Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.daß nur ein feiner Aethcrstoff übrigblieb, jener Parfum des Empfindensund Von der Technik hat aber Tieck sein ganzes Leben hindurch keinen Begriff 12*
daß nur ein feiner Aethcrstoff übrigblieb, jener Parfum des Empfindensund Von der Technik hat aber Tieck sein ganzes Leben hindurch keinen Begriff 12*
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daß nur ein feiner Aethcrstoff übrigblieb, jener Parfum des Empfindensund
Denkens, an dem die romantische Schule allein Geschmack finden konnte.
Walter Scott war ein entschiedener Realist und darum nach dem Princip der
Romantik ein Feind der Idealität, während doch die wahre Idealität der Kunst
darin besteht, das Reale zu seinem echten, von der Natur intcndirten Ausdruck
zu bringen. — Ganz anders hat Goethe über Walter Scott geurtheilt, obgleich
es ihm in seinem Alter sehr sauer wurde, sich mit einer ganz neuen literarischen
Richtung zu befreunden, und obgleich sein historischer Sinn nicht viel mehr aus¬
gebildet war, als bei Tieck. Aber er hatte eine sichere Handhabe, an der er
die Bedeutung jedes wahren Dichters, so wenig er auch in seiner Sphäre
lag, richtig zu würdigen wußte: nämlich das Bewußtsein der Technik. Und
von dieser Seite hat er die Bedeutung des britischen Dichters auf die ehren¬
vollste Weise anerkannt. - /
Von der Technik hat aber Tieck sein ganzes Leben hindurch keinen Begriff
gehabt, und leider ist es seit der romantischen Schule in Deutschland üblich
geworden, daß, während man in der bildenden Kunst und in der Musik eine
sehr strenge und umfassende technische Vorbildung als unerläßlich betrachtet,
die Poesie dieser Vorbildung ganz entbehren zu können glaubt, weil sie auf
Inspiration beruhe. Seit der Zeit sucht bei uus jeder im Nebel seinen Weg,
und während in den übrigen Künsten, auch wo eine Verirrung eintritt, doch
wenigstens die alten Errungenschaften bleiben, sind wir in der Poesie jeden
Augenblick in Gefahr, selbst das Alte einzubüßen. — Man betrachte z. B.
Novellen, wie den Aufruhr in den Cevennen oder die Victoria vom technischen
Standpunkte. Jedermann wird zugestehen, daß die Composition eines größern
Ganzen, möge es nun zur epischen oder dramatischen Gattung gehören,, darauf
ausgehen muß, diejenigen Momente ans Licht zu stellen, aus denen die Fäden
der Handlung hervorgehen, aus denen sich zuletzt jene Katastrophe verknüpft,
die mit voller Wucht aus unsre Seele fallen soll, daß jeder Faden, den der
Dichter später fallen läßt, ein Fehler ist, daß der Dichter um so mehr Lob ver¬
dient, je haushälterischer er mit seinen Mitteln umgeht, Man wird ferner be¬
greifen, daß die Momente der Leidenschaft und der Erschütterung nur dann
auf uns wirken, wenn sie uns in der richtigen Stimmung antreffen, daß der
Dichter also unsre Seele erst spannen muß, wenn er einen Schlag auf sie
beabsichtigt. Nun drängen sich in den beiden genannten Novellen eine so un¬
erhörte Fülle schrecklicher und phantastischer Scenen zusammen, daß man glauben
sollte, die Phantasie des Lesers müßte auf das lebhafteste angeregt werden;
allein das geschieht keineswegs. Diese Scenen überraschen uns, ohne daß
wir darauf vorbereitet sind, und in ihrer Entwicklung finden wir so wenig
innern Zusammenhang, daß wir die erste längst vergessen haben, wenn wir an
die zweite kommen. Der Aufruhr in den Cevennen bricht in der Mitte ab,
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