Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.die, denn die scheint beim französischen Gesang Nebensache zu sein, als durch Grenzboten IV. -1864. 63
die, denn die scheint beim französischen Gesang Nebensache zu sein, als durch Grenzboten IV. -1864. 63
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0505" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/98819"/> <p xml:id="ID_1619" prev="#ID_1618" next="#ID_1620"> die, denn die scheint beim französischen Gesang Nebensache zu sein, als durch<lb/> die mehr oder minder verblümten Zweideutigkeiten entzücken. Ob die Sängerin<lb/> wirklich vom Pariser Vaudeville ist, wissen wir nicht, soviel ist indessen sicher,<lb/> vor einem deutschen Publicum derselben Classen, aus denen das des Chateau<lb/> des Fleurs besteht, würde ihr Gesang keinen Beifall gefunden haben, wenn<lb/> auch die jugendliche, anmuthige Erscheinung die Zuhörer zur Nachsicht gestimmt<lb/> hätte.. Mit einer graziösen Verbeugung-empfiehlt sich die junge Pariserin unter<lb/> dem Beifallssturm der Menge und langsam hervor in gemessenem Schritt tritt<lb/> .Monsieur IlF-ni oelsbre ekantvur Serien", wie ihn das Programm nennt. Wie<lb/> anderwärts große Künstler und Künstlerinnen bei ihrem Auftreten mit Bravo<lb/> und Händeklatschen empfangen werden, so geschah es auch beim Erscheinen des<lb/> Monsieur Tigall, der von dem Publicum des Chateau pes Fleurs mit einem<lb/> Enthusiasmus empfangen wurde, der unsrem deutschen Herzen äußerst wohl¬<lb/> gefiel. Mit einer wahren Sehnsucht lauschten wir dem vaterländischen Sang<lb/> entgegen, wenn wir auch in Bezug aus die steyermärkische Abkunft des Mon¬<lb/> sieur Tigall, der in jenem üblichen Redoutentyrolereostüm auftrat und das Publi¬<lb/> cum mit einer gewissen vertraulichen Hutschwcnkung begrüßte, einige bescheidene<lb/> Zweifel hegten. Der Mann begann, aber auch bei der gespanntesten Aufmerk¬<lb/> samkeit war es unsrem deutschen Ohr nicht möglich, auch uur ein einziges<lb/> deutsches Wort zu verstehen, auch die Melodie war keine von jenen steyerschen<lb/> Weisen, die in Süd- und Norddeutschland sogleich von jedermann erkannt wer¬<lb/> den. Das Publicum des Chateau des Fleurs beachtete indessen diese Mängel<lb/> nicht, unter Füßestampfen, eine Bewegung, die hier mit zu den Beifallsbe¬<lb/> zeichnungen gerechnet wird, Händeklatschen und Bravorufen brachte es dem<lb/> „berühmten steyerschen Sänger" seine Huldigung dar, und als er wieder mit<lb/> jener nachlässigen Hutschwenkung, die jedenfalls den freien Gebirgssohn und<lb/> die naturwüchsige steyersche Sitte bezeichnen sollte, sich dem Publicum empfahl,<lb/> wollte der Applaus kein Ende nehmen . . Eine sehr leicht geschürzte Pariser<lb/> Tänzerin, Mad. Jsmcnie nannte sie sich, ersetzte den steyerschen Sänger, indem<lb/> sie singend und tanzend die Geschichte des Tanzes von der ehrsamen spanischen<lb/> Menuett des vorigen Jahrhunderts und der französischen Gavotte bis heraus<lb/> zur liederlichen Polka, die hier eine bedeutende Aehnlichkeit mit dem bekann¬<lb/> ten Cancan hat, darstellte. Der Polka aber diese Aehnlichkeit zu geben, das<lb/> war die Hauptaufgabe der Tänzerin und je wilder, kecker, herausfordernder,<lb/> ihre Bewegungen wurden, desto stürmischer wurde auch das Händeklatschen,<lb/> in welches selbst die kleinen Rangen der ehrsamen Gewürzkrämer mit einfielen.<lb/> Auf diese Einzeldarstellungen folgten drei größere, von denen die eine eine<lb/> sogenannte Opera fantastigue war, mit dem merkwürdigen Titel ,,I.«Z8 umcmrs<lb/> 6'rin<z earpe" (Liebschaften eines Karpfen). Diese Opera faiNastique war das<lb/> tollste Zeug, waS nur je in einem menschlichen Hirn entstehen kann, und um</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. -1864. 63</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0505]
