Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.von jemand, der die ersten Bände derselben gelesen, soviel scandalöse Geschichten, Und da wir grade bei der Rcstaurationögeschichte verweilen, will ich einige von jemand, der die ersten Bände derselben gelesen, soviel scandalöse Geschichten, Und da wir grade bei der Rcstaurationögeschichte verweilen, will ich einige <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0366" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/281517"/> <p xml:id="ID_1094" prev="#ID_1093"> von jemand, der die ersten Bände derselben gelesen, soviel scandalöse Geschichten,<lb/> daß Herr Emil Forgucs, der testamentarisch ernannte Herausgeber, wahrscheinlich<lb/> Anstand nehmen dürfte, sie unverändert zu veröffentlichen. Herr von Vitrolles er¬<lb/> zählt viel geschichtlich Interessantes, denn er kannte die Zustände der Restauration<lb/> genau, wie wenige. Ihm dankt Vaulabclle viele Daten für seine Rcstaurations-<lb/> geschichte und es verging kein Tag, an dem sich die beiden Männer nicht sahen.<lb/> Trotz ihrer verschiedenen politischen Meinung bestand ein sehr freundschaftliches Ver¬<lb/> hältniß zwischen dem ehemaligen Minister Ludwigs XVIII. und dem Exministcr der<lb/> Republik, der wie viele französische Minister mehr Grund hat, aus seine literarischen<lb/> Lorbeeren stolz zu sein, denn auf seine gouvernementalen. In Vitrolles Memoiren<lb/> wird nnter andern auch eine Begegnung geschildert, die jetzt besonders interessant<lb/> erscheinen mag. Als Gesandter in Florenz besah er einst die Statuen in einem<lb/> der großen Gärten, als zwei französische Damen sich ihm näherten und die Er¬<lb/> klärung einer Marmorgruppe von ihm verlangten. Herr von Vitrolles ließ sich in<lb/> ein Gespräch mit den Frauen ein, das bald anziehend wurde. Er fragte nach<lb/> dem Namen der geistreichen Zwischensprcchcrin, die fast nur allein das Wort 'nahm,<lb/> und diese antworte: Ich bin die Königin Hortcnse, sagen Sie aber nicht, daß ich<lb/> hier bin, denn mein Paß ist nicht visirt. „Seien Sie ruhig, gnädige Frau," er¬<lb/> widerte der Gesandte, „Baron Vitrolles wird dem französischen Minister nichts da¬<lb/> von sagen." Als die Königin diese Worte horte, war sie so überrascht, daß sie<lb/> ohne jede Bemerkung davonlief, in»j» ^ wui,«« j»ni>v», pflegte der alte Vitrolles<lb/> lächelnd hinzuzusetzen, wenn er diese Geschichte erzählte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1095" next="#ID_1096"> Und da wir grade bei der Rcstaurationögeschichte verweilen, will ich einige<lb/> interessante Documente aus jener Zeit erwähnen, die kaum jemand bekannt sein<lb/> dürsten und die ich jüngst bei einem Staatsmann gesehen habe, der unter der<lb/> Restauration eine große Rolle gespielt. Es ist nichts Geringeres, als ein von den<lb/> Emigranten in Brüssel im Jahre 1817 an den Großfürsten Konstantin gestellter<lb/> Antrag, sich der französischen Krone zu bemächtigen. Der Haß gegen die Bourbonen<lb/> war so groß, daß eine zahlreiche Fraction der Flüchtlinge, die auch im Lande selbst<lb/> einen gewissen Anhang hatten, einen Offizier des Kaiserreichs, einen Grasen Vieil<lb/> Castel, nach Warschau schickten, um diesem die Krone Frankreichs anzutragen. ^<lb/> wird nicht uninteressant sein, zu erfahren, daß auch der nachmalige Minister Lud¬<lb/> wig Philipps, Teste, bekannt durch seinen unglücklichen Proceß, unter den An¬<lb/> bietender sich befand. Herr Vieil Castel überreichte dem Großfürsten ein Memoire<lb/> über den Zustand Frankreichs und Enropas, sowie über den Stand der verschiedenen<lb/> Parteien. Diesem folgte ein motivirter förmlicher Antrag. Konstantin benahm sich<lb/> abwehrend und berichtete an den Kaiser nach Se. Petersburg. Dieser ließ ih»i<lb/> durch die Feder Capo dJstriaö seine Zufriedenheit über sein kluges Benehmen zu<lb/> erkennen geben und schrieb ihm das weitere Versälle» in dieser Angelegenheit vor.<lb/> Die Flüchtlinge seien Privatpersonen, die sich des Schutzes der fremden Regierung,<lb/> in deren Lande sie leben, erfreuen, solange sie den Gesetzen derselben nicht zuwider¬<lb/> handeln. Sie können keine Mission von ihrem eignen Vaterlande haben. Europas<lb/> Ruhe fordere die Ruhe Frankreichs und diese würde man gefährdet, wenn eine neue<lb/> Dynastie sich daselbst festsetzen wollte. Das Heil Europas und vorzüglich Frank¬<lb/> reichs könne nnr ans Grundlage der wiederhergestellten konstitutionellen Monarchie</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0366]
von jemand, der die ersten Bände derselben gelesen, soviel scandalöse Geschichten,
daß Herr Emil Forgucs, der testamentarisch ernannte Herausgeber, wahrscheinlich
Anstand nehmen dürfte, sie unverändert zu veröffentlichen. Herr von Vitrolles er¬
zählt viel geschichtlich Interessantes, denn er kannte die Zustände der Restauration
genau, wie wenige. Ihm dankt Vaulabclle viele Daten für seine Rcstaurations-
geschichte und es verging kein Tag, an dem sich die beiden Männer nicht sahen.
