Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band." Wesen mit dem Schimmelreiter, dem Ruprecht, dem Pelzwarter und dem Nul- Daß diese Zeit eine hehre und heilige war, zeigt sich unter anderm auch
Wird vor und nach diesem Gebete dreimal an die Wand geklopft und bei Die Mummerei der Adventszeit war, wie mehrfach schon angedeutet, ledig¬ Grenzboten. IV. 18si. 62
» Wesen mit dem Schimmelreiter, dem Ruprecht, dem Pelzwarter und dem Nul- Daß diese Zeit eine hehre und heilige war, zeigt sich unter anderm auch
Wird vor und nach diesem Gebete dreimal an die Wand geklopft und bei Die Mummerei der Adventszeit war, wie mehrfach schon angedeutet, ledig¬ Grenzboten. IV. 18si. 62
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0497" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/98811"/> <p xml:id="ID_1590" prev="#ID_1589"> » Wesen mit dem Schimmelreiter, dem Ruprecht, dem Pelzwarter und dem Nul-<lb/> kas, d. h. der von der Kirche in eine mehr oder minder komische, mehr oder<lb/> minder grauenvolle Spukgestalt verunstaltete Himmelsgott Wuotan bei seinem<lb/> Umzüge am Vorfcste des Jul. Daß dieser in ihm verborgen, ergibt sich aus<lb/> dem ganzen Zusammenhange, vorzüglich aber daraus, daß mit dem Nicolaus<lb/> in Obersteiermark die „Habergais" auftritt, die beinahe vollkommen dem pom-<lb/> merschen Klapperbocke, der oben als Begleiter des Schimmelreiters geschildert<lb/> wurde, entspricht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1591"> Daß diese Zeit eine hehre und heilige war, zeigt sich unter anderm auch<lb/> aus dem Zauber, der in ihr getrieben wurde. Wir erinnern nur an den An-<lb/> dreastag (30. November), wo allenthalben die Zukunft erforscht wird. So<lb/> schließen an diesem Tage die Mädchen in Schwaben einen Kreis, in dessen<lb/> Mitte ein Gänserich mit verbundenen Augen gestellt wird. Zu welchem Mäd¬<lb/> chen das Thier sich wendet, die wird im folgenden Jahre Braut. Anderswo<lb/> betteln die Dirnen sich von einer Wittwe „unberufen" einen Apfel, essen die<lb/> eine Hälfte und legen die andre unter ihr Kopfkissen, dann träumt ihnen um<lb/> Mitternacht unfehlbar von dem Zukünftigen. Wieder anderwärts sehen sie in<lb/> der Andrcasnacht Punkt zwölf Uhr in den Brunnen, und da schaut ihnen der<lb/> einstige Schatz, über seiner Schulter aber zugleich der Teufel entgegen. Allent¬<lb/> halben wird aus dem in ein Glas Wasser geschuldeten Dotter eines Eies oder<lb/> aus in Wasser gegossenem Blei der Stand und das Gewerbe des zukünftigen<lb/> Ehemanes erkannt. Sehr verbreitet endlich ist auch die folgende Art, in der<lb/> Andreasnacht den einstigen Bräutigam zu citiren. Das Mädchen muß allein<lb/> in einer Kammer schlafen und mit dem Schlage Zwölf sagen:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_34" type="poem"> <l> „Heiliger Andreas, ich bitt dich,<lb/> Bettstoll, ich tritt dich,<lb/> Laß mir doch erscheinen<lb/> Den Herzallerliebsten meinen<lb/> Wie er geht und steht,<lb/> Wie er mit mir in die Kirche geht."