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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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ergab sich nothwendig auch manches Uebel. Die Effecte sind oft gesucht und
deren Absichtlichkeit zu deutlich. Das ist alles, was uns Veron über Fräulein
Rachel zu sagen weiß, mit der er seinem eignen Geständnisse gemäß seit
ki Jahren vertraulichen Umgang pflegt. Der erbärmlichste Pamphletist hätte
ein besseres Bild von seiner Heldin entworfen und es gibt längst vergessene
Biographien und kritische Abhandlungen über die Rachel zu Dutzenden, die
eingehender und auch interessanter sind als dieses Capitel der Vermischen
Memoiren.

Der gegenwärtige vorletzte Band bringt mir einen Mann ins Gedächtniß,
der jüngst gestorben ist, und ich will die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen,
ohne ein Wort über ihn zu sagen. Veron spricht von der Angelegenheit der
Herzogin von Berry und ihrem Verräther Deutz, der, wie Veron mittheilt, in
Amerika im Elende gestorben ist, nachdem er seinen Judaslohn im Kartenspiele
verloren hatte. Deutz Verrath scheint durch die kluge Unterhandlung des da¬
maligen Polizeiinspectors Foudraö um 600,000 Franken erkauft worden zu sein.
Dieser Fondras war ein eigenthümlicher Kauz, Er begann seine Carriere als
Subalterner Polizeibeamter unter dem Kaiserreiche. Unter der Restauration, während
des Ministeriums Decaze, wußte er sich die Gunst dieser Staatsmänner zu er¬
werben und erhielt die Stelle eines Generalinspectors der Polizei. Nicht
lange darauf stellte ihn der damalige Postdirector an die Spitze des sogenann¬
ten "schwarzen Cabinets", dem er auch bis zum Ministerium Martignac vor¬
stand, zu welcher Zeit diese allzu neugierige Anstalt aufgehoben wurde. Natürlich
blos die Anstalt, denn seither hat alles Fortschritte gemacht und jetzt bedarf
es keiner Camera obscura mehr, die Briefe werden bei Sonnenlicht ohne alle
Schen geöffnet. Damals hatte man noch einige Scheu und die Mitglieder
dieser sphragistischen Maurerloge wußten ihr Handwerk so geheim zu halten,
daß noch heute die wenigsten wissen, daß einer dieser Freimaurer der Polizei
Sitz und Stimme in der Akademie der Wissenschaften habe. Herr Foudras
beweinte den Tod seiner Lieblingsanstalt und suchte sich in der hohen Polizei
zu trösten. Die Julirevolution fand ihn in dieser Stellung und ließ ihm die¬
selbe, denn die Polizeibeamten und Diplomaten hängen.sich wie Katzen an
die Häuser, in denen sie sich eingewohnt haben und nicht wie die Hunde an
die Personen. Herr Guizot, der vielleicht seine guten Gründe hierzu hatte,
machte aus Foudras sogar einen Staatsrath. Erst die Februarrevolution gab
ihn dem Privatleben wieder. FoudraS hatte sich für gute, verschiedenen Sou¬
veränen und Regierungen geleistete Dienste ein hübsches Vermögen erworben
und er konnte in angenehmem Wohlstande sein Leben verbringen. Die Polizei
war aber seine Leidenschaft und er betrieb seine Kunst auf eigne Faust ZU
seinem Privatvergnügen. Winter und Sommer schon um sieben Uhr Morgens
auf den Beinen, begann er seinen Rundgang bei verschiedenen Staatsmännern


ergab sich nothwendig auch manches Uebel. Die Effecte sind oft gesucht und
deren Absichtlichkeit zu deutlich. Das ist alles, was uns Veron über Fräulein
Rachel zu sagen weiß, mit der er seinem eignen Geständnisse gemäß seit
ki Jahren vertraulichen Umgang pflegt. Der erbärmlichste Pamphletist hätte
ein besseres Bild von seiner Heldin entworfen und es gibt längst vergessene
Biographien und kritische Abhandlungen über die Rachel zu Dutzenden, die
eingehender und auch interessanter sind als dieses Capitel der Vermischen
Memoiren.

Der gegenwärtige vorletzte Band bringt mir einen Mann ins Gedächtniß,
der jüngst gestorben ist, und ich will die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen,
ohne ein Wort über ihn zu sagen. Veron spricht von der Angelegenheit der
Herzogin von Berry und ihrem Verräther Deutz, der, wie Veron mittheilt, in
Amerika im Elende gestorben ist, nachdem er seinen Judaslohn im Kartenspiele
verloren hatte. Deutz Verrath scheint durch die kluge Unterhandlung des da¬
maligen Polizeiinspectors Foudraö um 600,000 Franken erkauft worden zu sein.
Dieser Fondras war ein eigenthümlicher Kauz, Er begann seine Carriere als
Subalterner Polizeibeamter unter dem Kaiserreiche. Unter der Restauration, während
des Ministeriums Decaze, wußte er sich die Gunst dieser Staatsmänner zu er¬
werben und erhielt die Stelle eines Generalinspectors der Polizei. Nicht
lange darauf stellte ihn der damalige Postdirector an die Spitze des sogenann¬
ten „schwarzen Cabinets", dem er auch bis zum Ministerium Martignac vor¬
stand, zu welcher Zeit diese allzu neugierige Anstalt aufgehoben wurde. Natürlich
blos die Anstalt, denn seither hat alles Fortschritte gemacht und jetzt bedarf
es keiner Camera obscura mehr, die Briefe werden bei Sonnenlicht ohne alle
Schen geöffnet. Damals hatte man noch einige Scheu und die Mitglieder
dieser sphragistischen Maurerloge wußten ihr Handwerk so geheim zu halten,
daß noch heute die wenigsten wissen, daß einer dieser Freimaurer der Polizei
Sitz und Stimme in der Akademie der Wissenschaften habe. Herr Foudras
beweinte den Tod seiner Lieblingsanstalt und suchte sich in der hohen Polizei
zu trösten. Die Julirevolution fand ihn in dieser Stellung und ließ ihm die¬
selbe, denn die Polizeibeamten und Diplomaten hängen.sich wie Katzen an
die Häuser, in denen sie sich eingewohnt haben und nicht wie die Hunde an
die Personen. Herr Guizot, der vielleicht seine guten Gründe hierzu hatte,
machte aus Foudras sogar einen Staatsrath. Erst die Februarrevolution gab
ihn dem Privatleben wieder. FoudraS hatte sich für gute, verschiedenen Sou¬
veränen und Regierungen geleistete Dienste ein hübsches Vermögen erworben
und er konnte in angenehmem Wohlstande sein Leben verbringen. Die Polizei
war aber seine Leidenschaft und er betrieb seine Kunst auf eigne Faust ZU
seinem Privatvergnügen. Winter und Sommer schon um sieben Uhr Morgens
auf den Beinen, begann er seinen Rundgang bei verschiedenen Staatsmännern


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/398>, abgerufen am 01.09.2024.