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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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Spruch hineingebracht werden konnte. Es hat sich jetzt herausgestellt, daß
Oestreichs Handlungen mit seinen Worten vollkommen übereinstimmen, und
daß es nicht seine Schuld-ist, .wenn es Preußen das Gegentheil vorwerfen muß.

Jetzt möchten wir die preußische Regierung fragen, was sie durch ihre
dem beschränkten Unterthanenverstand verborgene Staatsweisheit eigentlich er-,
reicht hat? -- Sehen wir uns zunächst im deutschen Volk um, oder um den
bescheideneren Ausdruck zu gebrauchen, im deutschen Publicum, so finden wir
neben den vielen aus der Kirchspielpolitik beruhenden Antipathien gegen Preu¬
ßen auch eine sehr zahlreiche, durch Bildung und Besitz einflußreiche Partei,
welche, soviel es in ihren Kräften stand, entschieden für Preußen und gegen
Oestreich arbeitete. Solche Sympathien kann nur derjenige gering anschlagen,
der von der Vorstellung ausgeht, die Regierungen schwebten in der Luft und
bedürften keines natürlichen Bodens. Von dieser Partei ist gegenwärtig die
Mehrzahl aus natürlichen und völlig gerechtfertigten Gründen ins östreichische
Lager übergegangen. -- Sehen wir das Ausland an, so unterbricht uns frei¬
lich die preußische Negierung durch die Versicherung, sie werde die preußischen
Interessen nicht sür einen Händedruck der Times aufopfern. Wir glauben
gern, daß es dem Herrn Baron von Manteuffel auf einen Händedruck des
Herrn Walter nicht ankommen wird, und finden auch keinen Grund, auf diesen
Händedruck ein größeres Gewicht zu legen als der Chef des preußischen Mini¬
steriums. Aber Herr Walter ruft in das Publicum nur aus, was ihm vom
Publicum entgegenhallt, und wie das englische Publicum über die Politik eines
Staats urtheilt, dürfte doch von größerer Wichtigkeit sein, als die Ansichten
und Meinungen des deutschen Publicums, umsomehr da die Regierung dies
Mal ganz'der Ansicht ihres Publicums ist. Von Frankreich gilt dasselbe. --
Noch in den ersten Monaten dieses Jahres waren die Regierungen der West¬
mächte entschlossen, die Theilnahme Preußens durch nicht unbedeutende Zu-
sicherungen zu erkaufen. Im gegenwärtigen Augenblick dagegen dürften sie
sich leicht versucht fühlen, die Rolle der Kumäischen Sibylle zu spielen, und
für den nämlichen Preis etwas unendlich Geringfügigeres zu bieten.

Endlich Oestreich. Was hat der preußischen Regierung das Verbot des
Lloyd gefruchtet? Von den Diatriben des Herrn Warrens sie verschont, da¬
gegen muß sie sich gefallen lassen, was ihm Herr von Buol zu sagen sür
gut findet, und man kann nicht behaupten, daß dieser Staatsmann sich glimpf¬
licher ausdrückt als der Redacteur eines Blattes, das doch immer keine öffent¬
liche Stellung hat. Freilich man kann auch die officielle Wiener Zeitung ver¬
bieten und wenn das nicht genügt, die sämmtlichen deutschen Blätter und die
preußischen obendrein. Aendert man aber damit die Thatsachen?

Oder hat man durch die bisherige Richtung etwa Rußland gewonnen?
Für den Fall, daß der Krieg fortdauert, und daß Preußen, aus seiner Neutra-


Spruch hineingebracht werden konnte. Es hat sich jetzt herausgestellt, daß
Oestreichs Handlungen mit seinen Worten vollkommen übereinstimmen, und
daß es nicht seine Schuld-ist, .wenn es Preußen das Gegentheil vorwerfen muß.

Jetzt möchten wir die preußische Regierung fragen, was sie durch ihre
dem beschränkten Unterthanenverstand verborgene Staatsweisheit eigentlich er-,
reicht hat? — Sehen wir uns zunächst im deutschen Volk um, oder um den
bescheideneren Ausdruck zu gebrauchen, im deutschen Publicum, so finden wir
neben den vielen aus der Kirchspielpolitik beruhenden Antipathien gegen Preu¬
ßen auch eine sehr zahlreiche, durch Bildung und Besitz einflußreiche Partei,
welche, soviel es in ihren Kräften stand, entschieden für Preußen und gegen
Oestreich arbeitete. Solche Sympathien kann nur derjenige gering anschlagen,
der von der Vorstellung ausgeht, die Regierungen schwebten in der Luft und
bedürften keines natürlichen Bodens. Von dieser Partei ist gegenwärtig die
Mehrzahl aus natürlichen und völlig gerechtfertigten Gründen ins östreichische
Lager übergegangen. — Sehen wir das Ausland an, so unterbricht uns frei¬
lich die preußische Negierung durch die Versicherung, sie werde die preußischen
Interessen nicht sür einen Händedruck der Times aufopfern. Wir glauben
gern, daß es dem Herrn Baron von Manteuffel auf einen Händedruck des
Herrn Walter nicht ankommen wird, und finden auch keinen Grund, auf diesen
Händedruck ein größeres Gewicht zu legen als der Chef des preußischen Mini¬
steriums. Aber Herr Walter ruft in das Publicum nur aus, was ihm vom
Publicum entgegenhallt, und wie das englische Publicum über die Politik eines
Staats urtheilt, dürfte doch von größerer Wichtigkeit sein, als die Ansichten
und Meinungen des deutschen Publicums, umsomehr da die Regierung dies
Mal ganz'der Ansicht ihres Publicums ist. Von Frankreich gilt dasselbe. —
Noch in den ersten Monaten dieses Jahres waren die Regierungen der West¬
mächte entschlossen, die Theilnahme Preußens durch nicht unbedeutende Zu-
sicherungen zu erkaufen. Im gegenwärtigen Augenblick dagegen dürften sie
sich leicht versucht fühlen, die Rolle der Kumäischen Sibylle zu spielen, und
für den nämlichen Preis etwas unendlich Geringfügigeres zu bieten.