Trotz ihrer verschiedenen politischen Meinung bestand ein sehr freundschaftliches Ver¬
hältniß zwischen dem ehemaligen Minister Ludwigs XVIII. und dem Exministcr der
Republik, der wie viele französische Minister mehr Grund hat, aus seine literarischen
Lorbeeren stolz zu sein, denn auf seine gouvernementalen. In Vitrolles Memoiren
wird nnter andern auch eine Begegnung geschildert, die jetzt besonders interessant
erscheinen mag. Als Gesandter in Florenz besah er einst die Statuen in einem
der großen Gärten, als zwei französische Damen sich ihm näherten und die Er¬
klärung einer Marmorgruppe von ihm verlangten. Herr von Vitrolles ließ sich in
ein Gespräch mit den Frauen ein, das bald anziehend wurde. Er fragte nach
dem Namen der geistreichen Zwischensprcchcrin, die fast nur allein das Wort 'nahm,
und diese antworte: Ich bin die Königin Hortcnse, sagen Sie aber nicht, daß ich
hier bin, denn mein Paß ist nicht visirt. „Seien Sie ruhig, gnädige Frau," er¬
widerte der Gesandte, „Baron Vitrolles wird dem französischen Minister nichts da¬
von sagen." Als die Königin diese Worte horte, war sie so überrascht, daß sie
ohne jede Bemerkung davonlief, in»j» ^ wui,«« j»ni>v», pflegte der alte Vitrolles
lächelnd hinzuzusetzen, wenn er diese Geschichte erzählte.
Und da wir grade bei der Rcstaurationögeschichte verweilen, will ich einige
interessante Documente aus jener Zeit erwähnen, die kaum jemand bekannt sein
dürsten und die ich jüngst bei einem Staatsmann gesehen habe, der unter der
Restauration eine große Rolle gespielt. Es ist nichts Geringeres, als ein von den
Emigranten in Brüssel im Jahre 1817 an den Großfürsten Konstantin gestellter
Antrag, sich der französischen Krone zu bemächtigen. Der Haß gegen die Bourbonen
war so groß, daß eine zahlreiche Fraction der Flüchtlinge, die auch im Lande selbst
einen gewissen Anhang hatten, einen Offizier des Kaiserreichs, einen Grasen Vieil
Castel, nach Warschau schickten, um diesem die Krone Frankreichs anzutragen. ^
wird nicht uninteressant sein, zu erfahren, daß auch der nachmalige Minister Lud¬
wig Philipps, Teste, bekannt durch seinen unglücklichen Proceß, unter den An¬
bietender sich befand. Herr Vieil Castel überreichte dem Großfürsten ein Memoire
über den Zustand Frankreichs und Enropas, sowie über den Stand der verschiedenen
Parteien. Diesem folgte ein motivirter förmlicher Antrag. Konstantin benahm sich
abwehrend und berichtete an den Kaiser nach Se. Petersburg. Dieser ließ ih»i
durch die Feder Capo dJstriaö seine Zufriedenheit über sein kluges Benehmen zu
erkennen geben und schrieb ihm das weitere Versälle» in dieser Angelegenheit vor.
Die Flüchtlinge seien Privatpersonen, die sich des Schutzes der fremden Regierung,
in deren Lande sie leben, erfreuen, solange sie den Gesetzen derselben nicht zuwider¬
handeln. Sie können keine Mission von ihrem eignen Vaterlande haben. Europas
Ruhe fordere die Ruhe Frankreichs und diese würde man gefährdet, wenn eine neue
Dynastie sich daselbst festsetzen wollte. Das Heil Europas und vorzüglich Frank¬
reichs könne nnr ans Grundlage der wiederhergestellten konstitutionellen Monarchie
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