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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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Bankhalter nie begegnen kann, die seltensten Ausnahmsfälle abgerechnet. Wer
dagegen lange und regelmäßig spielt, gegen den haben die besseren Chancen
des Bankhalters desto eher Zeit, herauszukommen. Allein, wozu aus der Ab-
straction heraus diesen Beweis sichren? Die glänzenden Hallen und Paläste,
welche der fluchbeladene Gewinn deS Spielpachters sich aufbaut, die zahlreichen
Helfershelfer, welche er bezahlt, die unverheimlichten Bestechungen der Staats¬
gewalt, von denen er seine Fortdauer fristet, führen den Beweis nachdrücklicher
und beredter, als eine menschliche Zunge es vermöchte. Die unglaublich hohen
Dividenden der Actionäre, wo eine Gesellschaft die Pacht hat, enthüllen auf
den ersten Blick das Krankhafte in diesem Auswuchs der Gesellschaft. Sie
zeugen von einer Production ohne wahren Nutzen, die trotzdem den reichlichsten
und übertriebensten Lohn empfängt. Es sind zwar unzweifelhaft auch Dienste,
welche die Spielbank in unsren Bädern der Gesellschaft leistet: aber Dienste,
wie sie ein böser Engel nicht feindseliger leisten könnte.

Die Betrachtung wird noch düsterer, wenn sie sich auf das spielende In¬
dividuum zurückwendet. Ganz abgesehen von seinen geringen Aussichten, gut
davonzukommen, ist es kein gewöhnlicher Gewinn oder Verlust, was ihn hier
reizt und bedroht. Wie gewonnen, so zerronnen! Das gilt im vollsten Maß
von den Einkünften aus allerlei'Spiel. Ein so leichter Gewinn, zu dem es
keiner Arbeit, sondern nur eines verwegenen Entschlusses bedürfte, wird mei¬
stens auch wieder so leichtsinnig und gedankenlos vergeudet. Es steckt in ihm
ein ganz andrer Sinn als in dem Lohn, den ehrliche Arbeit sich durch den
Schweiß ihres Angesichts verdient hat. Darum ist aber der Verlust nicht etwa,
wie man erwarten sollte, ebenfalls leichter zu ertragen. Er gleicht vielmehr der
Lawine, die aus unscheinbaren Anfängen entsteht, allmälig immer rascher an¬
schwillt, und endlich in donnerndem Niedersturz das Glücksgebäude vieler Men¬
schen unter sich begräbt. Er wird selten gern verschmerzt, und führt deshalb fast
nothwendig zu solchen Wagstücken, daß das ganze bürgerliche und menschliche
Dasein des Spielenden zuletzt auf eine Karte gesetzt wird. Nichts ist daher
bei uns mehr an der Tagesordnung, als zerrüttete Vermögensumstände, ver¬
armte Familien, die im Spiel die Quelle ihres Untergangs verwünschen.

Fragen wir danach auch die öffentliche Gesundheitspflege um ihr Urtheil.
Das harte Urtheil der Volkswirthschaftslehre klingt mild, wenn es neben dieses
gehalten wird. Denn im ganzen Reich der Leidenschaften gibt es beinahe
nichts, was den Tempel der Seele so zu entweihen und zu zerstören geeigner
wäre, wie die Spielwuth. Im Spiel ist wol am furchtbarsten jener unheimliche
Aberwitz des Geistes ausgesprochen, der mit Bewußtsein an dem vorzeitigen
und plötzlichen Untergang seines eignen Gehäuses arbeitet, und meistens mit
uur zu sicherem Erfolg. Das Glücksspiel hat bekanntlich vor allen schlimmen
Gewohnheiten die Wirkung, den Geist zu veröden und die Gefühle des Herzens


Grenzlwte". III. 18!ii. 50

Bankhalter nie begegnen kann, die seltensten Ausnahmsfälle abgerechnet. Wer
dagegen lange und regelmäßig spielt, gegen den haben die besseren Chancen
des Bankhalters desto eher Zeit, herauszukommen. Allein, wozu aus der Ab-
straction heraus diesen Beweis sichren? Die glänzenden Hallen und Paläste,
welche der fluchbeladene Gewinn deS Spielpachters sich aufbaut, die zahlreichen
Helfershelfer, welche er bezahlt, die unverheimlichten Bestechungen der Staats¬
gewalt, von denen er seine Fortdauer fristet, führen den Beweis nachdrücklicher
und beredter, als eine menschliche Zunge es vermöchte. Die unglaublich hohen
Dividenden der Actionäre, wo eine Gesellschaft die Pacht hat, enthüllen auf
den ersten Blick das Krankhafte in diesem Auswuchs der Gesellschaft. Sie
zeugen von einer Production ohne wahren Nutzen, die trotzdem den reichlichsten
und übertriebensten Lohn empfängt. Es sind zwar unzweifelhaft auch Dienste,
welche die Spielbank in unsren Bädern der Gesellschaft leistet: aber Dienste,
wie sie ein böser Engel nicht feindseliger leisten könnte.

