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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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Arabeskenmuster zusammenfügen. Spanien, das Land des Gypses, zeigt in
der Hütte wie in der Alhambra die Wände mit Gyps bekleidet. Ein anderer
Charakter der Zimmcrdccoration der Alhambra ist, daß Glätte und Einfarbig'
keit der Wände nie beisammen vorkommen. Einfarbige Flächen, wie in den
Galerien, sind immer mit den zierlichen Reliefs bedeckt; und glatte, nämlich
die von der Diele an gegen 2 Ellen hohen Socken der Wände, bestehen immer
aus dem zierlichsten Mosaik bunter glasirter Fayeneesteine. In der Verfertigung
und in der Zusammenfügung derselben zu den geschmackvollsten Mustern und
Borden sind die Mauren Meister gewesen. Von ganz besonderer Wirkung und
von der verwickeltsten Zusammensetzung sind die tropfsteinähnlichen Zierrathen,
welche namentlich zur Ausfüllung der Ecken an den Plafonds dienen und aus
denen in einem Gemache neben dem Sale der beiden Schwestern die ganze
kuppelförmige Decke zusammengesetzt ist. Ich halte diesen Theil der maurische"
Ornamentirung für den ihr eigenthümlichsten und kunstvollsten. Diese Kuppel
aus hängenden Bogen und kleineren Kuppeln zusammengesetzt, vereinigt zahl'
lose kleine Einzelheiten von der künstlichsten und verwickeltsten Anordnung
einem Ganzen, welches auf jeden Beschauer sofort den Eindruck einer rü>t
Stalaktiten behängten Höhlenwvlbung machen muß. Scheinbar regellos stehen
die einzelnen kleinen hängenden, gleichgestalteten Stalaktiten doch untereinander
in einer symmetrischen Anordnung, welche ich für das schwierigste in de">
ganzen Kunstwerke, welches die Alhambrasäle sind, halte. Es wurde "w'
schwer, die einander entsprechenden Glieder dieser verwickelten Construction ZU"
sammenzufinden. Diese Kuppel genau abzuzeichnen, halte ich für eine halbe
Unmöglichkeit. Die Decken der Gemächer bestehen fast durchgehend aus dew
zierlichsten Holzmosaik in eckigen und geradlinigen Figuren und mit Verwendung
bunter Farben und reicher Vergoldung, welche zum Theil noch in ihrem ur¬
sprünglichen Glänze strahlen. Meist jedoch sind es grade die von der Ze^
ihres Farbenschmuckes beraubten und gebräunten Holzdecken, wa's fast säen">k-
unde Gemächer in einem nur düstern Lichte erscheinen läßt. Wegen der Dicke
der Mauern geben auch die wenigen nicht über mannshohen Altanfenster nur
wenig Licht, und vor jedem bildet die tiefe Mauerbrüstung ein unbeschreiblich
zierliches kleines Gemach, vor welchem die ganze Pracht deS schönsten Lanv-
schaftsbildes ausgebreitet liegt. Stundenlang verweilte ich in den genannte"
Gemächern, deren rein maurischer Anstrich sich immer so vollkommen meiner
bemeisterte, daß aus meinen Gedanken und meiner Einbildungskraft alle euro-
päischen Formen ganz und gar verdrängt waren. Ich schauete, dachte und
empfand in jener Zeit, wo hier orientalisches Leben sich bewegte. Man wird
es daher nicht mißverstehen, wenn ich sage, daß es mich unangenehm berührte,
in der kleinen noch ganz wohlerhaltenen Moschee die Attribute des Christen¬
thums im' Renaissancestil angebracht zu finden. ES erschien mir wie ein aw