Endlich Oestreich. Was hat der preußischen Regierung das Verbot des
Lloyd gefruchtet? Von den Diatriben des Herrn Warrens sie verschont, da¬
gegen muß sie sich gefallen lassen, was ihm Herr von Buol zu sagen sür
gut findet, und man kann nicht behaupten, daß dieser Staatsmann sich glimpf¬
licher ausdrückt als der Redacteur eines Blattes, das doch immer keine öffent¬
liche Stellung hat. Freilich man kann auch die officielle Wiener Zeitung ver¬
bieten und wenn das nicht genügt, die sämmtlichen deutschen Blätter und die
preußischen obendrein. Aendert man aber damit die Thatsachen?

Oder hat man durch die bisherige Richtung etwa Rußland gewonnen?
Für den Fall, daß der Krieg fortdauert, und daß Preußen, aus seiner Neutra-


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[0106] Spruch hineingebracht werden konnte. Es hat sich jetzt herausgestellt, daß Oestreichs Handlungen mit seinen Worten vollkommen übereinstimmen, und daß es nicht seine Schuld-ist, .wenn es Preußen das Gegentheil vorwerfen muß. Jetzt möchten wir die preußische Regierung fragen, was sie durch ihre dem beschränkten Unterthanenverstand verborgene Staatsweisheit eigentlich er-, reicht hat? — Sehen wir uns zunächst im deutschen Volk um, oder um den bescheideneren Ausdruck zu gebrauchen, im deutschen Publicum, so finden wir neben den vielen aus der Kirchspielpolitik beruhenden Antipathien gegen Preu¬ ßen auch eine sehr zahlreiche, durch Bildung und Besitz einflußreiche Partei, welche, soviel es in ihren Kräften stand, entschieden für Preußen und gegen Oestreich arbeitete. Solche Sympathien kann nur derjenige gering anschlagen, der von der Vorstellung ausgeht, die Regierungen schwebten in der Luft und bedürften keines natürlichen Bodens. Von dieser Partei ist gegenwärtig die Mehrzahl aus natürlichen und völlig gerechtfertigten Gründen ins östreichische Lager übergegangen. — Sehen wir das Ausland an, so unterbricht uns frei¬ lich die preußische Negierung durch die Versicherung, sie werde die preußischen Interessen nicht sür einen Händedruck der Times aufopfern. Wir glauben gern, daß es dem Herrn Baron von Manteuffel auf einen Händedruck des Herrn Walter nicht ankommen wird, und finden auch keinen Grund, auf diesen Händedruck ein größeres Gewicht zu legen als der Chef des preußischen Mini¬ steriums. Aber Herr Walter ruft in das Publicum nur aus, was ihm vom Publicum entgegenhallt, und wie das englische Publicum über die Politik eines Staats urtheilt, dürfte doch von größerer Wichtigkeit sein, als die Ansichten und Meinungen des deutschen Publicums, umsomehr da die Regierung dies Mal ganz'der Ansicht ihres Publicums ist. Von Frankreich gilt dasselbe. — Noch in den ersten Monaten dieses Jahres waren die Regierungen der West¬ mächte entschlossen, die Theilnahme Preußens durch nicht unbedeutende Zu- sicherungen zu erkaufen. Im gegenwärtigen Augenblick dagegen dürften sie sich leicht versucht fühlen, die Rolle der Kumäischen Sibylle zu spielen, und für den nämlichen Preis etwas unendlich Geringfügigeres zu bieten. Endlich Oestreich. Was hat der preußischen Regierung das Verbot des Lloyd gefruchtet? Von den Diatriben des Herrn Warrens sie verschont, da¬ gegen muß sie sich gefallen lassen, was ihm Herr von Buol zu sagen sür gut findet, und man kann nicht behaupten, daß dieser Staatsmann sich glimpf¬ licher ausdrückt als der Redacteur eines Blattes, das doch immer keine öffent¬ liche Stellung hat. Freilich man kann auch die officielle Wiener Zeitung ver¬ bieten und wenn das nicht genügt, die sämmtlichen deutschen Blätter und die preußischen obendrein. Aendert man aber damit die Thatsachen? Oder hat man durch die bisherige Richtung etwa Rußland gewonnen? Für den Fall, daß der Krieg fortdauert, und daß Preußen, aus seiner Neutra-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/106>, abgerufen am 24.08.2024.