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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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hier die freundlichste Aufnahme gefunden, ja daß das gehäbige Auftreten, das
liebenswürdige Wohlwollen, wodurch seine Persönlichkeit so sehr zu gewinnen
weiß, besonders bei den Diners der westmächtlichen Gesandten ein sichtliches
Behagen über die ganze Gesellschaft verbreitet hat. Die verschlossensten Herzen,
die zugeknöpftesten Geister unter den Diplomaten konnten nicht lange wider¬
stehen; Herrn von der Pfordten war es gegönnt, einen Blick in die geheimsten
Falten der orientalischen Wäsche zu werfen (für einen Mann von reinlichen
Grundsätzen gewiß keine angenehme Aufgabe), und es hing nur noch an einem
Faden, baß die entenw eoiäiul" zwischen Baiern und den westlichen Mächten
eine vollständige und herzliche geworden wäre -- aber aveo onde rsssrve. --
Herr von der Pfordten erinnerte sich noch zu rechter Zeit dieses Stichworts
der jetzigen Situation, dankte verbindlichst für die gefällige Auskunft und trat
-- wie ein junger Diplomat meiner Bekanntschaft bemerkte -- mit einem ver¬
klärten staatsmännischen Lächeln seine Rückreise nach München an. An der
Börse, auf deren andauernde Verschleimung die Anwesenheit des baierischen
Ministers so lindernd wie Eibischthec gewirkt hat, cursirte heute jenes Ab¬
schiedslächeln in photographischem Abdruck, la dausse und 1a Kaisss blickte
darnach wie ein Kranker nach dem Pülverchen des Homöopathen; aber die er¬
leichternde Wirkung blieb aus, es wirkte eben nur wie -- Milchzucker; Stock¬
schnupfen' und flaue Stimmung kehrten unaufhaltsam wieder. Hoffen wir, daß
eine aufregende Krimdepesche ein kräftiges Niesen hervorbringen werde. Zur
Genesung! wollen wir dann im echten Wiener Ton zurufen. --

Das Geschäft, welches der Pariser Credit mobilier betreffs der Verpachtung
der Staatsbahnen mit unsrer Regierung abgeschlossen, bildet natürlich jetzt das
Hauptthema der Unterhaltung in unsren Finanzkreisen. Zwei unsrer ersten
Banquiers, Sina und Eskeles, sind bekanntlich bei dem Geschäft betheiligt.
Ihnen allein dürfte vielleicht der ganze Umfang deö Staatseigenthums an
Eisenbahnen, Waldungen, Bergwerken, Fabriken u. s. f., welche der Gesellschaft
theils in Pacht, theils als Eigenthum überlassen wirb, ziffermäßig bekannt
sein. Für welchen Theil das Geschäft ein rentableres ist, wird sich solange
nicht bestimmen lassen, als nicht die genauen Schätzungen jener Immobilien be¬
kannt sind. Im allgemeinen ist man aber der Ansicht, daß selbst bei augenblick¬
lichen Opfern der Staatsverwaltung dennoch der Abschluß dieses Vertrages für
die materielle Zukunft des Landes von großem, wirklich unberechenbarem Nutzen ist.
Der Mangel an flüssiger Baarschaft hat sich bisher nicht nur in dem schlechten
Stande der Valuta und in den Stockungen der Finanzoperationen im Großen
kundgegeben, er machte sich auch in allen industriellen Unternehmungen, in
allen kleinsten Verhältnissen unsrer Landwirthschaft und unsres Gewerbebetriebs
fühlbar. Oestreich besitzt alles, was zur reichsten Blüte des materiellen Wohl¬
standes führen kann, eine reiche Urproduction, günstige klimatische Verhältnisse,


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hier die freundlichste Aufnahme gefunden, ja daß das gehäbige Auftreten, das
liebenswürdige Wohlwollen, wodurch seine Persönlichkeit so sehr zu gewinnen
weiß, besonders bei den Diners der westmächtlichen Gesandten ein sichtliches
Behagen über die ganze Gesellschaft verbreitet hat. Die verschlossensten Herzen,
die zugeknöpftesten Geister unter den Diplomaten konnten nicht lange wider¬
stehen; Herrn von der Pfordten war es gegönnt, einen Blick in die geheimsten
Falten der orientalischen Wäsche zu werfen (für einen Mann von reinlichen
Grundsätzen gewiß keine angenehme Aufgabe), und es hing nur noch an einem
Faden, baß die entenw eoiäiul« zwischen Baiern und den westlichen Mächten
eine vollständige und herzliche geworden wäre — aber aveo onde rsssrve. —
Herr von der Pfordten erinnerte sich noch zu rechter Zeit dieses Stichworts
der jetzigen Situation, dankte verbindlichst für die gefällige Auskunft und trat
— wie ein junger Diplomat meiner Bekanntschaft bemerkte — mit einem ver¬
klärten staatsmännischen Lächeln seine Rückreise nach München an. An der
Börse, auf deren andauernde Verschleimung die Anwesenheit des baierischen
Ministers so lindernd wie Eibischthec gewirkt hat, cursirte heute jenes Ab¬
schiedslächeln in photographischem Abdruck, la dausse und 1a Kaisss blickte
darnach wie ein Kranker nach dem Pülverchen des Homöopathen; aber die er¬
leichternde Wirkung blieb aus, es wirkte eben nur wie — Milchzucker; Stock¬
schnupfen' und flaue Stimmung kehrten unaufhaltsam wieder. Hoffen wir, daß
eine aufregende Krimdepesche ein kräftiges Niesen hervorbringen werde. Zur
Genesung! wollen wir dann im echten Wiener Ton zurufen. —

Das Geschäft, welches der Pariser Credit mobilier betreffs der Verpachtung
der Staatsbahnen mit unsrer Regierung abgeschlossen, bildet natürlich jetzt das
Hauptthema der Unterhaltung in unsren Finanzkreisen. Zwei unsrer ersten
Banquiers, Sina und Eskeles, sind bekanntlich bei dem Geschäft betheiligt.
Ihnen allein dürfte vielleicht der ganze Umfang deö Staatseigenthums an
Eisenbahnen, Waldungen, Bergwerken, Fabriken u. s. f., welche der Gesellschaft
theils in Pacht, theils als Eigenthum überlassen wirb, ziffermäßig bekannt
sein. Für welchen Theil das Geschäft ein rentableres ist, wird sich solange
nicht bestimmen lassen, als nicht die genauen Schätzungen jener Immobilien be¬
kannt sind. Im allgemeinen ist man aber der Ansicht, daß selbst bei augenblick¬
lichen Opfern der Staatsverwaltung dennoch der Abschluß dieses Vertrages für
die materielle Zukunft des Landes von großem, wirklich unberechenbarem Nutzen ist.
Der Mangel an flüssiger Baarschaft hat sich bisher nicht nur in dem schlechten
Stande der Valuta und in den Stockungen der Finanzoperationen im Großen
kundgegeben, er machte sich auch in allen industriellen Unternehmungen, in
allen kleinsten Verhältnissen unsrer Landwirthschaft und unsres Gewerbebetriebs
fühlbar. Oestreich besitzt alles, was zur reichsten Blüte des materiellen Wohl¬
standes führen kann, eine reiche Urproduction, günstige klimatische Verhältnisse,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/347>, abgerufen am 22.07.2024.