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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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es der Kirche unbenommen bliebe, ihre bisherigen Mittel gegen die Presse
auch ferner anzuwenden, so wollten wir alle übrigen Anforderungen der Ultra¬
montanen an den Staat aus allen Kräften unterstützen. Solange das aber
nicht der Fall ist, solange die Kirche in dieser Beziehung sich auf den Staat
stützt, werden wir unsrerseits die Einmischung des Staats in den Punkten,
wo er mit uns übereinstimmt, gleichfalls in Anspruch nehmen.

Um nun nicht zwei verschiedene Dinge miteinander zu vermischen, wollen
wir zunächst das Positive des Buches hervorheben. Herr Reichensperger hat
bei demselben einen praktischen Zweck. Da das Bedürfniß der Gemeinden
theils den Aufbau neuer Kirchen, theils die Restauration alter nöthig macht,
so kommt es darauf an, eine richtige und leicht zu befolgende Methode festzu¬
stellen, damit bei der Stillosigke'it unsrer Tage, die jeden Bauunternehmer auf
seine eigne Erfindungsgabe verweist, nicht Mittel und Kräfte unnütz vergeudet
werden. Herrn Reichensperger kommt es vor allem darauf an, Vorbilder und
Movclle aufzustellen, die unmittelbar praktisch nachgebildet werden können.
Daher geht er auf geometrische Genauigkeit aus, auf Schärfe der Verhältnisse,
nicht auf eitlen Schmuck, auf die Kosten, auf die Beziehungen zum Material u.s. w.
Kurz er wendet sich mit seinen Lehren mehr an den Handwerker als an den
Künstler, aber an den Handwerker im edleren Sinn, wie man den Begriff
im Mittelalter auffaßte. Die Aufgabe des Kirchenbaues ist, den einzelnen
Bedürfnissen des Cultus zu entsprechen, eine der Würde ihres Zweckes ent¬
sprechende Localität herzustellen, solide Arbeit zu liefern und das alles mit so
wenig Kostenj als möglich. Die Art und Weise, wie diesen verschiedenen
Bedürfnissen Rechnung getragen ist, kann man als musterhaft bezeichnen und
wir sind fest davon überzeugt, daß eine größere Verbreitung des Buches unter
den Betheiligten viel dazu beitragen wird, uns zunächst in dem Kirchenbau,
Hann aber auch in den übrigen Zweigen der Architektur wieder einen Stil zu
verschaffen, der nach Herrn Reichenspergers sehr glücklicher Bezeichnung nicht
von außen nach innen, sondern von innen nach außen geht. Nur in diesem
Sinn können wir auch seinen Rath billigen, daß man vorläufig' mit dem Bau
neuer Kirchen soviel als möglich zögern soll, bis die Sicherheit der Technik
die jetzt zum großen Theil verloren gegangen ist, in dem Kreis der Baumeister
und Handwerker sich wiederhergestellt haben wird. Denn über den Beruf unsrer
Zeit zum Kirchenbau denkt Herr Reichensperger keineswegs so geringschätzig,
als Herr von SavigNh im Jahr 1814 über den Beruf unsrer Zeit zur Gesetze
gebung dachte. Er ist im Gegentheil fest davon überzeugt, daß, wenn wir uns
nur der falschen Vorbilder einschlagen, wir wol im Stande sind, die Meister
des 13. Jahrhunderts zu erreichen, vielleicht zu übertreffen.

Was die Restauration alter Kirchen betrifft, so gibt er den Rath, nur
diejenigen Verbesserungen eintreten zu lassen,' die für die Erhaltung des Ge-


es der Kirche unbenommen bliebe, ihre bisherigen Mittel gegen die Presse
auch ferner anzuwenden, so wollten wir alle übrigen Anforderungen der Ultra¬
montanen an den Staat aus allen Kräften unterstützen. Solange das aber
nicht der Fall ist, solange die Kirche in dieser Beziehung sich auf den Staat
stützt, werden wir unsrerseits die Einmischung des Staats in den Punkten,
wo er mit uns übereinstimmt, gleichfalls in Anspruch nehmen.

