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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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von dem gewaltthätigen Verfahren gegen die auf Grund der Bundesvorschrist
zusammengerufene Ständeversammlung unterrichtet. Selbst den Nicepräsidenten
der zweiten Kammer, zugleich Referenten für die Verfassung, das Wahlgesetz
und die Geschäftsordnung -- (er war einer von den wenigen Männern, welche
bis dahin mit Hassenpflug gegangen waren, und von ihm selbst zur Pro¬
fessur der Staatswissenschaft einberufen) -- hatte man erst mit Drohungen,
dann mit Gewalt wieder entfernt; drei andre Abgeordnete wurden unter den
nichtigsten Nonvänden ausgeschlossen und die durch diese vier Abgeordneten
vertretenen Wahlbezirke, wozu insbesondere die drei Provinzialhauptstädte Fulda,
Hanau und Marburg gehörten, ließ man nicht wieder wählen. Durch Scheffer,
den zum Präsidenten der zweiten Kammer gemachten, bekannten vormärzlichen
Staatsrath ließ hierauf Hassenpflug der ihrer Intelligenzen beraubten, führer¬
losen, aus kleinen Land- und Stadtbürgermeistern zusammengesetzten Kammer
mit den ärgsten Drohungen zusetzen, um sie einzuschüchtern. Scheffer hatte mit
dem preußischen Commissär Herrn Uhden und Herrn Hassenpflug gemeinschaftlich
die provisorische Verfassung ausgearbeitet, und man setzte von vielen Seiten des¬
halb voraus, daß er in die Intentionen des Bundestags eingeweiht sei. Herr
Scheffer bedrohte gleichsam im Namen deS Bundes die zweite Kammer mit
einer neuen Erecution, wenn sie nicht der intendirten Gewaltthätigkeit der
Ausschließung von vier Deputirten unter den frivolsten Vvrwändeiv beistimmen
würde. Hassenpflug selbst erklärte zu verschiedenen Malen in der Kammer, daß
die Zustimmung auch der neuen Kammern zu der provisorischen Verfassung ihm
ganz gleichgiltig sei: sie würde auch ohne Zustimmung der Stände durch
Verordnung aufrechterhalten werden. Man hielt es für eine Unmöglichkeit,
daß er dergleichen Erklärungen abgeben würde, ohne einen bestimmten Rückhalt
am deutschen Bundestage zu haben. Daher ließen sich viele einschüchtern. Nur
einzelne wagten zu zweifeln, und die jetzt kundgewordenen Protokolle beweisen,
daß sie recht hatten, und daß Hassenpflug und Scheffer, indem sie durch eine
bevorstehende neue Vundeserecution das arme Land erschreckten, grade das
Gegentheil von dem behaupteten, was ihnen der Bund vorgeschrieben hatte.

Dieses Factum ist so unerhört, daß es auch jetzt uoch schwerfallen wird, daran
zu glauben. Doch kaun es durch die unverdächtigsten Zeugen beglaubigt wer¬
den, und wenn der hohe Bundestag die einzelnen Mitglieder auf Eid und Ge¬
wissen vernehmen lassen will, so mag er die Wahrheit leicht erkunden. Doch
reden die notorischen Verhältnisse laut genug. Der Bund gibt Herrn Hassen¬
pflug auf, die Erklärung der Stände in Bezug auf die provisorische Verfassung
in geschäftsordnungsmäßiger Weise zu vernehmen und ihm dann mitzutheilen.
Hassenpflug thut weder das eine noch das andre. Er decimirt die Kammer,
welche durch Bundesanvrdnung zur Erklärung über die Verfassung bestimmt
wurde. Als aber auch dieses nicht zum Ziele führt, ändert er Gesetze, die er


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von dem gewaltthätigen Verfahren gegen die auf Grund der Bundesvorschrist
zusammengerufene Ständeversammlung unterrichtet. Selbst den Nicepräsidenten
der zweiten Kammer, zugleich Referenten für die Verfassung, das Wahlgesetz
und die Geschäftsordnung — (er war einer von den wenigen Männern, welche
bis dahin mit Hassenpflug gegangen waren, und von ihm selbst zur Pro¬
fessur der Staatswissenschaft einberufen) — hatte man erst mit Drohungen,
dann mit Gewalt wieder entfernt; drei andre Abgeordnete wurden unter den
nichtigsten Nonvänden ausgeschlossen und die durch diese vier Abgeordneten
vertretenen Wahlbezirke, wozu insbesondere die drei Provinzialhauptstädte Fulda,
Hanau und Marburg gehörten, ließ man nicht wieder wählen. Durch Scheffer,
den zum Präsidenten der zweiten Kammer gemachten, bekannten vormärzlichen
Staatsrath ließ hierauf Hassenpflug der ihrer Intelligenzen beraubten, führer¬
losen, aus kleinen Land- und Stadtbürgermeistern zusammengesetzten Kammer
mit den ärgsten Drohungen zusetzen, um sie einzuschüchtern. Scheffer hatte mit
dem preußischen Commissär Herrn Uhden und Herrn Hassenpflug gemeinschaftlich
die provisorische Verfassung ausgearbeitet, und man setzte von vielen Seiten des¬
halb voraus, daß er in die Intentionen des Bundestags eingeweiht sei. Herr
Scheffer bedrohte gleichsam im Namen deS Bundes die zweite Kammer mit
einer neuen Erecution, wenn sie nicht der intendirten Gewaltthätigkeit der
Ausschließung von vier Deputirten unter den frivolsten Vvrwändeiv beistimmen
würde. Hassenpflug selbst erklärte zu verschiedenen Malen in der Kammer, daß
die Zustimmung auch der neuen Kammern zu der provisorischen Verfassung ihm
ganz gleichgiltig sei: sie würde auch ohne Zustimmung der Stände durch
Verordnung aufrechterhalten werden. Man hielt es für eine Unmöglichkeit,
daß er dergleichen Erklärungen abgeben würde, ohne einen bestimmten Rückhalt
am deutschen Bundestage zu haben. Daher ließen sich viele einschüchtern. Nur
einzelne wagten zu zweifeln, und die jetzt kundgewordenen Protokolle beweisen,
daß sie recht hatten, und daß Hassenpflug und Scheffer, indem sie durch eine
bevorstehende neue Vundeserecution das arme Land erschreckten, grade das
Gegentheil von dem behaupteten, was ihnen der Bund vorgeschrieben hatte.

