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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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brecher nach Amerika zu transportiren seien. In einem 1619 an den Rath
der Colonie gerichteten Briefe wurde demselben befohlen, hundert liederliche Per¬
sonen, welche der Hofmarschall zu dem Zwecke übergeben würde, nach Virginien
zu senden; in demselben Jahre schickte die Compagnie gleichsam als Gegen¬
gewicht 90 niedliche, junge und unverdorbene Mädchen hin, und weitere
KV wohlerzogene, junge und hübsche Mädchen, Jedes Mädchen der ersten Sendung
brachte 120 Pfund Tabak, jedes der zweiten 150 Pfund ein. Die erste genauere
Bestimmung über die Transportation findet sich in einer Parlamentsacte aus
Karls le. Zeit, welche die Richter bevollmächtigt, die Räuber von Cumberland
oder Northumberland nach eignem Ermessen hinrichten oder auf Lebenszeit trans¬
portiren zu lassen. Unter der Regierung Jacobs It. war Transportation oder
besser Verdammung zur Sklaverei eine beliebte und gewinnbringende Art der
Bestrafung. Die politischen Verbrecher wurden als Sklaven verkauft; unter ih¬
nen waren Geistliche, Offiziere und Gentlemen, von welchen erzählt wird, daß
sie in Mühlen arbeiteten, die Küche besorgten, den dürren Boden der Insel
bebauten, an Pfähle gebunden und ausgepeitscht wurden und in elenderen
Ställen schliefen als in England die Schweine. Dies System sowie die An¬
frage nach Arbeit führten oft zur Seelenverkäufern, die an den Armen und
schutzlosen und solchen verübt wurde, welche mächtigen und gewissenlosen Per¬
sonen ein Dorn im Auge waren. Die Schuldner entledigten sich ihrer Gläu¬
biger, die Frauen ihrer Männer, die Vormünder ihrer Mündel. Vor dem
Beginn des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges hatte die Einfuhr der ge¬
lehrigeren und arbeitsameren Neger die Pflanzer der Jmportation weißer Ver¬
brecher abgeneigt gemacht. Der Krieg machte dem Handel mit weißem Fleisch
e>n Ende und überfüllte die Kerker. Man mußte sich der jährlichen Anhäufung
von Verbrechern entledigen: dies war das Problem und solange als es
gelöst worden war, fragten wenige darnach, wie? Gehänge hatte man soviel
^le nur möglich. Die Transportation war durch den Aufstand eines Landes
gehemmt worden, welches keine Sklaven haben wollte, in deren Adern nicht
wenigstens 25 Procent schwarzen Blutes flössen. Unter diesen schwierigen
Umständen wurde der Vorschlag, die Verbrecher an die kürzlich von Cook ent¬
deckten Gestade der Antipoden zu schaffen, gierig erfaßt. Auf sehr ungenügende
Gründe hin dachte man, der Strafort würde bald keiner Unterstützung mehr
^dürfen. Cook und seine Gefährten hatten wenige Tage in der Gegend zuze¬
ucht, wo die Anlage der Strafcolonie beabsichtigt wurde und einen kleinen
^uß, eine Menge seltener Pflanzen und einen unbedeutenden Hafen gefunden',
^le hatten keine Weideflächen, auf denen Futter fürs Vieh wachsen konnte,
°nie eßbaren Thiere gesehen. Sie konnten keine Auskunft darüber geben, ob
er Boden im Stande sei, für eine ansehnliche Bevölkerung genügenden Er-
abzuwerfen, und das nächste Land, von dem Thiere und Vorräthe her-


brecher nach Amerika zu transportiren seien. In einem 1619 an den Rath
der Colonie gerichteten Briefe wurde demselben befohlen, hundert liederliche Per¬
sonen, welche der Hofmarschall zu dem Zwecke übergeben würde, nach Virginien
zu senden; in demselben Jahre schickte die Compagnie gleichsam als Gegen¬
gewicht 90 niedliche, junge und unverdorbene Mädchen hin, und weitere
KV wohlerzogene, junge und hübsche Mädchen, Jedes Mädchen der ersten Sendung
brachte 120 Pfund Tabak, jedes der zweiten 150 Pfund ein. Die erste genauere
Bestimmung über die Transportation findet sich in einer Parlamentsacte aus
Karls le. Zeit, welche die Richter bevollmächtigt, die Räuber von Cumberland
oder Northumberland nach eignem Ermessen hinrichten oder auf Lebenszeit trans¬
portiren zu lassen. Unter der Regierung Jacobs It. war Transportation oder
besser Verdammung zur Sklaverei eine beliebte und gewinnbringende Art der
Bestrafung. Die politischen Verbrecher wurden als Sklaven verkauft; unter ih¬
nen waren Geistliche, Offiziere und Gentlemen, von welchen erzählt wird, daß
sie in Mühlen arbeiteten, die Küche besorgten, den dürren Boden der Insel
bebauten, an Pfähle gebunden und ausgepeitscht wurden und in elenderen
Ställen schliefen als in England die Schweine. Dies System sowie die An¬
frage nach Arbeit führten oft zur Seelenverkäufern, die an den Armen und
schutzlosen und solchen verübt wurde, welche mächtigen und gewissenlosen Per¬
sonen ein Dorn im Auge waren. Die Schuldner entledigten sich ihrer Gläu¬
biger, die Frauen ihrer Männer, die Vormünder ihrer Mündel. Vor dem
Beginn des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges hatte die Einfuhr der ge¬
lehrigeren und arbeitsameren Neger die Pflanzer der Jmportation weißer Ver¬
brecher abgeneigt gemacht. Der Krieg machte dem Handel mit weißem Fleisch
e>n Ende und überfüllte die Kerker. Man mußte sich der jährlichen Anhäufung
von Verbrechern entledigen: dies war das Problem und solange als es
gelöst worden war, fragten wenige darnach, wie? Gehänge hatte man soviel
^le nur möglich. Die Transportation war durch den Aufstand eines Landes
gehemmt worden, welches keine Sklaven haben wollte, in deren Adern nicht
wenigstens 25 Procent schwarzen Blutes flössen. Unter diesen schwierigen
Umständen wurde der Vorschlag, die Verbrecher an die kürzlich von Cook ent¬
deckten Gestade der Antipoden zu schaffen, gierig erfaßt. Auf sehr ungenügende
Gründe hin dachte man, der Strafort würde bald keiner Unterstützung mehr
^dürfen. Cook und seine Gefährten hatten wenige Tage in der Gegend zuze¬
ucht, wo die Anlage der Strafcolonie beabsichtigt wurde und einen kleinen
^uß, eine Menge seltener Pflanzen und einen unbedeutenden Hafen gefunden',
^le hatten keine Weideflächen, auf denen Futter fürs Vieh wachsen konnte,
°nie eßbaren Thiere gesehen. Sie konnten keine Auskunft darüber geben, ob
er Boden im Stande sei, für eine ansehnliche Bevölkerung genügenden Er-
abzuwerfen, und das nächste Land, von dem Thiere und Vorräthe her-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/509>, abgerufen am 06.10.2024.