Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Bald indeß ließ sich aus der Ferne von Dent Pascha her ein Hornsignal ver¬
nehmen, und einige Minuten darnach verkündeten Staubwirbel das Herannahen
einer Truppe. Es war ein Sanitätstrain, nämlich einige sechsspännige Wagen
und hinter diesen Maulthiere mit je zwei Sesseln auf dem Rücken zum Trans¬
port der Kranken und Verwundeten. Trainsoldatcn schritten nebenher. Darauf
erschien eine Batterie von sechs Geschützen mit dazwischen rangirten Munitions¬
wagen. Eine nach dem Blocksystem laffetirte Artillerie sieht um vieles besser
und namentlich leichter und handlicher aus, wie die mit Wandlaffeten. Die
Mannschaften gingen zu Fuß und trugen Gewehre. Noch waren sie nicht
vorüber, als ein helltönendes Gerassel ankündete, daß eine zweite Batterie in
schnellerer Gangart nahe. Sie kam aus dem Thalgrund von Daub Pascha
im Trabe mit aufgesessenen Mannschaften heran. Das Ganze machte den
Eindruck äußerster Leichtigkeit. Zum ersten Mal überzeugte ich mich davon
durch den Augenschein, wie man heute der reitenden Artillerie entbehren kann,
nachdem man die Fußartillerie durch Aufsitzenlassen der Bedienung zu einem
so hohen Grade von Schnelligkeit befähigt hat. Es ist keine zu gewagte Be¬
hauptung, wenn man annimmt, eine Batterie nach diesem neuen System könne
"uf guten Wegen bis zu 12 deutsche Meilen per Tag zurücklegen. Hier zu
Lande wird sie freilich nicht dasselbe leisten können; aber auf 8 oder 9 Meilen
kann man auch in Bulgarien mit Gewißheit zählen, und das ist mehr als jede
Cavalcrie neben ihr zu vollbringen im Stande ist. Der Grund liegt darin,
daß ein Pferd eine ungleich größere Last zu ziehen als zu tragen vermag.

Inzwischen nahete französische Infanterie in Compagniecolonne, mit
weitgeöffneten Distancen, die sichtlich darauf berechnet waren, mehr Raum ein¬
zunehmen und infolge dessen dem Publicum mehr zu imponiren. Es waren
drei Linienbataillone, die ich zunächst an mir vorübermarschiren sah. Die
Haltung war leicht, indeß doch weniger imponirend, wie ich sie bei Leuten,
die im Durchschnitt fünf Jahre dienten, erwarten zu müssen glaubte; nur die
Sergeanten marschirten mit militärischem Aplomb; die Fühlung war undicht
und von Richtung kaum die Rede. Ich dachte an die Vorwürfe, welche Re-
cruten drei Monate nach ihrer Aushebung in Preußen nach solchem Parade¬
marsch erhalten haben würd'en, und sah mit um so größerer Spannung den
nahenden Zuaven entgegen, von denen die Sage geht, sie seien der Kern der
französischen leichten Truppen in Afrika. Sie waren in beträchtlicher Zahl,
vier Bataillone stark auf dem Platz erschienen. Mit ihren Fez vom grünen
Bund umwunden, den leichten Aermeljacken, dem bloßen, von keinem Kragen
oder Halstuch eingeengten Hals, endlich den weiten türkischen Pantalons
machten sie einen ich möchte sagen morgenländischern Eindruck wie die um¬
stehenden Orientalen und namentlich die osmanischen Truppen selbst. Ihre
Bewaffnung besteht aus leichten Gewehren; an einem Gurt, und zwar durch


Bald indeß ließ sich aus der Ferne von Dent Pascha her ein Hornsignal ver¬
nehmen, und einige Minuten darnach verkündeten Staubwirbel das Herannahen
einer Truppe. Es war ein Sanitätstrain, nämlich einige sechsspännige Wagen
und hinter diesen Maulthiere mit je zwei Sesseln auf dem Rücken zum Trans¬
port der Kranken und Verwundeten. Trainsoldatcn schritten nebenher. Darauf
erschien eine Batterie von sechs Geschützen mit dazwischen rangirten Munitions¬
wagen. Eine nach dem Blocksystem laffetirte Artillerie sieht um vieles besser
und namentlich leichter und handlicher aus, wie die mit Wandlaffeten. Die
Mannschaften gingen zu Fuß und trugen Gewehre. Noch waren sie nicht
vorüber, als ein helltönendes Gerassel ankündete, daß eine zweite Batterie in
schnellerer Gangart nahe. Sie kam aus dem Thalgrund von Daub Pascha
im Trabe mit aufgesessenen Mannschaften heran. Das Ganze machte den
Eindruck äußerster Leichtigkeit. Zum ersten Mal überzeugte ich mich davon
durch den Augenschein, wie man heute der reitenden Artillerie entbehren kann,
nachdem man die Fußartillerie durch Aufsitzenlassen der Bedienung zu einem
so hohen Grade von Schnelligkeit befähigt hat. Es ist keine zu gewagte Be¬
hauptung, wenn man annimmt, eine Batterie nach diesem neuen System könne
«uf guten Wegen bis zu 12 deutsche Meilen per Tag zurücklegen. Hier zu
Lande wird sie freilich nicht dasselbe leisten können; aber auf 8 oder 9 Meilen
kann man auch in Bulgarien mit Gewißheit zählen, und das ist mehr als jede
Cavalcrie neben ihr zu vollbringen im Stande ist. Der Grund liegt darin,
daß ein Pferd eine ungleich größere Last zu ziehen als zu tragen vermag.

