Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.der Revolution. Damals dachte niemand daran, sich mit etwas andrem zu Grenzbot-n. IV. -I8si. 30
der Revolution. Damals dachte niemand daran, sich mit etwas andrem zu Grenzbot-n. IV. -I8si. 30
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0241" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/98555"/> <p xml:id="ID_772" prev="#ID_771" next="#ID_773"> der Revolution. Damals dachte niemand daran, sich mit etwas andrem zu<lb/> beschäftigen als mit den politischen oder socialen Tagesfragen. Ein encyklo¬<lb/> pädistisches Werk, welches sich an die Interessen der Zeit wenden wollte, war<lb/> also von vornherein darauf angewiesen, die Politik zu seinem Hauptgegenstand<lb/> zu machen. So finden wir denn in dem ersten Bande der „Gegenwart" -die<lb/> Revolutionsgeschichte entschieden im Vordergrunde; eine Geschichte der neuesten<lb/> französischen Revolution wird begonnen und in mehren Absätzen fortgesetzt; die<lb/> socialen Bewegungen der Gegenwart, das Heerwesen, der Communismus, die<lb/> Bureaukratie, die Schuleinrichtungen, das staatsbürgerliche Verhältniß der Ju¬<lb/> den, die Entwicklung des deutschen Volks nach seinen sprachlichen und localen<lb/> Voraussetzungen und was sonst damit verwand! ist, wird in ausführlichen Ar¬<lb/> tikeln besprochen. Der Werth dieser Aufsätze ist natürlich ein sehr verschiedener;<lb/> am wenigsten Gehalt haben diejenigen, welche auf das eigentliche Zeitungs-<lb/> publicum berechnet sind, die Referate über die Tagesvorfälle, die, wie es in<lb/> solchen Fällen zu geschehen pflegt, leicht und oberflächlich dem unmittelbaren<lb/> Eindruck der Zeitungen nachgebildet sind. Doch zeichneten sich schon damals<lb/> diese Darstellungen, obgleich sich die Stimmung des Tages in ihnen nicht ver¬<lb/> leugnete, durch einen verhältnismäßig ruhigen und gemäßigten Ton aus. Unter<lb/> den gegenwärtigen Preßverhältnissen wird der Eindruck freilich ein andrer sein,<lb/> und insofern hat die „Gegenwart" gewissermaßen einen historischen Werth; man<lb/> erfährt aus ihr, was als ruhiger und gemäßigter Ton galt. — Diese<lb/> Referate sind nun in den folgenden Bänden regelmäßig weitergeführt, und<lb/> es gereicht den Herausgebern zur Ehre, daß die Haltung sich wenigstens nicht<lb/> sehr erheblich geändert hat. Freilich macht sich auch hier der Einfluß der Zeit<lb/> geltend. Ideen, die im Rausch der Begeisterung als geprägte Münzen hin¬<lb/> genommen wurden, werden begrifflich analysirt und an dem Maßstab der Er¬<lb/> fahrung geprüft; die Motive der Thatsachen, die man früher aus einer etwas<lb/> entfernten Perspektive betrachtete, werden ans Licht gezogen und gewinnen da¬<lb/> durch unmerklich eine neue Gestalt; die Interessen -bilden sich bestimmter aus<lb/> und geben den Parteien eine veränderte Richtung; die einzelnen Personen fin¬<lb/> den Gelegenheit, ihren Charakter zu entwickeln, und manches Götzenbild wird<lb/> von seinem Fußgestell herabgestürzt. Daneben wirken auch die äußern Pre߬<lb/> verhältnisse ein. Die Mäßigung, die im Jahre 1858 eine gewisse Gefahr für die<lb/> Fenster herbeiführte, brachte in den Jahren 18S2 und 1833 Kollisionen mit der<lb/> Polizei, vielleicht auch mit dem Criminalamte hervor. Die beliebten Schriftsteller<lb/> wechseln, und auch der einzelne entgeht in seinem Gemüth auf keine Weise dem<lb/> Einflüsse der Zeitschwingungen. — Rechnen wir nun die Metamorphosen ab, die<lb/> sich an diese äußeren und inneren Einwirkungen anknüpfen, so bleibt es immer<lb/> sehr anerkennenswert!), daß die Gesinnung in diesen Darstellungen sich im ganzen<lb/> so wenig verändert. Nebenbei haben diese Abhandlungen den Vorzug der Voll-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzbot-n. IV. -I8si. 30</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0241]