die, denn die scheint beim französischen Gesang Nebensache zu sein, als durch
die mehr oder minder verblümten Zweideutigkeiten entzücken. Ob die Sängerin
wirklich vom Pariser Vaudeville ist, wissen wir nicht, soviel ist indessen sicher,
vor einem deutschen Publicum derselben Classen, aus denen das des Chateau
des Fleurs besteht, würde ihr Gesang keinen Beifall gefunden haben, wenn
auch die jugendliche, anmuthige Erscheinung die Zuhörer zur Nachsicht gestimmt
hätte.. Mit einer graziösen Verbeugung-empfiehlt sich die junge Pariserin unter
dem Beifallssturm der Menge und langsam hervor in gemessenem Schritt tritt
.Monsieur IlF-ni oelsbre ekantvur Serien", wie ihn das Programm nennt. Wie
anderwärts große Künstler und Künstlerinnen bei ihrem Auftreten mit Bravo
und Händeklatschen empfangen werden, so geschah es auch beim Erscheinen des
Monsieur Tigall, der von dem Publicum des Chateau pes Fleurs mit einem
Enthusiasmus empfangen wurde, der unsrem deutschen Herzen äußerst wohl¬
gefiel. Mit einer wahren Sehnsucht lauschten wir dem vaterländischen Sang
entgegen, wenn wir auch in Bezug aus die steyermärkische Abkunft des Mon¬
sieur Tigall, der in jenem üblichen Redoutentyrolereostüm auftrat und das Publi¬
cum mit einer gewissen vertraulichen Hutschwcnkung begrüßte, einige bescheidene
Zweifel hegten. Der Mann begann, aber auch bei der gespanntesten Aufmerk¬
samkeit war es unsrem deutschen Ohr nicht möglich, auch uur ein einziges
deutsches Wort zu verstehen, auch die Melodie war keine von jenen steyerschen
Weisen, die in Süd- und Norddeutschland sogleich von jedermann erkannt wer¬
den. Das Publicum des Chateau des Fleurs beachtete indessen diese Mängel
nicht, unter Füßestampfen, eine Bewegung, die hier mit zu den Beifallsbe¬
zeichnungen gerechnet wird, Händeklatschen und Bravorufen brachte es dem
„berühmten steyerschen Sänger" seine Huldigung dar, und als er wieder mit
jener nachlässigen Hutschwenkung, die jedenfalls den freien Gebirgssohn und
die naturwüchsige steyersche Sitte bezeichnen sollte, sich dem Publicum empfahl,
wollte der Applaus kein Ende nehmen . . Eine sehr leicht geschürzte Pariser
Tänzerin, Mad. Jsmcnie nannte sie sich, ersetzte den steyerschen Sänger, indem
sie singend und tanzend die Geschichte des Tanzes von der ehrsamen spanischen
Menuett des vorigen Jahrhunderts und der französischen Gavotte bis heraus
zur liederlichen Polka, die hier eine bedeutende Aehnlichkeit mit dem bekann¬
ten Cancan hat, darstellte. Der Polka aber diese Aehnlichkeit zu geben, das
war die Hauptaufgabe der Tänzerin und je wilder, kecker, herausfordernder,
ihre Bewegungen wurden, desto stürmischer wurde auch das Händeklatschen,
in welches selbst die kleinen Rangen der ehrsamen Gewürzkrämer mit einfielen.
Auf diese Einzeldarstellungen folgten drei größere, von denen die eine eine
sogenannte Opera fantastigue war, mit dem merkwürdigen Titel ,,I.«Z8 umcmrs
6'rin<z earpe" (Liebschaften eines Karpfen). Diese Opera faiNastique war das
tollste Zeug, waS nur je in einem menschlichen Hirn entstehen kann, und um
Grenzboten IV. -1864. 63
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |