gebrauch gesetzlich gewordener Mauersteine, denen man ihr
verschiedenes Gewicht eingegraben oder aufgeschrieben hat, oder auch nicht. Dort
dient unter anderem in sehr zweifelhaften Fällen ein Wagemeister als Normalgc-



Das; die Magen sich bei der einfachen Kost sehr wohl befinden, davon zenzen schon
die prächtigen, weißen Zähne, die eine Zierde jedes Jrländers sind. Viel haben sie darin
vor den Engländern voraus!
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/119>, abgerufen am 22.07.2024.