Inzwischen nahete französische Infanterie in Compagniecolonne, mit
weitgeöffneten Distancen, die sichtlich darauf berechnet waren, mehr Raum ein¬
zunehmen und infolge dessen dem Publicum mehr zu imponiren. Es waren
drei Linienbataillone, die ich zunächst an mir vorübermarschiren sah. Die
Haltung war leicht, indeß doch weniger imponirend, wie ich sie bei Leuten,
die im Durchschnitt fünf Jahre dienten, erwarten zu müssen glaubte; nur die
Sergeanten marschirten mit militärischem Aplomb; die Fühlung war undicht
und von Richtung kaum die Rede. Ich dachte an die Vorwürfe, welche Re-
cruten drei Monate nach ihrer Aushebung in Preußen nach solchem Parade¬
marsch erhalten haben würd'en, und sah mit um so größerer Spannung den
nahenden Zuaven entgegen, von denen die Sage geht, sie seien der Kern der
französischen leichten Truppen in Afrika. Sie waren in beträchtlicher Zahl,
vier Bataillone stark auf dem Platz erschienen. Mit ihren Fez vom grünen
Bund umwunden, den leichten Aermeljacken, dem bloßen, von keinem Kragen
oder Halstuch eingeengten Hals, endlich den weiten türkischen Pantalons
machten sie einen ich möchte sagen morgenländischern Eindruck wie die um¬
stehenden Orientalen und namentlich die osmanischen Truppen selbst. Ihre
Bewaffnung besteht aus leichten Gewehren; an einem Gurt, und zwar durch


