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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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seinen wiederholten Vorstellungen gelang es endlich, einen Befehl Alexanders
um den Herzog zur Räumung der Stadt auszuwirken. Die Ueberbnnger des¬
selben reisten so langsam, daß sie erst am 1. Februar in Danzig eintrafen.

Nun mußte der Herzog die Stadt allerdings den Preußen übergeben.
"Aber," sagt Friccius, "da er wahrscheinlich schon früher erfahren hatte oder
besorgen mochte, daß er seine Absicht, sich in Danzig zu behaupten, nicht er¬
reichen werde, so hatte er schon früher angefangen, alle Vorräthe an Gewehren
Und Bekleidungsstücken aufzuräumen und die bedürftigen Truppen damit be¬
waffnen und bekleiden zu lassen. Auch der preußischen Landwehr wurde einiges
davon zu Theil, was jedoch nicht von Bedeutung war. Was nicht gebraucht
wurde und alles Geschütz und Munition wurde aufgepackt und nach Rußland
geschafft. Außer einer Brandschatzung wurde Danzig völlig als ein in feind¬
lichen Landen eroberter Platz behandelt. ' Die Flankengeschütze allein wurden
dem Platze belassen, und wie in dem offiziellen Schreiben des Herzogs gesagt
war, um der ewigen Quälereien des Obersten Pullet überhoben zu sein." Auch
des großen Festungsplaneö bemächtigten sich die Russen.

Friccius bemerkt mit Recht, daß die Wegnahme der zur Festung gehörigen
beschütze und Munition ein Act der Treulosigkeit gegen den Alliirten war.
"Da es Rußland, welches eine unzählige Menge Geschütz auf der Rückzugs-
-linie der Franzosen vorgefunden hatte, auf den Erwerb nicht ankommen konnte,
^° lag wahrscheinlich die Hoffnung zum Grunde, sich bald mit einem russischen
^orps in Danzig ohne Gefahr wieder eindrängen zu können . . . Daß Danzig
^ur Preußen verloren gewesen wäre, wenn es die Russen noch länger besetzt ge¬
llten hätten, wird niemand, welcher die damaligen Zustände und Verhältnisse
^'Nile, bezweifeln. Es würde sich leicht ein Vorwand oder eine Veranlassung
Pfunden haben, das frühere Uebereinkommen zu lösen und abzuändern."

Ludwig Dohna erlebte es nicht mehr, daß Danzig in den Besitz Preußens
kam. Durch die ungewöhnlichen Strapazen dieser siebenmonatlichen Belagerung
^schwächt, tief verletzt durch die fortwährenden Kränkungen von Seiten des
Herzogs, aufgerieben durch den andauernden Kampf gegen die russischen Pra-
^'"stören, verfiel er angesichts der Wahrscheinlichkeit, daß die Frucht preußischer
Anstrengung, das vornehmlich mit preußischem Blute wiedererrungene Danzig,
Russen zufallen würde, in eine tödtliche Krankheit, die ihn am 19. Ja-
"Aar 18',/., in einem Alter von 37 Jahren dahinraffte.

So schwindet die falsche Glorie der russischen Bundesgenossenschaft vor der
Wahrheit der Geschichte. Die Uebereinstimmung dessen, was Anfangs 1813 in Kö-
'Ugsbcrg und ein Jahr später in Danzig zu Tage trat, lehrt überzeugend, daß
Wir es hier nicht mit isolirten Bestrebungen einzelner russischer Großen, sondern
">it den innersten Gedanken der russischen Politik zu thun haben, die ihren
ländergierigen Charakter selbst dem Bundesgenossen gegenüber nicht verleugnete,


Grenzbvle". III. I8si- 88

seinen wiederholten Vorstellungen gelang es endlich, einen Befehl Alexanders
um den Herzog zur Räumung der Stadt auszuwirken. Die Ueberbnnger des¬
selben reisten so langsam, daß sie erst am 1. Februar in Danzig eintrafen.

Nun mußte der Herzog die Stadt allerdings den Preußen übergeben.
„Aber," sagt Friccius, „da er wahrscheinlich schon früher erfahren hatte oder
besorgen mochte, daß er seine Absicht, sich in Danzig zu behaupten, nicht er¬
reichen werde, so hatte er schon früher angefangen, alle Vorräthe an Gewehren
Und Bekleidungsstücken aufzuräumen und die bedürftigen Truppen damit be¬
waffnen und bekleiden zu lassen. Auch der preußischen Landwehr wurde einiges
davon zu Theil, was jedoch nicht von Bedeutung war. Was nicht gebraucht
wurde und alles Geschütz und Munition wurde aufgepackt und nach Rußland
geschafft. Außer einer Brandschatzung wurde Danzig völlig als ein in feind¬
lichen Landen eroberter Platz behandelt. ' Die Flankengeschütze allein wurden
dem Platze belassen, und wie in dem offiziellen Schreiben des Herzogs gesagt
war, um der ewigen Quälereien des Obersten Pullet überhoben zu sein." Auch
des großen Festungsplaneö bemächtigten sich die Russen.