Arabeskenmuster zusammenfügen. Spanien, das Land des Gypses, zeigt in
der Hütte wie in der Alhambra die Wände mit Gyps bekleidet. Ein anderer
Charakter der Zimmcrdccoration der Alhambra ist, daß Glätte und Einfarbig'
keit der Wände nie beisammen vorkommen. Einfarbige Flächen, wie in den
Galerien, sind immer mit den zierlichen Reliefs bedeckt; und glatte, nämlich
die von der Diele an gegen 2 Ellen hohen Socken der Wände, bestehen immer
aus dem zierlichsten Mosaik bunter glasirter Fayeneesteine. In der Verfertigung
und in der Zusammenfügung derselben zu den geschmackvollsten Mustern und
Borden sind die Mauren Meister gewesen. Von ganz besonderer Wirkung und
von der verwickeltsten Zusammensetzung sind die tropfsteinähnlichen Zierrathen,
welche namentlich zur Ausfüllung der Ecken an den Plafonds dienen und aus
denen in einem Gemache neben dem Sale der beiden Schwestern die ganze
kuppelförmige Decke zusammengesetzt ist. Ich halte diesen Theil der maurische»
Ornamentirung für den ihr eigenthümlichsten und kunstvollsten. Diese Kuppel
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lose kleine Einzelheiten von der künstlichsten und verwickeltsten Anordnung
einem Ganzen, welches auf jeden Beschauer sofort den Eindruck einer rü>t
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sammenzufinden. Diese Kuppel genau abzuzeichnen, halte ich für eine halbe
Unmöglichkeit. Die Decken der Gemächer bestehen fast durchgehend aus dew
zierlichsten Holzmosaik in eckigen und geradlinigen Figuren und mit Verwendung
bunter Farben und reicher Vergoldung, welche zum Theil noch in ihrem ur¬
sprünglichen Glänze strahlen. Meist jedoch sind es grade die von der Ze^
ihres Farbenschmuckes beraubten und gebräunten Holzdecken, wa's fast säen»>k-
unde Gemächer in einem nur düstern Lichte erscheinen läßt. Wegen der Dicke
der Mauern geben auch die wenigen nicht über mannshohen Altanfenster nur
wenig Licht, und vor jedem bildet die tiefe Mauerbrüstung ein unbeschreiblich
zierliches kleines Gemach, vor welchem die ganze Pracht deS schönsten Lanv-
schaftsbildes ausgebreitet liegt. Stundenlang verweilte ich in den genannte"
Gemächern, deren rein maurischer Anstrich sich immer so vollkommen meiner
bemeisterte, daß aus meinen Gedanken und meiner Einbildungskraft alle euro-
päischen Formen ganz und gar verdrängt waren. Ich schauete, dachte und
empfand in jener Zeit, wo hier orientalisches Leben sich bewegte. Man wird
es daher nicht mißverstehen, wenn ich sage, daß es mich unangenehm berührte,
in der kleinen noch ganz wohlerhaltenen Moschee die Attribute des Christen¬
thums im' Renaissancestil angebracht zu finden. ES erschien mir wie ein aw


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[0514] Arabeskenmuster zusammenfügen. Spanien, das Land des Gypses, zeigt in der Hütte wie in der Alhambra die Wände mit Gyps bekleidet. Ein anderer Charakter der Zimmcrdccoration der Alhambra ist, daß Glätte und Einfarbig' keit der Wände nie beisammen vorkommen. Einfarbige Flächen, wie in den Galerien, sind immer mit den zierlichen Reliefs bedeckt; und glatte, nämlich die von der Diele an gegen 2 Ellen hohen Socken der Wände, bestehen immer aus dem zierlichsten Mosaik bunter glasirter Fayeneesteine. In der Verfertigung und in der Zusammenfügung derselben zu den geschmackvollsten Mustern und Borden sind die Mauren Meister gewesen. Von ganz besonderer Wirkung und von der verwickeltsten Zusammensetzung sind die tropfsteinähnlichen Zierrathen, welche namentlich zur Ausfüllung der Ecken an den Plafonds dienen und aus denen in einem Gemache neben dem Sale der beiden Schwestern die ganze kuppelförmige Decke zusammengesetzt ist. Ich halte diesen Theil der maurische» Ornamentirung für den ihr eigenthümlichsten und kunstvollsten. Diese Kuppel aus hängenden Bogen und kleineren Kuppeln zusammengesetzt, vereinigt zahl' lose kleine Einzelheiten von der künstlichsten und verwickeltsten Anordnung einem Ganzen, welches auf jeden Beschauer sofort den Eindruck einer rü>t Stalaktiten behängten Höhlenwvlbung machen muß. Scheinbar regellos stehen die einzelnen kleinen hängenden, gleichgestalteten Stalaktiten doch untereinander in einer symmetrischen Anordnung, welche ich für das schwierigste in de»> ganzen Kunstwerke, welches die Alhambrasäle sind, halte. Es wurde »w' schwer, die einander entsprechenden Glieder dieser verwickelten Construction ZU" sammenzufinden. Diese Kuppel genau abzuzeichnen, halte ich für eine halbe Unmöglichkeit. Die Decken der Gemächer bestehen fast durchgehend aus dew zierlichsten Holzmosaik in eckigen und geradlinigen Figuren und mit Verwendung bunter Farben und reicher Vergoldung, welche zum Theil noch in ihrem ur¬ sprünglichen Glänze strahlen. Meist jedoch sind es grade die von der Ze^ ihres Farbenschmuckes beraubten und gebräunten Holzdecken, wa's fast säen»>k- unde Gemächer in einem nur düstern Lichte erscheinen läßt. Wegen der Dicke der Mauern geben auch die wenigen nicht über mannshohen Altanfenster nur wenig Licht, und vor jedem bildet die tiefe Mauerbrüstung ein unbeschreiblich zierliches kleines Gemach, vor welchem die ganze Pracht deS schönsten Lanv- schaftsbildes ausgebreitet liegt. Stundenlang verweilte ich in den genannte" Gemächern, deren rein maurischer Anstrich sich immer so vollkommen meiner bemeisterte, daß aus meinen Gedanken und meiner Einbildungskraft alle euro- päischen Formen ganz und gar verdrängt waren. Ich schauete, dachte und empfand in jener Zeit, wo hier orientalisches Leben sich bewegte. Man wird es daher nicht mißverstehen, wenn ich sage, daß es mich unangenehm berührte, in der kleinen noch ganz wohlerhaltenen Moschee die Attribute des Christen¬ thums im' Renaissancestil angebracht zu finden. ES erschien mir wie ein aw

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/514>, abgerufen am 08.01.2025.