</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_1592"> Wird vor und nach diesem Gebete dreimal an die Wand geklopft und bei<lb/> den Worten „Bettstoll, ich tritt dich" mit den Füßen gegen die Bettlade ge¬<lb/> treten, so muß der Zukünftige erscheinen, und wenn er auch hundert Meilen<lb/> weit entfernt wäre. Daß dieser und ähnlicher Aberglaube aber im Heiden-<lb/> thum wurzelt, wird sich im Folgenden mit entscheidender Deutlichkeit erweisen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1593" next="#ID_1594"> Die Mummerei der Adventszeit war, wie mehrfach schon angedeutet, ledig¬<lb/> lich das Vorspiel zur Feier der zwölf Nächte, des Geburtsfestes der Sonne,<lb/> des hochseligen Jul, welches mit dem von Tacitus erwähnten Tanfanafeste<lb/> identisch zu sein scheint. Das Julfest gehörte zu den drei großen Opfer- und<lb/> Gerichtszeiten der Germanen, von denen noch zahlreiche Neste übrig sind. Es</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. IV. 18si. 62</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0497]
» Wesen mit dem Schimmelreiter, dem Ruprecht, dem Pelzwarter und dem Nul-
kas, d. h. der von der Kirche in eine mehr oder minder komische, mehr oder
minder grauenvolle Spukgestalt verunstaltete Himmelsgott Wuotan bei seinem
Umzüge am Vorfcste des Jul. Daß dieser in ihm verborgen, ergibt sich aus
dem ganzen Zusammenhange, vorzüglich aber daraus, daß mit dem Nicolaus
in Obersteiermark die „Habergais" auftritt, die beinahe vollkommen dem pom-
merschen Klapperbocke, der oben als Begleiter des Schimmelreiters geschildert
wurde, entspricht.
Daß diese Zeit eine hehre und heilige war, zeigt sich unter anderm auch
aus dem Zauber, der in ihr getrieben wurde. Wir erinnern nur an den An-
dreastag (30. November), wo allenthalben die Zukunft erforscht wird. So
schließen an diesem Tage die Mädchen in Schwaben einen Kreis, in dessen
Mitte ein Gänserich mit verbundenen Augen gestellt wird. Zu welchem Mäd¬
chen das Thier sich wendet, die wird im folgenden Jahre Braut. Anderswo
betteln die Dirnen sich von einer Wittwe „unberufen" einen Apfel, essen die
eine Hälfte und legen die andre unter ihr Kopfkissen, dann träumt ihnen um
Mitternacht unfehlbar von dem Zukünftigen. Wieder anderwärts sehen sie in
der Andrcasnacht Punkt zwölf Uhr in den Brunnen, und da schaut ihnen der
einstige Schatz, über seiner Schulter aber zugleich der Teufel entgegen. Allent¬
halben wird aus dem in ein Glas Wasser geschuldeten Dotter eines Eies oder
aus in Wasser gegossenem Blei der Stand und das Gewerbe des zukünftigen
Ehemanes erkannt. Sehr verbreitet endlich ist auch die folgende Art, in der
Andreasnacht den einstigen Bräutigam zu citiren. Das Mädchen muß allein
in einer Kammer schlafen und mit dem Schlage Zwölf sagen:
„Heiliger Andreas, ich bitt dich,
Bettstoll, ich tritt dich,
Laß mir doch erscheinen
Den Herzallerliebsten meinen
Wie er geht und steht,
Wie er mit mir in die Kirche geht."
Wird vor und nach diesem Gebete dreimal an die Wand geklopft und bei
den Worten „Bettstoll, ich tritt dich" mit den Füßen gegen die Bettlade ge¬
treten, so muß der Zukünftige erscheinen, und wenn er auch hundert Meilen
weit entfernt wäre. Daß dieser und ähnlicher Aberglaube aber im Heiden-
thum wurzelt, wird sich im Folgenden mit entscheidender Deutlichkeit erweisen.
Die Mummerei der Adventszeit war, wie mehrfach schon angedeutet, ledig¬
lich das Vorspiel zur Feier der zwölf Nächte, des Geburtsfestes der Sonne,
des hochseligen Jul, welches mit dem von Tacitus erwähnten Tanfanafeste
identisch zu sein scheint. Das Julfest gehörte zu den drei großen Opfer- und
Gerichtszeiten der Germanen, von denen noch zahlreiche Neste übrig sind. Es
Grenzboten. IV. 18si. 62
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