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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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eines durch eine Reihe schweizerischer Hauptstädte. -- Ein Kunstfreund ist in
der Schweiz eigentlich übel daran. Zurückgekehrt nach jahrelangem Aufenthalte
in Deutschland, Italien oder Frankreich, vermißt er ungern den Anblick der
Kunstschätze, an den er in den Hauptstädten jener Länder sich gewöhnt; wenn
wir Genf und Basel ausnehmen, besitzt nämlich keine Stadt in der Schweiz
eine größere Gemäldesammlung. Treffliche Werke älterer und jüngerer Meister
gibt es viele; allein sie hängen zerstreut entweder in den Salons der reichen
Handelsherrn oder über den Altären älterer Dome und Klosterkirchen. Das
Bedürfniß, nicht nur den einheimischen Künstlern einen Markt zu verschaffen,
sondern auch von Zeit zu Zeit sich mit den Fortschritten der neuen Richtungen
der Kunst bekannt zu machen, schuf den schweizerischen Kunstverein, der gegen¬
wärtig in zehn größern Schweizcrstädten Sectionen unter Künstlern und Kunst¬
liebhabern zählt. Alle zwei Jahre veranstaltet dieser Verein eine größere Aus¬
stellung, zu der nicht nur Schweizer, sondern auch Franzosen und Deutsche
Beiträge liefern; unter letztern zeichnen sich namentlich die Münchener Künstler
durch zahlreiche und gute Repräsentanten aus. Das Loos bestimmt die Reihen¬
folge, in der die Ausstellung die Sectionöstädte des Vereins besuchen soll. So be¬
gann dieselbe dieses Jahr ihre Rundreise in Schaffhausen und wanderte von da über
Basel und Solothurn nach Bern, um von diesem äußersten Punkte über Luzern,
Zürich und Winterthur zu ihrem Schlußpunkte Se. Gallen sich zurückzuwenden.
An jedem Orte weilt sie einige Wochen; der zahlreiche Besuch, der ihr überall
zu Theil wird, deckt die Kosten der Fracht und der Aufstellung und ist kein
ungünstiges Zeugniß für den Kunstsinn der Bewohner der verschiedenen Schwei-
zergegcnden, in denen sie ihr kurzdauerndes Quartier aufschlägt. Aber auch
der Künstler, der in ihr mehr einen wandernden Markt sieht, steht sich nicht
übel bei der Einrichtung. Mit der Ausstellung ist nämlich eine'Verloosung
verbunden, an der jede Section und zahlreiche Privaten durch Actien sich be¬
theiligen. Da der Betrag der verkauften Actien ausschließlich für den Ankauf
der bessern Stücke der Ausstellung bestimmt ist, und auch außer der Verloosung
noch mauches Gemälde an Liebhaber verkauft wird unter der Bedingung, daß
es der Ausstellung bis zu ihrem Schlüsse verbleibe, so ist dem Künstler, der
sich bei der Ausstellung betheiligt, die Aussicht auf einen günstigen Markt ge¬
öffnet, und der Kunstfreund erlabt sich an dem Troste, daß ein gutes Gemälde,
von dessen Anblick er sich nur ungern trennt, wenigstens im Lande bleibt, wo¬
durch die Aussicht aus einen spätern Genuß ihm nicht entzogen wird. Daß
die Deutschen, namentlich die Münchner Künstler diese Ausstellungen als kei¬
nen ungünstigen Markt betrachten, schließen wir aus ihrer fortwährend starken
Betheiligung. Wol der dritte Theil der dieses Jahr ausstellenden Künstler
sind Deutsche; von den 37 Gemälden, die in Basel um die Summe von mehr
als 12,000 Franken angekauft wurden, gehören le mit einem Gesammtwerth


eines durch eine Reihe schweizerischer Hauptstädte. — Ein Kunstfreund ist in
der Schweiz eigentlich übel daran. Zurückgekehrt nach jahrelangem Aufenthalte
in Deutschland, Italien oder Frankreich, vermißt er ungern den Anblick der
Kunstschätze, an den er in den Hauptstädten jener Länder sich gewöhnt; wenn
wir Genf und Basel ausnehmen, besitzt nämlich keine Stadt in der Schweiz
eine größere Gemäldesammlung. Treffliche Werke älterer und jüngerer Meister
gibt es viele; allein sie hängen zerstreut entweder in den Salons der reichen
Handelsherrn oder über den Altären älterer Dome und Klosterkirchen. Das
Bedürfniß, nicht nur den einheimischen Künstlern einen Markt zu verschaffen,
sondern auch von Zeit zu Zeit sich mit den Fortschritten der neuen Richtungen
der Kunst bekannt zu machen, schuf den schweizerischen Kunstverein, der gegen¬
wärtig in zehn größern Schweizcrstädten Sectionen unter Künstlern und Kunst¬
liebhabern zählt. Alle zwei Jahre veranstaltet dieser Verein eine größere Aus¬
stellung, zu der nicht nur Schweizer, sondern auch Franzosen und Deutsche
Beiträge liefern; unter letztern zeichnen sich namentlich die Münchener Künstler
durch zahlreiche und gute Repräsentanten aus. Das Loos bestimmt die Reihen¬
folge, in der die Ausstellung die Sectionöstädte des Vereins besuchen soll. So be¬
gann dieselbe dieses Jahr ihre Rundreise in Schaffhausen und wanderte von da über
Basel und Solothurn nach Bern, um von diesem äußersten Punkte über Luzern,
Zürich und Winterthur zu ihrem Schlußpunkte Se. Gallen sich zurückzuwenden.
An jedem Orte weilt sie einige Wochen; der zahlreiche Besuch, der ihr überall
zu Theil wird, deckt die Kosten der Fracht und der Aufstellung und ist kein
ungünstiges Zeugniß für den Kunstsinn der Bewohner der verschiedenen Schwei-
zergegcnden, in denen sie ihr kurzdauerndes Quartier aufschlägt. Aber auch
der Künstler, der in ihr mehr einen wandernden Markt sieht, steht sich nicht
übel bei der Einrichtung. Mit der Ausstellung ist nämlich eine'Verloosung
verbunden, an der jede Section und zahlreiche Privaten durch Actien sich be¬
theiligen. Da der Betrag der verkauften Actien ausschließlich für den Ankauf
der bessern Stücke der Ausstellung bestimmt ist, und auch außer der Verloosung
noch mauches Gemälde an Liebhaber verkauft wird unter der Bedingung, daß
es der Ausstellung bis zu ihrem Schlüsse verbleibe, so ist dem Künstler, der
sich bei der Ausstellung betheiligt, die Aussicht auf einen günstigen Markt ge¬
öffnet, und der Kunstfreund erlabt sich an dem Troste, daß ein gutes Gemälde,
von dessen Anblick er sich nur ungern trennt, wenigstens im Lande bleibt, wo¬
durch die Aussicht aus einen spätern Genuß ihm nicht entzogen wird. Daß
die Deutschen, namentlich die Münchner Künstler diese Ausstellungen als kei¬
nen ungünstigen Markt betrachten, schließen wir aus ihrer fortwährend starken
Betheiligung. Wol der dritte Theil der dieses Jahr ausstellenden Künstler
sind Deutsche; von den 37 Gemälden, die in Basel um die Summe von mehr
als 12,000 Franken angekauft wurden, gehören le mit einem Gesammtwerth


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/90>, abgerufen am 06.10.2024.