Dieses Factum ist so unerhört, daß es auch jetzt uoch schwerfallen wird, daran
zu glauben. Doch kaun es durch die unverdächtigsten Zeugen beglaubigt wer¬
den, und wenn der hohe Bundestag die einzelnen Mitglieder auf Eid und Ge¬
wissen vernehmen lassen will, so mag er die Wahrheit leicht erkunden. Doch
reden die notorischen Verhältnisse laut genug. Der Bund gibt Herrn Hassen¬
pflug auf, die Erklärung der Stände in Bezug auf die provisorische Verfassung
in geschäftsordnungsmäßiger Weise zu vernehmen und ihm dann mitzutheilen.
Hassenpflug thut weder das eine noch das andre. Er decimirt die Kammer,
welche durch Bundesanvrdnung zur Erklärung über die Verfassung bestimmt
wurde. Als aber auch dieses nicht zum Ziele führt, ändert er Gesetze, die er


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[0339] von dem gewaltthätigen Verfahren gegen die auf Grund der Bundesvorschrist zusammengerufene Ständeversammlung unterrichtet. Selbst den Nicepräsidenten der zweiten Kammer, zugleich Referenten für die Verfassung, das Wahlgesetz und die Geschäftsordnung — (er war einer von den wenigen Männern, welche bis dahin mit Hassenpflug gegangen waren, und von ihm selbst zur Pro¬ fessur der Staatswissenschaft einberufen) — hatte man erst mit Drohungen, dann mit Gewalt wieder entfernt; drei andre Abgeordnete wurden unter den nichtigsten Nonvänden ausgeschlossen und die durch diese vier Abgeordneten vertretenen Wahlbezirke, wozu insbesondere die drei Provinzialhauptstädte Fulda, Hanau und Marburg gehörten, ließ man nicht wieder wählen. Durch Scheffer, den zum Präsidenten der zweiten Kammer gemachten, bekannten vormärzlichen Staatsrath ließ hierauf Hassenpflug der ihrer Intelligenzen beraubten, führer¬ losen, aus kleinen Land- und Stadtbürgermeistern zusammengesetzten Kammer mit den ärgsten Drohungen zusetzen, um sie einzuschüchtern. Scheffer hatte mit dem preußischen Commissär Herrn Uhden und Herrn Hassenpflug gemeinschaftlich die provisorische Verfassung ausgearbeitet, und man setzte von vielen Seiten des¬ halb voraus, daß er in die Intentionen des Bundestags eingeweiht sei. Herr Scheffer bedrohte gleichsam im Namen deS Bundes die zweite Kammer mit einer neuen Erecution, wenn sie nicht der intendirten Gewaltthätigkeit der Ausschließung von vier Deputirten unter den frivolsten Vvrwändeiv beistimmen würde. Hassenpflug selbst erklärte zu verschiedenen Malen in der Kammer, daß die Zustimmung auch der neuen Kammern zu der provisorischen Verfassung ihm ganz gleichgiltig sei: sie würde auch ohne Zustimmung der Stände durch Verordnung aufrechterhalten werden. Man hielt es für eine Unmöglichkeit, daß er dergleichen Erklärungen abgeben würde, ohne einen bestimmten Rückhalt am deutschen Bundestage zu haben. Daher ließen sich viele einschüchtern. Nur einzelne wagten zu zweifeln, und die jetzt kundgewordenen Protokolle beweisen, daß sie recht hatten, und daß Hassenpflug und Scheffer, indem sie durch eine bevorstehende neue Vundeserecution das arme Land erschreckten, grade das Gegentheil von dem behaupteten, was ihnen der Bund vorgeschrieben hatte. Dieses Factum ist so unerhört, daß es auch jetzt uoch schwerfallen wird, daran zu glauben. Doch kaun es durch die unverdächtigsten Zeugen beglaubigt wer¬ den, und wenn der hohe Bundestag die einzelnen Mitglieder auf Eid und Ge¬ wissen vernehmen lassen will, so mag er die Wahrheit leicht erkunden. Doch reden die notorischen Verhältnisse laut genug. Der Bund gibt Herrn Hassen¬ pflug auf, die Erklärung der Stände in Bezug auf die provisorische Verfassung in geschäftsordnungsmäßiger Weise zu vernehmen und ihm dann mitzutheilen. Hassenpflug thut weder das eine noch das andre. Er decimirt die Kammer, welche durch Bundesanvrdnung zur Erklärung über die Verfassung bestimmt wurde. Als aber auch dieses nicht zum Ziele führt, ändert er Gesetze, die er i2*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/339>, abgerufen am 24.08.2024.