Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.Thun und Lassen, in ihrer Anschauung genug, um interessante Studien für den Die Schauspielerin denkt an ihre Rolle, während sie in den Topf guckt, sie Thun und Lassen, in ihrer Anschauung genug, um interessante Studien für den Die Schauspielerin denkt an ihre Rolle, während sie in den Topf guckt, sie <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0325" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/281476"/> <p xml:id="ID_981" prev="#ID_980"> Thun und Lassen, in ihrer Anschauung genug, um interessante Studien für den<lb/> Beobachter abzugeben und die furchtsame Neugierde des Bourgeois zu erwecken. Vor<lb/> dem wirklichen Bourgeois haben sie in der That noch nicht allen Nimbus verloren und<lb/> wir glauben es Arual gern, daß es ihm jeden Tag dreimal geschehe, auf der Straße In¬<lb/> dividuen zu begegnen, die ihn mit verstohlenen Lächeln ansehen und sich vergnügt die<lb/> Hände reiben, den Farceur dArnal so schnell erkannt zu haben. Man führt nicht umsonst<lb/> ein Leben, dessen größter Theil in den Schöpfungen der Einbildungskraft sich herumtreibt.<lb/> Unsre Schauspieler, namentlich die begabten, haben alle ihre Absonderlichkeiten, die<lb/> mau hier Tief nennt, sie haben ihre antisoeialen Launen, ihre ausschließliche»<lb/> Leidenschaften und die meisten von ihnen bewegen sich, wie die Seeleute auf ihren<lb/> Schiffen, nur auf Bretern mit sicherem Behagen. Auch inmitten ihrer bürgerlichen<lb/> Speculationen, im' Handclstribunal, auf der Geschwornenbank und im Schilder¬<lb/> häuschen vor der Mairie steigt ihnen der Geruch der Oellampe ins Gehirn, sie<lb/> sind immer noch Wesen, deren Einbildungskraft eine Landstraße ist, auf der die<lb/> sonderbarsten Gestalten im bunten Gewirre durcheinanderziehcn. Sind ein paar<lb/> Schauspieler oder Schauspielerinnen zusammen, so wissen sie keinen besseren<lb/> Zeitvertreib, als Komödie zu spielen und während der heißesten Zeit, im August,<lb/> wenn der geplagte Theaterdirector kaum die Elaque vollzählig ins Haus bringt,<lb/> aus die Schauspieler, die keine Rolle haben, kann er rechnen, sie find unter den<lb/> Zuschauern, weil die Thcaterlust ihre Lebenslust ist. Diese Existenz hat etwas Be¬<lb/> rauschendes und darum verstehen sich unsre Mimen beiderlei Geschlechter so schwer<lb/> dazu abzudanken. Den Dionys, den Karl V., den nicht Alter, Krankheit oder sonst<lb/> eine unabwendbare Nothwendigkeit zum Abtreten gezwungen, hat die Geschichte des<lb/> Schanspielerlebens erst aufzuweisen. Demoiselle Mars, die fünfzigjährige Susanne, für<lb/> die der Enthusiasmus ihrer Anbeter den »ewigen Frühling" erfunden hatte, sagte oft<lb/> ->jo -jiliü ^ni! I'Kkuri! i>e I/> >'L>,i'u>^! ^ fumo folii' um, nun« ucuxx'd«;?. moi onem'e In<lb/> I'öl'mission <to dix tlo.nros." Lemaitrc, der keine Zähne, keine Stimme mehr hat,<lb/> spielt stumme Rollen, wenn es sein muß. Boceage läßt sich weder von seinem<lb/> Alter noch von seinen Renten abhalten wieder auf der Bühne zu erscheinen, sowie<lb/> sich die Gelegenheit dazu findet. Odru, der Schöpfer eines eignen Genres der<lb/> Komik,, der unsterbliche Bilboquct hielt aus bis zum letzten Augenblicke und als er<lb/> endlich weichen mußte und seine letzten Lebensjahre als Maire einer Stadt ver¬<lb/> brachte, kannte er keinen angenehmeren Zeitvertreib, als junge Dilettanten abzurich¬<lb/> ten und mit ihnen Komödie zu spielen. Brunek erschien jeden Abend in den<lb/> Coulissen der Varietv, nachdem er lange aufgehört hatte zu spielen. Er kleidete<lb/> sich regelmäßig in das Costüm einer seiner Lieblingsrvllen und sagte mit rührender<lb/> Naivetät: ich bilde mir nnn ein, der Anrufer müsse kommen mich abzuholen und<lb/> das ist auch ein Trost. Eines Abends erbot er sich die Rolle eines Hausherrn zu<lb/> spielen, der hinter der Eonlissc an die Wand zu klopfen, aber gar nicht vor dem<lb/> Publieum zu erscheinen hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_982" next="#ID_983"> Die Schauspielerin denkt an ihre Rolle, während sie in den Topf guckt, sie<lb/> denkt an das Pul'unum, während ihr ein Bourster oder ein Sohn der Legitimität<lb/> sein Herz zu Füßen legt. Den ersten Liebhaber trösten anch die parsiuuirtcsten<lb/> Liebesbriefchen nach so zahlreichen Rendezvous nicht über die Wahrnehmung, daß<lb/> er weniger schmächtig ist, als es seine Rolle verlangte. Der einzige Geliebte, die</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0325]
Thun und Lassen, in ihrer Anschauung genug, um interessante Studien für den
Beobachter abzugeben und die furchtsame Neugierde des Bourgeois zu erwecken. Vor
dem wirklichen Bourgeois haben sie in der That noch nicht allen Nimbus verloren und
wir glauben es Arual gern, daß es ihm jeden Tag dreimal geschehe, auf der Straße In¬
dividuen zu begegnen, die ihn mit verstohlenen Lächeln ansehen und sich vergnügt die
Hände reiben, den Farceur dArnal so schnell erkannt zu haben. Man führt nicht umsonst
ein Leben, dessen größter Theil in den Schöpfungen der Einbildungskraft sich herumtreibt.
