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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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zwischen der Autorität und der Masse der Bevölkerung nicht hergestellt. Ab¬
gesehen von dem moralischen Urtheil muß man daher behaupten, daß das
Verfahren des Ministeriums Hassenpflug ungeschickt gewesen ist.

Das dürfen seine Verehrer in dem übrigen Deutschland nicht aus den
Augen setzen. Daß sich in der strengconservativen Partei solche finden, nimmt
uns nicht Wunder. Einmal war der Name Hassenpflug die bete noirs der
gesammten Opposition geworden, und wie das bei Volksstimmungen zu ge¬
schehen pflegt, man fand kein Maß und Ziel, ihn mit jeder Art von Schmä¬
hung zu überhäufen. Grund genug für die Gegner, sich seiner anzunehmen.
Sodann hatte seine Handlungsweise den Anschein von Kraft und Entschlossen¬
heit, und dieses besticht, auch wo man sie nicht ganz billigt. Mußte doch
selbst Herr von Bismark-Schönhausen öffentlich erklären, er stimme mit den
übereilten Schritten seines politischen Freundes nicht überein.

Jener Anschein widerlegt sich, wenn man den Aufwand von Mitteln mit
dem Resultat im Vergleich stellt. In Staatsverhältnissen ist Kraft ohne rich¬
tige Rechnung uicht denkbar.

Was nun die Einmischung des Bundes betrifft, so finden wir diese aller¬
dings nur in ganz abnormen Verhältnissen gerechtfertigt. Wenn aber die
vorige Darstellung vollkommen begründet ist, -- und das muß sich doch leicht
ermitteln lassen -- so ist diese Abnormität in der That vorhanden. Es muß
dem Bunde darauf ankommen, daß die Ausnahmezustände in Deutschland
überhaupt aufhören, und er'muß sich davon überzeugt haben, daß auf dem
bisherigen Wege in Kurhessen dies Ziel nicht zu erreichen ist; es muß ihm
ferner darauf ankommen, das Ansetzn seiner Autorität nicht durch falsche Wege
vergeuden zu lassen. Hätte der Bund 1838 in der hannöverschen Angelegen¬
heit gezeigt, daß er den Rechtszustand ebenso gegen Eingriffe von oben als
von unten zu vertheidigen gedenke, so wäre von der Mißstimmung gegen dies
Institut, die sich 1848 auf eine so eclatante Weise herausstellte, keine Rede
gewesen. Die kurhessischcn Verhältnisse sind also die beste Gelegenheit für ihn,
auch im Volke sein Ansehn zu befestigen, umsomehr, da es in seiner Macht
steht, so schonende Formen anzuwenden, als er irgend für geeignet hält. --

Was die große Angelegenheit betrifft, so machen wir auf die dritte Auflage
der von uns bereits besprochenen Schrift: "Kann Preußen fernerhin neutral
bleiben?" (Leipzig, Geibel) aufmerksam. Nach der neuerdings publicirten In¬
struktion für den Bundespräsitialgesandten kann es keinem Zweifel unterliegen,
das, diese Schrift in der That die Ansichten der östreichischen Regierung aus¬
spricht. Es ist daher zu hoffen, daß die preußischen Staatsmänner ihre Lage,
die ihnen hier sehr ernst auseinandergesetzt wird, auch ernst auffassen werden.




Grenzboten. IV. -ISLi.

zwischen der Autorität und der Masse der Bevölkerung nicht hergestellt. Ab¬
gesehen von dem moralischen Urtheil muß man daher behaupten, daß das
Verfahren des Ministeriums Hassenpflug ungeschickt gewesen ist.

Das dürfen seine Verehrer in dem übrigen Deutschland nicht aus den
Augen setzen. Daß sich in der strengconservativen Partei solche finden, nimmt
uns nicht Wunder. Einmal war der Name Hassenpflug die bete noirs der
gesammten Opposition geworden, und wie das bei Volksstimmungen zu ge¬
schehen pflegt, man fand kein Maß und Ziel, ihn mit jeder Art von Schmä¬
hung zu überhäufen. Grund genug für die Gegner, sich seiner anzunehmen.
Sodann hatte seine Handlungsweise den Anschein von Kraft und Entschlossen¬
heit, und dieses besticht, auch wo man sie nicht ganz billigt. Mußte doch
selbst Herr von Bismark-Schönhausen öffentlich erklären, er stimme mit den
übereilten Schritten seines politischen Freundes nicht überein.

Jener Anschein widerlegt sich, wenn man den Aufwand von Mitteln mit
dem Resultat im Vergleich stellt. In Staatsverhältnissen ist Kraft ohne rich¬
tige Rechnung uicht denkbar.