der Revolution. Damals dachte niemand daran, sich mit etwas andrem zu
beschäftigen als mit den politischen oder socialen Tagesfragen. Ein encyklo¬
pädistisches Werk, welches sich an die Interessen der Zeit wenden wollte, war
also von vornherein darauf angewiesen, die Politik zu seinem Hauptgegenstand
zu machen. So finden wir denn in dem ersten Bande der „Gegenwart" -die
Revolutionsgeschichte entschieden im Vordergrunde; eine Geschichte der neuesten
französischen Revolution wird begonnen und in mehren Absätzen fortgesetzt; die
socialen Bewegungen der Gegenwart, das Heerwesen, der Communismus, die
Bureaukratie, die Schuleinrichtungen, das staatsbürgerliche Verhältniß der Ju¬
den, die Entwicklung des deutschen Volks nach seinen sprachlichen und localen
Voraussetzungen und was sonst damit verwand! ist, wird in ausführlichen Ar¬
tikeln besprochen. Der Werth dieser Aufsätze ist natürlich ein sehr verschiedener;
am wenigsten Gehalt haben diejenigen, welche auf das eigentliche Zeitungs-
publicum berechnet sind, die Referate über die Tagesvorfälle, die, wie es in
solchen Fällen zu geschehen pflegt, leicht und oberflächlich dem unmittelbaren
Eindruck der Zeitungen nachgebildet sind. Doch zeichneten sich schon damals
diese Darstellungen, obgleich sich die Stimmung des Tages in ihnen nicht ver¬
leugnete, durch einen verhältnismäßig ruhigen und gemäßigten Ton aus. Unter
den gegenwärtigen Preßverhältnissen wird der Eindruck freilich ein andrer sein,
und insofern hat die „Gegenwart" gewissermaßen einen historischen Werth; man
erfährt aus ihr, was als ruhiger und gemäßigter Ton galt. — Diese
Referate sind nun in den folgenden Bänden regelmäßig weitergeführt, und
es gereicht den Herausgebern zur Ehre, daß die Haltung sich wenigstens nicht
sehr erheblich geändert hat. Freilich macht sich auch hier der Einfluß der Zeit
geltend. Ideen, die im Rausch der Begeisterung als geprägte Münzen hin¬
genommen wurden, werden begrifflich analysirt und an dem Maßstab der Er¬
fahrung geprüft; die Motive der Thatsachen, die man früher aus einer etwas
entfernten Perspektive betrachtete, werden ans Licht gezogen und gewinnen da¬
durch unmerklich eine neue Gestalt; die Interessen -bilden sich bestimmter aus
und geben den Parteien eine veränderte Richtung; die einzelnen Personen fin¬
den Gelegenheit, ihren Charakter zu entwickeln, und manches Götzenbild wird
von seinem Fußgestell herabgestürzt. Daneben wirken auch die äußern Pre߬
verhältnisse ein. Die Mäßigung, die im Jahre 1858 eine gewisse Gefahr für die
Fenster herbeiführte, brachte in den Jahren 18S2 und 1833 Kollisionen mit der
Polizei, vielleicht auch mit dem Criminalamte hervor. Die beliebten Schriftsteller
wechseln, und auch der einzelne entgeht in seinem Gemüth auf keine Weise dem
Einflüsse der Zeitschwingungen. — Rechnen wir nun die Metamorphosen ab, die
sich an diese äußeren und inneren Einwirkungen anknüpfen, so bleibt es immer
sehr anerkennenswert!), daß die Gesinnung in diesen Darstellungen sich im ganzen
so wenig verändert. Nebenbei haben diese Abhandlungen den Vorzug der Voll-
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