Um nun nicht zwei verschiedene Dinge miteinander zu vermischen, wollen
wir zunächst das Positive des Buches hervorheben. Herr Reichensperger hat
bei demselben einen praktischen Zweck. Da das Bedürfniß der Gemeinden
theils den Aufbau neuer Kirchen, theils die Restauration alter nöthig macht,
so kommt es darauf an, eine richtige und leicht zu befolgende Methode festzu¬
stellen, damit bei der Stillosigke'it unsrer Tage, die jeden Bauunternehmer auf
seine eigne Erfindungsgabe verweist, nicht Mittel und Kräfte unnütz vergeudet
werden. Herrn Reichensperger kommt es vor allem darauf an, Vorbilder und
Movclle aufzustellen, die unmittelbar praktisch nachgebildet werden können.
Daher geht er auf geometrische Genauigkeit aus, auf Schärfe der Verhältnisse,
nicht auf eitlen Schmuck, auf die Kosten, auf die Beziehungen zum Material u.s. w.
Kurz er wendet sich mit seinen Lehren mehr an den Handwerker als an den
Künstler, aber an den Handwerker im edleren Sinn, wie man den Begriff
im Mittelalter auffaßte. Die Aufgabe des Kirchenbaues ist, den einzelnen
Bedürfnissen des Cultus zu entsprechen, eine der Würde ihres Zweckes ent¬
sprechende Localität herzustellen, solide Arbeit zu liefern und das alles mit so
wenig Kostenj als möglich. Die Art und Weise, wie diesen verschiedenen
Bedürfnissen Rechnung getragen ist, kann man als musterhaft bezeichnen und
wir sind fest davon überzeugt, daß eine größere Verbreitung des Buches unter
den Betheiligten viel dazu beitragen wird, uns zunächst in dem Kirchenbau,
Hann aber auch in den übrigen Zweigen der Architektur wieder einen Stil zu
verschaffen, der nach Herrn Reichenspergers sehr glücklicher Bezeichnung nicht
von außen nach innen, sondern von innen nach außen geht. Nur in diesem
Sinn können wir auch seinen Rath billigen, daß man vorläufig' mit dem Bau
neuer Kirchen soviel als möglich zögern soll, bis die Sicherheit der Technik
die jetzt zum großen Theil verloren gegangen ist, in dem Kreis der Baumeister
und Handwerker sich wiederhergestellt haben wird. Denn über den Beruf unsrer
Zeit zum Kirchenbau denkt Herr Reichensperger keineswegs so geringschätzig,
als Herr von SavigNh im Jahr 1814 über den Beruf unsrer Zeit zur Gesetze
gebung dachte. Er ist im Gegentheil fest davon überzeugt, daß, wenn wir uns
nur der falschen Vorbilder einschlagen, wir wol im Stande sind, die Meister
des 13. Jahrhunderts zu erreichen, vielleicht zu übertreffen.

Was die Restauration alter Kirchen betrifft, so gibt er den Rath, nur
diejenigen Verbesserungen eintreten zu lassen,' die für die Erhaltung des Ge-


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[0143] es der Kirche unbenommen bliebe, ihre bisherigen Mittel gegen die Presse auch ferner anzuwenden, so wollten wir alle übrigen Anforderungen der Ultra¬ montanen an den Staat aus allen Kräften unterstützen. Solange das aber nicht der Fall ist, solange die Kirche in dieser Beziehung sich auf den Staat stützt, werden wir unsrerseits die Einmischung des Staats in den Punkten, wo er mit uns übereinstimmt, gleichfalls in Anspruch nehmen. Um nun nicht zwei verschiedene Dinge miteinander zu vermischen, wollen wir zunächst das Positive des Buches hervorheben. Herr Reichensperger hat bei demselben einen praktischen Zweck. Da das Bedürfniß der Gemeinden theils den Aufbau neuer Kirchen, theils die Restauration alter nöthig macht, so kommt es darauf an, eine richtige und leicht zu befolgende Methode festzu¬ stellen, damit bei der Stillosigke'it unsrer Tage, die jeden Bauunternehmer auf seine eigne Erfindungsgabe verweist, nicht Mittel und Kräfte unnütz vergeudet werden. Herrn Reichensperger kommt es vor allem darauf an, Vorbilder und Movclle aufzustellen, die unmittelbar praktisch nachgebildet werden können. Daher geht er auf geometrische Genauigkeit aus, auf Schärfe der Verhältnisse, nicht auf eitlen Schmuck, auf die Kosten, auf die Beziehungen zum Material u.s. w. Kurz er wendet sich mit seinen Lehren mehr an den Handwerker als an den Künstler, aber an den Handwerker im edleren Sinn, wie man den Begriff im Mittelalter auffaßte. Die Aufgabe des Kirchenbaues ist, den einzelnen Bedürfnissen des Cultus zu entsprechen, eine der Würde ihres Zweckes ent¬ sprechende Localität herzustellen, solide Arbeit zu liefern und das alles mit so wenig Kostenj als möglich. Die Art und Weise, wie diesen verschiedenen Bedürfnissen Rechnung getragen ist, kann man als musterhaft bezeichnen und wir sind fest davon überzeugt, daß eine größere Verbreitung des Buches unter den Betheiligten viel dazu beitragen wird, uns zunächst in dem Kirchenbau, Hann aber auch in den übrigen Zweigen der Architektur wieder einen Stil zu verschaffen, der nach Herrn Reichenspergers sehr glücklicher Bezeichnung nicht von außen nach innen, sondern von innen nach außen geht. Nur in diesem Sinn können wir auch seinen Rath billigen, daß man vorläufig' mit dem Bau neuer Kirchen soviel als möglich zögern soll, bis die Sicherheit der Technik die jetzt zum großen Theil verloren gegangen ist, in dem Kreis der Baumeister und Handwerker sich wiederhergestellt haben wird. Denn über den Beruf unsrer Zeit zum Kirchenbau denkt Herr Reichensperger keineswegs so geringschätzig, als Herr von SavigNh im Jahr 1814 über den Beruf unsrer Zeit zur Gesetze gebung dachte. Er ist im Gegentheil fest davon überzeugt, daß, wenn wir uns nur der falschen Vorbilder einschlagen, wir wol im Stande sind, die Meister des 13. Jahrhunderts zu erreichen, vielleicht zu übertreffen. Was die Restauration alter Kirchen betrifft, so gibt er den Rath, nur diejenigen Verbesserungen eintreten zu lassen,' die für die Erhaltung des Ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/143>, abgerufen am 24.08.2024.