Unsre Schauspieler, namentlich die begabten, haben alle ihre Absonderlichkeiten, die
mau hier Tief nennt, sie haben ihre antisoeialen Launen, ihre ausschließliche»
Leidenschaften und die meisten von ihnen bewegen sich, wie die Seeleute auf ihren
Schiffen, nur auf Bretern mit sicherem Behagen. Auch inmitten ihrer bürgerlichen
Speculationen, im' Handclstribunal, auf der Geschwornenbank und im Schilder¬
häuschen vor der Mairie steigt ihnen der Geruch der Oellampe ins Gehirn, sie
sind immer noch Wesen, deren Einbildungskraft eine Landstraße ist, auf der die
sonderbarsten Gestalten im bunten Gewirre durcheinanderziehcn. Sind ein paar
Schauspieler oder Schauspielerinnen zusammen, so wissen sie keinen besseren
Zeitvertreib, als Komödie zu spielen und während der heißesten Zeit, im August,
wenn der geplagte Theaterdirector kaum die Elaque vollzählig ins Haus bringt,
aus die Schauspieler, die keine Rolle haben, kann er rechnen, sie find unter den
Zuschauern, weil die Thcaterlust ihre Lebenslust ist. Diese Existenz hat etwas Be¬
rauschendes und darum verstehen sich unsre Mimen beiderlei Geschlechter so schwer
dazu abzudanken. Den Dionys, den Karl V., den nicht Alter, Krankheit oder sonst
eine unabwendbare Nothwendigkeit zum Abtreten gezwungen, hat die Geschichte des
Schanspielerlebens erst aufzuweisen. Demoiselle Mars, die fünfzigjährige Susanne, für
die der Enthusiasmus ihrer Anbeter den »ewigen Frühling" erfunden hatte, sagte oft
->jo -jiliü ^ni! I'Kkuri! i>e I/> >'L>,i'u>^! ^ fumo folii' um, nun« ucuxx'd«;?. moi onem'e In
I'öl'mission <to dix tlo.nros." Lemaitrc, der keine Zähne, keine Stimme mehr hat,
spielt stumme Rollen, wenn es sein muß. Boceage läßt sich weder von seinem
Alter noch von seinen Renten abhalten wieder auf der Bühne zu erscheinen, sowie
sich die Gelegenheit dazu findet. Odru, der Schöpfer eines eignen Genres der
Komik,, der unsterbliche Bilboquct hielt aus bis zum letzten Augenblicke und als er
endlich weichen mußte und seine letzten Lebensjahre als Maire einer Stadt ver¬
brachte, kannte er keinen angenehmeren Zeitvertreib, als junge Dilettanten abzurich¬
ten und mit ihnen Komödie zu spielen. Brunek erschien jeden Abend in den
Coulissen der Varietv, nachdem er lange aufgehört hatte zu spielen. Er kleidete
sich regelmäßig in das Costüm einer seiner Lieblingsrvllen und sagte mit rührender
Naivetät: ich bilde mir nnn ein, der Anrufer müsse kommen mich abzuholen und
das ist auch ein Trost. Eines Abends erbot er sich die Rolle eines Hausherrn zu
spielen, der hinter der Eonlissc an die Wand zu klopfen, aber gar nicht vor dem
Publieum zu erscheinen hatte.
Die Schauspielerin denkt an ihre Rolle, während sie in den Topf guckt, sie
denkt an das Pul'unum, während ihr ein Bourster oder ein Sohn der Legitimität
sein Herz zu Füßen legt. Den ersten Liebhaber trösten anch die parsiuuirtcsten
Liebesbriefchen nach so zahlreichen Rendezvous nicht über die Wahrnehmung, daß
er weniger schmächtig ist, als es seine Rolle verlangte. Der einzige Geliebte, die
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