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0069" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/281220"/>
          <p xml:id="ID_200" prev="#ID_199"> Bald indeß ließ sich aus der Ferne von Dent Pascha her ein Hornsignal ver¬<lb/>
nehmen, und einige Minuten darnach verkündeten Staubwirbel das Herannahen<lb/>
einer Truppe.  Es war ein Sanitätstrain, nämlich einige sechsspännige Wagen<lb/>
und hinter diesen Maulthiere mit je zwei Sesseln auf dem Rücken zum Trans¬<lb/>
port der Kranken und Verwundeten. Trainsoldatcn schritten nebenher. Darauf<lb/>
erschien eine Batterie von sechs Geschützen mit dazwischen rangirten Munitions¬<lb/>
wagen.  Eine nach dem Blocksystem laffetirte Artillerie sieht um vieles besser<lb/>
und namentlich leichter und handlicher aus, wie die mit Wandlaffeten. Die<lb/>
Mannschaften gingen zu Fuß und trugen Gewehre.  Noch waren sie nicht<lb/>
vorüber, als ein helltönendes Gerassel ankündete, daß eine zweite Batterie in<lb/>
schnellerer Gangart nahe.  Sie kam aus dem Thalgrund von Daub Pascha<lb/>
im Trabe mit aufgesessenen Mannschaften heran.  Das Ganze machte den<lb/>
Eindruck äußerster Leichtigkeit.  Zum ersten Mal überzeugte ich mich davon<lb/>
durch den Augenschein, wie man heute der reitenden Artillerie entbehren kann,<lb/>
nachdem man die Fußartillerie durch Aufsitzenlassen der Bedienung zu einem<lb/>
so hohen Grade von Schnelligkeit befähigt hat.  Es ist keine zu gewagte Be¬<lb/>
hauptung, wenn man annimmt, eine Batterie nach diesem neuen System könne<lb/>
«uf guten Wegen bis zu 12 deutsche Meilen per Tag zurücklegen. Hier zu<lb/>
Lande wird sie freilich nicht dasselbe leisten können; aber auf 8 oder 9 Meilen<lb/>
kann man auch in Bulgarien mit Gewißheit zählen, und das ist mehr als jede<lb/>
Cavalcrie neben ihr zu vollbringen im Stande ist.  Der Grund liegt darin,<lb/>
daß ein Pferd eine ungleich größere Last zu ziehen als zu tragen vermag.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_201" next="#ID_202"> Inzwischen nahete französische Infanterie in Compagniecolonne, mit<lb/>
weitgeöffneten Distancen, die sichtlich darauf berechnet waren, mehr Raum ein¬<lb/>
zunehmen und infolge dessen dem Publicum mehr zu imponiren.  Es waren<lb/>
drei Linienbataillone, die ich zunächst an mir vorübermarschiren sah. Die<lb/>
Haltung war leicht, indeß doch weniger imponirend, wie ich sie bei Leuten,<lb/>
die im Durchschnitt fünf Jahre dienten, erwarten zu müssen glaubte; nur die<lb/>
Sergeanten marschirten mit militärischem Aplomb; die Fühlung war undicht<lb/>
und von Richtung kaum die Rede.  Ich dachte an die Vorwürfe, welche Re-<lb/>
cruten drei Monate nach ihrer Aushebung in Preußen nach solchem Parade¬<lb/>
marsch erhalten haben würd'en, und sah mit um so größerer Spannung den<lb/>
nahenden Zuaven entgegen, von denen die Sage geht, sie seien der Kern der<lb/>
französischen leichten Truppen in Afrika.  Sie waren in beträchtlicher Zahl,<lb/>
vier Bataillone stark auf dem Platz erschienen.  Mit ihren Fez vom grünen<lb/>
Bund umwunden, den leichten Aermeljacken, dem bloßen, von keinem Kragen<lb/>
oder Halstuch eingeengten Hals, endlich den weiten türkischen Pantalons<lb/>
machten sie einen ich möchte sagen morgenländischern Eindruck wie die um¬<lb/>
stehenden Orientalen und namentlich die osmanischen Truppen selbst. Ihre<lb/>
Bewaffnung besteht aus leichten Gewehren; an einem Gurt, und zwar durch</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0069] Bald indeß ließ sich aus der Ferne von Dent Pascha her ein Hornsignal ver¬ nehmen, und einige Minuten darnach verkündeten Staubwirbel das Herannahen einer Truppe. Es war ein Sanitätstrain, nämlich einige sechsspännige Wagen und hinter diesen Maulthiere mit je zwei Sesseln auf dem Rücken zum Trans¬ port der Kranken und Verwundeten. Trainsoldatcn schritten nebenher. Darauf erschien eine Batterie von sechs Geschützen mit dazwischen rangirten Munitions¬ wagen. Eine nach dem Blocksystem laffetirte Artillerie sieht um vieles besser und namentlich leichter und handlicher aus, wie die mit Wandlaffeten. Die Mannschaften gingen zu Fuß und trugen Gewehre. Noch waren sie nicht vorüber, als ein helltönendes Gerassel ankündete, daß eine zweite Batterie in schnellerer Gangart nahe. Sie kam aus dem Thalgrund von Daub Pascha im Trabe mit aufgesessenen Mannschaften heran. Das Ganze machte den Eindruck äußerster Leichtigkeit. Zum ersten Mal überzeugte ich mich davon durch den Augenschein, wie man heute der reitenden Artillerie entbehren kann, nachdem man die Fußartillerie durch Aufsitzenlassen der Bedienung zu einem so hohen Grade von Schnelligkeit befähigt hat. Es ist keine zu gewagte Be¬ hauptung, wenn man annimmt, eine Batterie nach diesem neuen System könne «uf guten Wegen bis zu 12 deutsche Meilen per Tag zurücklegen. Hier zu Lande wird sie freilich nicht dasselbe leisten können; aber auf 8 oder 9 Meilen kann man auch in Bulgarien mit Gewißheit zählen, und das ist mehr als jede Cavalcrie neben ihr zu vollbringen im Stande ist. Der Grund liegt darin, daß ein Pferd eine ungleich größere Last zu ziehen als zu tragen vermag. Inzwischen nahete französische Infanterie in Compagniecolonne, mit weitgeöffneten Distancen, die sichtlich darauf berechnet waren, mehr Raum ein¬ zunehmen und infolge dessen dem Publicum mehr zu imponiren. Es waren drei Linienbataillone, die ich zunächst an mir vorübermarschiren sah. Die Haltung war leicht, indeß doch weniger imponirend, wie ich sie bei Leuten, die im Durchschnitt fünf Jahre dienten, erwarten zu müssen glaubte; nur die Sergeanten marschirten mit militärischem Aplomb; die Fühlung war undicht und von Richtung kaum die Rede. Ich dachte an die Vorwürfe, welche Re- cruten drei Monate nach ihrer Aushebung in Preußen nach solchem Parade¬ marsch erhalten haben würd'en, und sah mit um so größerer Spannung den nahenden Zuaven entgegen, von denen die Sage geht, sie seien der Kern der französischen leichten Truppen in Afrika. Sie waren in beträchtlicher Zahl, vier Bataillone stark auf dem Platz erschienen. Mit ihren Fez vom grünen Bund umwunden, den leichten Aermeljacken, dem bloßen, von keinem Kragen oder Halstuch eingeengten Hals, endlich den weiten türkischen Pantalons machten sie einen ich möchte sagen morgenländischern Eindruck wie die um¬ stehenden Orientalen und namentlich die osmanischen Truppen selbst. Ihre Bewaffnung besteht aus leichten Gewehren; an einem Gurt, und zwar durch

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/69
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/69>, abgerufen am 01.09.2024.