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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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dann und wann mit dem Sprachrohr in der Hand auf der "Brücke", d. h. auf
dem schmalen Gange, welcher, von Nadkasten zu Radkasten laufend, zwischen
beiden, über den Maschinenraum hinweg, die Verbindung herstellt. ES war ein
verständiger Manu, der früher auf Lloybschiffen in der Levante gedient und
nun in späteren Jahren diesen ruhigeren Posten erhalten hatte. Wie er mir
sagte, litten die Interessen der Dampfschiffscompagnie ungemein durch die
orientalischen Wirren, und wenn im vorigen Jahre bereits im Fremden¬
verkehr einige Abnahme zu bemerken gewesen sei, habe derselbe nunmehr ganz
aufgehört.

Um Mittag kamen wir an dem bekannten Uebergangspunkt von Turtokan
vorüber. Oltenitza, welches der bulgarischen Stadt gegenüber auf dem wa-
lachischen Ufer gelegen ist, hatte damals (Sommer noch nicht sein mili¬
tärisches Interesse gewonnen. Dagegen war es mir wichtig, die Oertlichkeit
in Rücksicht auf die Bedingungen, unter denen hier eine Strompassage seitens
einer großen Armee stattfinden kann, näher in Augenschein zu nehmen. DaS
Festufer auf der jenseitigen Seite tritt hier etwa auf 930 Schritte an daS bul¬
garische heran und bietet Raum nicht nur für eine, sondern mindestens für
sechs in Distancen parallel nebeneinandergelegene Brücken. Der diesseitige
(türkische) Strand ist hoch und den Abhang entlang ist die Ortschaft Turtokan
angelegt, die etwa Einwohner zählen mag und vom Strome aus gesehen
sich recht freundlich ausnimmt. Mehr als zehn Schiffmühlcn lagen hier in
langer Reihe quer über die Donau hin geankert. Wahrscheinlich benutzte
Omer Pascha sie später als Material, um daraus die verschiedenen Brücken
von den Inseln zum walachischen Ufer, auf die er die Position von Oltenitza
stützte, zu erbauen. Auf der Höhe über der Stadt Turtokan bemerkte ich die
Anfänge einiger von Lloa Pascha Mustapha begonnenen Schanzen, außerdem
""ige Zcltreihen, die zwei hier im Lager stehenden türkischen Bataillonen an¬
gehörten. Wenn die Russen ^damals den Strom hier hätten forciren wollen,
würde es ihnen schwerlich haben gewehrt werden können, denn weit und breit
war keine Truppe vorhanden, welche die erwähnte hätte unterstützen können.

Wenn man über Turtokan hinaus ist, wird der Strom Armer an Inseln.
Das Boot treibt inmitten einer, allenthalben über tausend Schritt breiten, mit
einer Geschwindigkeit von drei bis vier Fuß in der Secunde flutenden Wasser-
"nisse daher, deren Biegungen weniger eckig, mehr rund und voll geworden
siud, zur Rechten das bulgarische Ufer, dem eine dann und wann stundenbreite
flache und mit Wieswachs bedeckte Niederung vorliegt, zur Linken die weite
Ebene der Walachei: wie eine Steppe zu überschauen und einem weit vor¬
geschobenen Vorposten vergleichbar, dem das sarmatische Tiefland in diesen
bergigen Südosten hincingesendet hat. Uebrigens sind beide Gestade meistens
wenschenleer. Nur dann und wann dampft man an einem bulgarischen Dorf,


dann und wann mit dem Sprachrohr in der Hand auf der „Brücke", d. h. auf
dem schmalen Gange, welcher, von Nadkasten zu Radkasten laufend, zwischen
beiden, über den Maschinenraum hinweg, die Verbindung herstellt. ES war ein
verständiger Manu, der früher auf Lloybschiffen in der Levante gedient und
nun in späteren Jahren diesen ruhigeren Posten erhalten hatte. Wie er mir
sagte, litten die Interessen der Dampfschiffscompagnie ungemein durch die
orientalischen Wirren, und wenn im vorigen Jahre bereits im Fremden¬
verkehr einige Abnahme zu bemerken gewesen sei, habe derselbe nunmehr ganz
aufgehört.

Um Mittag kamen wir an dem bekannten Uebergangspunkt von Turtokan
vorüber. Oltenitza, welches der bulgarischen Stadt gegenüber auf dem wa-
lachischen Ufer gelegen ist, hatte damals (Sommer noch nicht sein mili¬
tärisches Interesse gewonnen. Dagegen war es mir wichtig, die Oertlichkeit
in Rücksicht auf die Bedingungen, unter denen hier eine Strompassage seitens
einer großen Armee stattfinden kann, näher in Augenschein zu nehmen. DaS
Festufer auf der jenseitigen Seite tritt hier etwa auf 930 Schritte an daS bul¬
garische heran und bietet Raum nicht nur für eine, sondern mindestens für
sechs in Distancen parallel nebeneinandergelegene Brücken. Der diesseitige
(türkische) Strand ist hoch und den Abhang entlang ist die Ortschaft Turtokan
angelegt, die etwa Einwohner zählen mag und vom Strome aus gesehen
sich recht freundlich ausnimmt. Mehr als zehn Schiffmühlcn lagen hier in
langer Reihe quer über die Donau hin geankert. Wahrscheinlich benutzte
Omer Pascha sie später als Material, um daraus die verschiedenen Brücken
von den Inseln zum walachischen Ufer, auf die er die Position von Oltenitza
stützte, zu erbauen. Auf der Höhe über der Stadt Turtokan bemerkte ich die
Anfänge einiger von Lloa Pascha Mustapha begonnenen Schanzen, außerdem
""ige Zcltreihen, die zwei hier im Lager stehenden türkischen Bataillonen an¬
gehörten. Wenn die Russen ^damals den Strom hier hätten forciren wollen,
würde es ihnen schwerlich haben gewehrt werden können, denn weit und breit
war keine Truppe vorhanden, welche die erwähnte hätte unterstützen können.

Wenn man über Turtokan hinaus ist, wird der Strom Armer an Inseln.
Das Boot treibt inmitten einer, allenthalben über tausend Schritt breiten, mit
einer Geschwindigkeit von drei bis vier Fuß in der Secunde flutenden Wasser-
"nisse daher, deren Biegungen weniger eckig, mehr rund und voll geworden
siud, zur Rechten das bulgarische Ufer, dem eine dann und wann stundenbreite
flache und mit Wieswachs bedeckte Niederung vorliegt, zur Linken die weite
Ebene der Walachei: wie eine Steppe zu überschauen und einem weit vor¬
geschobenen Vorposten vergleichbar, dem das sarmatische Tiefland in diesen
bergigen Südosten hincingesendet hat. Uebrigens sind beide Gestade meistens
wenschenleer. Nur dann und wann dampft man an einem bulgarischen Dorf,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/271>, abgerufen am 08.01.2025.