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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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auch die alte Hinneigung zu einiger Coulissenreiszcrei ist weder in Brasilien
noch in Californien geblieben. Die Stimme hat ein wenig gelitten und ist
besonders in den höhern Lagen etwas dünner geworden. Aber so wie sie heute
ist, ziehen wir sie in künstlerischer Beziehung ihrer Nebenbuhlerin, Fräulein
Corneille vor, obgleich diese von der Natur begabter scheint. Bei Gelegenheit
dieser ersten Vorstellung zeigte der Staatsminister, daß er czn mallriz udsow
vorzugehen geneigt sei und.die Journalistenwelt sah mit Erstaunen, daß ihre
Plätze dem zahlenden Publicum preisgegeben wurden. Die Herren Feuille-
tonisten, selbst die musikalischen Kritiker der halbofficiellen Blätter mußten sich
dazu verstehen, ihren Eintritt zu bezahlen. Sie können sich vorstellen, was
das für einen Lärm gab -- man versammelte sich noch am selbigen Abend i>"
Foyer und alles kam überein, die Oper förmlich in den Bann zu thun und
nicht mehr von ihr zu sprechen. Sogar Mires, der Unternehmer des halb-
officiellcn Enthusiasmus, gab seine Einwilligung zu der Greve der beleidigte"
Journalisten. Es fing selbst dem allmächtigen Staatsminister an bange ZU
werden und er ließ schon Freitag die Journale durch den Sicherheitsdircctor
Collet Meygret beruhigen und um Verzeihung bitten. Es sei blos ein Miß'
Verständniß gewesen und solle nicht mehr vorkommen. Die Administration
beauftragt, den gerechten Ansprüchen der Presse Rechnung zu tragen. Hierin^
ist auch alles wieder ausgeglichen und die musikalische Kritik wird uns von
der Pracht, von der Herrlichkeit, von den musikalischen Fortschritten der Op^'
unter der neuen Leitung spaltenlange Neclamen vorplaudern. Was uns ve-
trifft, sind wir nach der ersten Probe nicht geneigt, mit in dieses Lob einzu-
stimmen, und mit Ausnahme der Primadonna wüßten wir kaum auch nur
eine Person zu nennen, welche den Anforderungen nur zum Theil entspräche
die man an ein Institut zu stellen berechtigt ist, das sich xranä opvr" alö l'"r>s
und noch obendrein aeaclvmis imperiale nennt. Das Wappen auf dew
Anschlagzettel mag wol die Occupation eines herrenlosen Gutes bezeichne",
es ist aber keine Verdienstmedaille.

Der Kaiser ist am Tage nach der Eröffnung der Oper ins Lager gereis -
Er wird sich dort bis zum fünfzehnten aufhalten, um sich dann nach Bordeaux Z
begeben, wo er und seine schöne Gemahlin eine Einladung zu einem
angenommen hat. Der Hof wird dann nach Paris zurückkehren und den
im Schlosse von Fontainebleau unter Jagdfestlichkeiten zubringen. Es w> ^
dort auch an einem neuen Theater gebaut, weil die Königin das Schau!"
allen andern Zerstreuungen vorzieht, daS alte aber erschien nicht groß genuü'
Von der Kaiserin hören wir, daß sich ihr Gesundheitszustand um vieles
bessert habe. Als wir vor einigen Jahren diese Dame den vielen ^
leumdungen gegenüber in Schutz nahmen, die man über sie zu verbr"^
suchte, hatten wir es ausgesprochen, daß trotz der anfänglichen Opposition


auch die alte Hinneigung zu einiger Coulissenreiszcrei ist weder in Brasilien
noch in Californien geblieben. Die Stimme hat ein wenig gelitten und ist
besonders in den höhern Lagen etwas dünner geworden. Aber so wie sie heute
ist, ziehen wir sie in künstlerischer Beziehung ihrer Nebenbuhlerin, Fräulein
Corneille vor, obgleich diese von der Natur begabter scheint. Bei Gelegenheit
dieser ersten Vorstellung zeigte der Staatsminister, daß er czn mallriz udsow
vorzugehen geneigt sei und.die Journalistenwelt sah mit Erstaunen, daß ihre
Plätze dem zahlenden Publicum preisgegeben wurden. Die Herren Feuille-
tonisten, selbst die musikalischen Kritiker der halbofficiellen Blätter mußten sich
dazu verstehen, ihren Eintritt zu bezahlen. Sie können sich vorstellen, was
das für einen Lärm gab — man versammelte sich noch am selbigen Abend i>"
Foyer und alles kam überein, die Oper förmlich in den Bann zu thun und
nicht mehr von ihr zu sprechen. Sogar Mires, der Unternehmer des halb-
officiellcn Enthusiasmus, gab seine Einwilligung zu der Greve der beleidigte»
Journalisten. Es fing selbst dem allmächtigen Staatsminister an bange ZU
werden und er ließ schon Freitag die Journale durch den Sicherheitsdircctor
Collet Meygret beruhigen und um Verzeihung bitten. Es sei blos ein Miß'
Verständniß gewesen und solle nicht mehr vorkommen. Die Administration
beauftragt, den gerechten Ansprüchen der Presse Rechnung zu tragen. Hierin^
ist auch alles wieder ausgeglichen und die musikalische Kritik wird uns von
der Pracht, von der Herrlichkeit, von den musikalischen Fortschritten der Op^'
unter der neuen Leitung spaltenlange Neclamen vorplaudern. Was uns ve-
trifft, sind wir nach der ersten Probe nicht geneigt, mit in dieses Lob einzu-
stimmen, und mit Ausnahme der Primadonna wüßten wir kaum auch nur
eine Person zu nennen, welche den Anforderungen nur zum Theil entspräche
die man an ein Institut zu stellen berechtigt ist, das sich xranä opvr» alö l'»r>s
und noch obendrein aeaclvmis imperiale nennt. Das Wappen auf dew
Anschlagzettel mag wol die Occupation eines herrenlosen Gutes bezeichne»,
es ist aber keine Verdienstmedaille.

Der Kaiser ist am Tage nach der Eröffnung der Oper ins Lager gereis -
Er wird sich dort bis zum fünfzehnten aufhalten, um sich dann nach Bordeaux Z
begeben, wo er und seine schöne Gemahlin eine Einladung zu einem
angenommen hat. Der Hof wird dann nach Paris zurückkehren und den
im Schlosse von Fontainebleau unter Jagdfestlichkeiten zubringen. Es w> ^
dort auch an einem neuen Theater gebaut, weil die Königin das Schau!»
allen andern Zerstreuungen vorzieht, daS alte aber erschien nicht groß genuü'
Von der Kaiserin hören wir, daß sich ihr Gesundheitszustand um vieles
bessert habe. Als wir vor einigen Jahren diese Dame den vielen ^
leumdungen gegenüber in Schutz nahmen, die man über sie zu verbr"^
suchte, hatten wir es ausgesprochen, daß trotz der anfänglichen Opposition


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/438>, abgerufen am 27.07.2024.