Friccius bemerkt mit Recht, daß die Wegnahme der zur Festung gehörigen
beschütze und Munition ein Act der Treulosigkeit gegen den Alliirten war.
"Da es Rußland, welches eine unzählige Menge Geschütz auf der Rückzugs-
-linie der Franzosen vorgefunden hatte, auf den Erwerb nicht ankommen konnte,
^° lag wahrscheinlich die Hoffnung zum Grunde, sich bald mit einem russischen
^orps in Danzig ohne Gefahr wieder eindrängen zu können . . . Daß Danzig
^ur Preußen verloren gewesen wäre, wenn es die Russen noch länger besetzt ge¬
llten hätten, wird niemand, welcher die damaligen Zustände und Verhältnisse
^'Nile, bezweifeln. Es würde sich leicht ein Vorwand oder eine Veranlassung
Pfunden haben, das frühere Uebereinkommen zu lösen und abzuändern."

Ludwig Dohna erlebte es nicht mehr, daß Danzig in den Besitz Preußens
kam. Durch die ungewöhnlichen Strapazen dieser siebenmonatlichen Belagerung
^schwächt, tief verletzt durch die fortwährenden Kränkungen von Seiten des
Herzogs, aufgerieben durch den andauernden Kampf gegen die russischen Pra-
^'»stören, verfiel er angesichts der Wahrscheinlichkeit, daß die Frucht preußischer
Anstrengung, das vornehmlich mit preußischem Blute wiedererrungene Danzig,
Russen zufallen würde, in eine tödtliche Krankheit, die ihn am 19. Ja-
"Aar 18',/., in einem Alter von 37 Jahren dahinraffte.

So schwindet die falsche Glorie der russischen Bundesgenossenschaft vor der
Wahrheit der Geschichte. Die Uebereinstimmung dessen, was Anfangs 1813 in Kö-
'Ugsbcrg und ein Jahr später in Danzig zu Tage trat, lehrt überzeugend, daß
Wir es hier nicht mit isolirten Bestrebungen einzelner russischer Großen, sondern
">it den innersten Gedanken der russischen Politik zu thun haben, die ihren
ländergierigen Charakter selbst dem Bundesgenossen gegenüber nicht verleugnete,


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[0465] seinen wiederholten Vorstellungen gelang es endlich, einen Befehl Alexanders um den Herzog zur Räumung der Stadt auszuwirken. Die Ueberbnnger des¬ selben reisten so langsam, daß sie erst am 1. Februar in Danzig eintrafen. Nun mußte der Herzog die Stadt allerdings den Preußen übergeben. „Aber," sagt Friccius, „da er wahrscheinlich schon früher erfahren hatte oder besorgen mochte, daß er seine Absicht, sich in Danzig zu behaupten, nicht er¬ reichen werde, so hatte er schon früher angefangen, alle Vorräthe an Gewehren Und Bekleidungsstücken aufzuräumen und die bedürftigen Truppen damit be¬ waffnen und bekleiden zu lassen. Auch der preußischen Landwehr wurde einiges davon zu Theil, was jedoch nicht von Bedeutung war. Was nicht gebraucht wurde und alles Geschütz und Munition wurde aufgepackt und nach Rußland geschafft. Außer einer Brandschatzung wurde Danzig völlig als ein in feind¬ lichen Landen eroberter Platz behandelt. ' Die Flankengeschütze allein wurden dem Platze belassen, und wie in dem offiziellen Schreiben des Herzogs gesagt war, um der ewigen Quälereien des Obersten Pullet überhoben zu sein." Auch des großen Festungsplaneö bemächtigten sich die Russen. Friccius bemerkt mit Recht, daß die Wegnahme der zur Festung gehörigen beschütze und Munition ein Act der Treulosigkeit gegen den Alliirten war. "Da es Rußland, welches eine unzählige Menge Geschütz auf der Rückzugs- -linie der Franzosen vorgefunden hatte, auf den Erwerb nicht ankommen konnte, ^° lag wahrscheinlich die Hoffnung zum Grunde, sich bald mit einem russischen ^orps in Danzig ohne Gefahr wieder eindrängen zu können . . . Daß Danzig ^ur Preußen verloren gewesen wäre, wenn es die Russen noch länger besetzt ge¬ llten hätten, wird niemand, welcher die damaligen Zustände und Verhältnisse ^'Nile, bezweifeln. Es würde sich leicht ein Vorwand oder eine Veranlassung Pfunden haben, das frühere Uebereinkommen zu lösen und abzuändern." Ludwig Dohna erlebte es nicht mehr, daß Danzig in den Besitz Preußens kam. Durch die ungewöhnlichen Strapazen dieser siebenmonatlichen Belagerung ^schwächt, tief verletzt durch die fortwährenden Kränkungen von Seiten des Herzogs, aufgerieben durch den andauernden Kampf gegen die russischen Pra- ^'»stören, verfiel er angesichts der Wahrscheinlichkeit, daß die Frucht preußischer Anstrengung, das vornehmlich mit preußischem Blute wiedererrungene Danzig, Russen zufallen würde, in eine tödtliche Krankheit, die ihn am 19. Ja- "Aar 18',/., in einem Alter von 37 Jahren dahinraffte. So schwindet die falsche Glorie der russischen Bundesgenossenschaft vor der Wahrheit der Geschichte. Die Uebereinstimmung dessen, was Anfangs 1813 in Kö- 'Ugsbcrg und ein Jahr später in Danzig zu Tage trat, lehrt überzeugend, daß Wir es hier nicht mit isolirten Bestrebungen einzelner russischer Großen, sondern ">it den innersten Gedanken der russischen Politik zu thun haben, die ihren ländergierigen Charakter selbst dem Bundesgenossen gegenüber nicht verleugnete, Grenzbvle». III. I8si- 88

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/465>, abgerufen am 08.01.2025.