Die Betrachtung wird noch düsterer, wenn sie sich auf das spielende In¬
dividuum zurückwendet. Ganz abgesehen von seinen geringen Aussichten, gut
davonzukommen, ist es kein gewöhnlicher Gewinn oder Verlust, was ihn hier
reizt und bedroht. Wie gewonnen, so zerronnen! Das gilt im vollsten Maß
von den Einkünften aus allerlei'Spiel. Ein so leichter Gewinn, zu dem es
keiner Arbeit, sondern nur eines verwegenen Entschlusses bedürfte, wird mei¬
stens auch wieder so leichtsinnig und gedankenlos vergeudet. Es steckt in ihm
ein ganz andrer Sinn als in dem Lohn, den ehrliche Arbeit sich durch den
Schweiß ihres Angesichts verdient hat. Darum ist aber der Verlust nicht etwa,
wie man erwarten sollte, ebenfalls leichter zu ertragen. Er gleicht vielmehr der
Lawine, die aus unscheinbaren Anfängen entsteht, allmälig immer rascher an¬
schwillt, und endlich in donnerndem Niedersturz das Glücksgebäude vieler Men¬
schen unter sich begräbt. Er wird selten gern verschmerzt, und führt deshalb fast
nothwendig zu solchen Wagstücken, daß das ganze bürgerliche und menschliche
Dasein des Spielenden zuletzt auf eine Karte gesetzt wird. Nichts ist daher
bei uns mehr an der Tagesordnung, als zerrüttete Vermögensumstände, ver¬
armte Familien, die im Spiel die Quelle ihres Untergangs verwünschen.

Fragen wir danach auch die öffentliche Gesundheitspflege um ihr Urtheil.
Das harte Urtheil der Volkswirthschaftslehre klingt mild, wenn es neben dieses
gehalten wird. Denn im ganzen Reich der Leidenschaften gibt es beinahe
nichts, was den Tempel der Seele so zu entweihen und zu zerstören geeigner
wäre, wie die Spielwuth. Im Spiel ist wol am furchtbarsten jener unheimliche
Aberwitz des Geistes ausgesprochen, der mit Bewußtsein an dem vorzeitigen
und plötzlichen Untergang seines eignen Gehäuses arbeitet, und meistens mit
uur zu sicherem Erfolg. Das Glücksspiel hat bekanntlich vor allen schlimmen
Gewohnheiten die Wirkung, den Geist zu veröden und die Gefühle des Herzens


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[0401] Bankhalter nie begegnen kann, die seltensten Ausnahmsfälle abgerechnet. Wer dagegen lange und regelmäßig spielt, gegen den haben die besseren Chancen des Bankhalters desto eher Zeit, herauszukommen. Allein, wozu aus der Ab- straction heraus diesen Beweis sichren? Die glänzenden Hallen und Paläste, welche der fluchbeladene Gewinn deS Spielpachters sich aufbaut, die zahlreichen Helfershelfer, welche er bezahlt, die unverheimlichten Bestechungen der Staats¬ gewalt, von denen er seine Fortdauer fristet, führen den Beweis nachdrücklicher und beredter, als eine menschliche Zunge es vermöchte. Die unglaublich hohen Dividenden der Actionäre, wo eine Gesellschaft die Pacht hat, enthüllen auf den ersten Blick das Krankhafte in diesem Auswuchs der Gesellschaft. Sie zeugen von einer Production ohne wahren Nutzen, die trotzdem den reichlichsten und übertriebensten Lohn empfängt. Es sind zwar unzweifelhaft auch Dienste, welche die Spielbank in unsren Bädern der Gesellschaft leistet: aber Dienste, wie sie ein böser Engel nicht feindseliger leisten könnte. Die Betrachtung wird noch düsterer, wenn sie sich auf das spielende In¬ dividuum zurückwendet. Ganz abgesehen von seinen geringen Aussichten, gut davonzukommen, ist es kein gewöhnlicher Gewinn oder Verlust, was ihn hier reizt und bedroht. Wie gewonnen, so zerronnen! Das gilt im vollsten Maß von den Einkünften aus allerlei'Spiel. Ein so leichter Gewinn, zu dem es keiner Arbeit, sondern nur eines verwegenen Entschlusses bedürfte, wird mei¬ stens auch wieder so leichtsinnig und gedankenlos vergeudet. Es steckt in ihm ein ganz andrer Sinn als in dem Lohn, den ehrliche Arbeit sich durch den Schweiß ihres Angesichts verdient hat. Darum ist aber der Verlust nicht etwa, wie man erwarten sollte, ebenfalls leichter zu ertragen. Er gleicht vielmehr der Lawine, die aus unscheinbaren Anfängen entsteht, allmälig immer rascher an¬ schwillt, und endlich in donnerndem Niedersturz das Glücksgebäude vieler Men¬ schen unter sich begräbt. Er wird selten gern verschmerzt, und führt deshalb fast nothwendig zu solchen Wagstücken, daß das ganze bürgerliche und menschliche Dasein des Spielenden zuletzt auf eine Karte gesetzt wird. Nichts ist daher bei uns mehr an der Tagesordnung, als zerrüttete Vermögensumstände, ver¬ armte Familien, die im Spiel die Quelle ihres Untergangs verwünschen. Fragen wir danach auch die öffentliche Gesundheitspflege um ihr Urtheil. Das harte Urtheil der Volkswirthschaftslehre klingt mild, wenn es neben dieses gehalten wird. Denn im ganzen Reich der Leidenschaften gibt es beinahe nichts, was den Tempel der Seele so zu entweihen und zu zerstören geeigner wäre, wie die Spielwuth. Im Spiel ist wol am furchtbarsten jener unheimliche Aberwitz des Geistes ausgesprochen, der mit Bewußtsein an dem vorzeitigen und plötzlichen Untergang seines eignen Gehäuses arbeitet, und meistens mit uur zu sicherem Erfolg. Das Glücksspiel hat bekanntlich vor allen schlimmen Gewohnheiten die Wirkung, den Geist zu veröden und die Gefühle des Herzens Grenzlwte». III. 18!ii. 50

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/401>, abgerufen am 08.01.2025.