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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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ist. Daß Herr David in seine frühere Stellung zurückgetreten ist, in
welcher er sich verdienten Ruhm durch vieljährige Leistungen erworben hat, ist
in jeder Beziehung ehrenwerth und verdient umsomehr Anerkennung, je
schmerzlicher er an jenem Platz vermißt worden ist. Herr Rietz ist als ein
durch und durch geschulter und gebildeter Musiker von ernster Richtung und
geläutertem Geschmack, als ein Mann von Geist und Bildung, als ein Diri¬
gent von seltener Befähigung und einer auf langjährige Erfahrung gegründe¬
ten Sicherheit allgemein anerkannt. Wie wir hören, ist er ganz vom Theater
zurückgetreten und seine Thätigkeit als Dirigent allein den Concerten zugewandt.
Allerdings ist dies eine unerläßliche Bedingung ihres Gedeihens; sie wollen
mit ungetheilter Sorgfalt und Aufmerksamkeit, mit der Hingebung gepflegt
sein, welche man einem einzigen Liebling zu Theil werden läßt, an den man
alles wendet, was man vermag, um ihn auf die höchste Stufe der Vollendung
zu bringen. Die Liebe zur Kunst und das lebhafte Gefühl für die Bedeutung
seiner Stellung für die Kunst, welche wir bei Herrn Nietz voraussetzen können,
leisten Bürgschaft für den Eifer, mit welchem er die Concerte in jeder Be¬
ziehung wieder zü heben bestrebt sein wird.

Um dies zu erreichen, muß atXer auch auf die Herstellung der Mittel die
gleiche Sorgfalt verwendet werden. Es ist schon früher bemerkt worden und
muß wiederholt bemerkt werden, daß das Leipziger Orchester hinter anderen
großen Orchestern, denen es'in anderer Beziehung gleich oder voransteht, hin¬
sichtlich des schönen Tons, des materiellen Wohlklangs bedeutend zurückbleibt.
Dies erste Erforderniß einer schönen künstlerischen Wirkung darf beim Instru¬
mentale ebensowenig vernachlässigt werden, als beim Gesänge. Alle Vorzüge
des Vertrags erhalten erst ihre Bedeutung, ihr wahres Licht, beim Sänger
durch schöne Stimme und deren kunstgemäße Bildung, beim Orchester dadurch,
daß die einzelnen Instrumente gut gebaut sind, geschickt behandelt werden, und
daß in der Zusammensetzung des ganzen Orchesters das richtige Verhältniß
beachtet ist; erst unter diesen Voraussetzungen kann der Dirigent auf Ver¬
schmelzung der verschiedenen Tonmassen zu einem harmonischen Ganzen und
auf die richtige Vertheilung von Licht und Schatten hinwirken. Niemand
wird in Abrede stellen, daß das Leipziger Orchester nicht über die Mittel und
Kräfte einer königlichen Kapelle verfügen kann und daß wir uns in manchen
Dingen bescheiden müssen; um so wichtiger ist es, daß die beschränkteren Mittel
mit der klarsten Einsicht uno nach schärfster Prüfung dahin verwandt werden,
wo die wichtigsten Bedürfnisse zu befriedigen sind, wo für die höheren und
edleren Zwecke der Kunst am erfolgreichsten gewirkt werden kann. Sicherlich
sind es nicht die Honorare für Virtuosen, in denen das Geld zum wahren
Besten der Kunst angelegt wird, eine durchgreifende Hebung des Orchesters wirkt
unscheinbarer aber sicherer dafür. Konnte das Direktorium seine Sorge daraus


ist. Daß Herr David in seine frühere Stellung zurückgetreten ist, in
welcher er sich verdienten Ruhm durch vieljährige Leistungen erworben hat, ist
in jeder Beziehung ehrenwerth und verdient umsomehr Anerkennung, je
schmerzlicher er an jenem Platz vermißt worden ist. Herr Rietz ist als ein
durch und durch geschulter und gebildeter Musiker von ernster Richtung und
geläutertem Geschmack, als ein Mann von Geist und Bildung, als ein Diri¬
gent von seltener Befähigung und einer auf langjährige Erfahrung gegründe¬
ten Sicherheit allgemein anerkannt. Wie wir hören, ist er ganz vom Theater
zurückgetreten und seine Thätigkeit als Dirigent allein den Concerten zugewandt.
Allerdings ist dies eine unerläßliche Bedingung ihres Gedeihens; sie wollen
mit ungetheilter Sorgfalt und Aufmerksamkeit, mit der Hingebung gepflegt
sein, welche man einem einzigen Liebling zu Theil werden läßt, an den man
alles wendet, was man vermag, um ihn auf die höchste Stufe der Vollendung
zu bringen. Die Liebe zur Kunst und das lebhafte Gefühl für die Bedeutung
seiner Stellung für die Kunst, welche wir bei Herrn Nietz voraussetzen können,
leisten Bürgschaft für den Eifer, mit welchem er die Concerte in jeder Be¬
ziehung wieder zü heben bestrebt sein wird.

Um dies zu erreichen, muß atXer auch auf die Herstellung der Mittel die
gleiche Sorgfalt verwendet werden. Es ist schon früher bemerkt worden und
muß wiederholt bemerkt werden, daß das Leipziger Orchester hinter anderen
großen Orchestern, denen es'in anderer Beziehung gleich oder voransteht, hin¬
sichtlich des schönen Tons, des materiellen Wohlklangs bedeutend zurückbleibt.
Dies erste Erforderniß einer schönen künstlerischen Wirkung darf beim Instru¬
mentale ebensowenig vernachlässigt werden, als beim Gesänge. Alle Vorzüge
des Vertrags erhalten erst ihre Bedeutung, ihr wahres Licht, beim Sänger
durch schöne Stimme und deren kunstgemäße Bildung, beim Orchester dadurch,
daß die einzelnen Instrumente gut gebaut sind, geschickt behandelt werden, und
daß in der Zusammensetzung des ganzen Orchesters das richtige Verhältniß
beachtet ist; erst unter diesen Voraussetzungen kann der Dirigent auf Ver¬
schmelzung der verschiedenen Tonmassen zu einem harmonischen Ganzen und
auf die richtige Vertheilung von Licht und Schatten hinwirken. Niemand
wird in Abrede stellen, daß das Leipziger Orchester nicht über die Mittel und
Kräfte einer königlichen Kapelle verfügen kann und daß wir uns in manchen
Dingen bescheiden müssen; um so wichtiger ist es, daß die beschränkteren Mittel
mit der klarsten Einsicht uno nach schärfster Prüfung dahin verwandt werden,
wo die wichtigsten Bedürfnisse zu befriedigen sind, wo für die höheren und
edleren Zwecke der Kunst am erfolgreichsten gewirkt werden kann. Sicherlich
sind es nicht die Honorare für Virtuosen, in denen das Geld zum wahren
Besten der Kunst angelegt wird, eine durchgreifende Hebung des Orchesters wirkt
unscheinbarer aber sicherer dafür. Konnte das Direktorium seine Sorge daraus


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/10>, abgerufen am 22.07.2024.