Was nun die Einmischung des Bundes betrifft, so finden wir diese aller¬
dings nur in ganz abnormen Verhältnissen gerechtfertigt. Wenn aber die
vorige Darstellung vollkommen begründet ist, — und das muß sich doch leicht
ermitteln lassen — so ist diese Abnormität in der That vorhanden. Es muß
dem Bunde darauf ankommen, daß die Ausnahmezustände in Deutschland
überhaupt aufhören, und er'muß sich davon überzeugt haben, daß auf dem
bisherigen Wege in Kurhessen dies Ziel nicht zu erreichen ist; es muß ihm
ferner darauf ankommen, das Ansetzn seiner Autorität nicht durch falsche Wege
vergeuden zu lassen. Hätte der Bund 1838 in der hannöverschen Angelegen¬
heit gezeigt, daß er den Rechtszustand ebenso gegen Eingriffe von oben als
von unten zu vertheidigen gedenke, so wäre von der Mißstimmung gegen dies
Institut, die sich 1848 auf eine so eclatante Weise herausstellte, keine Rede
gewesen. Die kurhessischcn Verhältnisse sind also die beste Gelegenheit für ihn,
auch im Volke sein Ansehn zu befestigen, umsomehr, da es in seiner Macht
steht, so schonende Formen anzuwenden, als er irgend für geeignet hält. —

Was die große Angelegenheit betrifft, so machen wir auf die dritte Auflage
der von uns bereits besprochenen Schrift: „Kann Preußen fernerhin neutral
bleiben?" (Leipzig, Geibel) aufmerksam. Nach der neuerdings publicirten In¬
struktion für den Bundespräsitialgesandten kann es keinem Zweifel unterliegen,
das, diese Schrift in der That die Ansichten der östreichischen Regierung aus¬
spricht. Es ist daher zu hoffen, daß die preußischen Staatsmänner ihre Lage,
die ihnen hier sehr ernst auseinandergesetzt wird, auch ernst auffassen werden.




Grenzboten. IV. -ISLi.
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[0345] zwischen der Autorität und der Masse der Bevölkerung nicht hergestellt. Ab¬ gesehen von dem moralischen Urtheil muß man daher behaupten, daß das Verfahren des Ministeriums Hassenpflug ungeschickt gewesen ist. Das dürfen seine Verehrer in dem übrigen Deutschland nicht aus den Augen setzen. Daß sich in der strengconservativen Partei solche finden, nimmt uns nicht Wunder. Einmal war der Name Hassenpflug die bete noirs der gesammten Opposition geworden, und wie das bei Volksstimmungen zu ge¬ schehen pflegt, man fand kein Maß und Ziel, ihn mit jeder Art von Schmä¬ hung zu überhäufen. Grund genug für die Gegner, sich seiner anzunehmen. Sodann hatte seine Handlungsweise den Anschein von Kraft und Entschlossen¬ heit, und dieses besticht, auch wo man sie nicht ganz billigt. Mußte doch selbst Herr von Bismark-Schönhausen öffentlich erklären, er stimme mit den übereilten Schritten seines politischen Freundes nicht überein. Jener Anschein widerlegt sich, wenn man den Aufwand von Mitteln mit dem Resultat im Vergleich stellt. In Staatsverhältnissen ist Kraft ohne rich¬ tige Rechnung uicht denkbar. Was nun die Einmischung des Bundes betrifft, so finden wir diese aller¬ dings nur in ganz abnormen Verhältnissen gerechtfertigt. Wenn aber die vorige Darstellung vollkommen begründet ist, — und das muß sich doch leicht ermitteln lassen — so ist diese Abnormität in der That vorhanden. Es muß dem Bunde darauf ankommen, daß die Ausnahmezustände in Deutschland überhaupt aufhören, und er'muß sich davon überzeugt haben, daß auf dem bisherigen Wege in Kurhessen dies Ziel nicht zu erreichen ist; es muß ihm ferner darauf ankommen, das Ansetzn seiner Autorität nicht durch falsche Wege vergeuden zu lassen. Hätte der Bund 1838 in der hannöverschen Angelegen¬ heit gezeigt, daß er den Rechtszustand ebenso gegen Eingriffe von oben als von unten zu vertheidigen gedenke, so wäre von der Mißstimmung gegen dies Institut, die sich 1848 auf eine so eclatante Weise herausstellte, keine Rede gewesen. Die kurhessischcn Verhältnisse sind also die beste Gelegenheit für ihn, auch im Volke sein Ansehn zu befestigen, umsomehr, da es in seiner Macht steht, so schonende Formen anzuwenden, als er irgend für geeignet hält. — Was die große Angelegenheit betrifft, so machen wir auf die dritte Auflage der von uns bereits besprochenen Schrift: „Kann Preußen fernerhin neutral bleiben?" (Leipzig, Geibel) aufmerksam. Nach der neuerdings publicirten In¬ struktion für den Bundespräsitialgesandten kann es keinem Zweifel unterliegen, das, diese Schrift in der That die Ansichten der östreichischen Regierung aus¬ spricht. Es ist daher zu hoffen, daß die preußischen Staatsmänner ihre Lage, die ihnen hier sehr ernst auseinandergesetzt wird, auch ernst auffassen werden. Grenzboten. IV. -ISLi.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/345>, abgerufen am 29.12.2024.