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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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enthält fast nur die Familiennamen Greiner und Müller, Nachkommen der
ersten Begründer der Hütte und ist in der Geschichte der Glasfabrication
wichtig, auch durch seine vielfachen Erfindungen und durch sein stetes reges
industrielles Leben. In Lauscha entstanden die sogenannte Winkelmalerei, das
Pvrzellanfarbereiben, die Fabrication der Porzellanmärmel und zahlreicher Glas¬
spielwaaren, und die der Glaskugeln oder Glasmärmel, welche allen Continenten
millionenweis zugeführt werden. Aber auch die mit Recht gerühmten schönen
Glasaugen, darunter die künstlichen oder Pariser Menschenaugen, werden in
Laufcha gefertigt. In gleicher Weise wie die Glashütten habe" sich die Por¬
zellanfabriken, die in dem Holz des Waldes und in dem trefflichen Kaolin von
Stcinheid und Reichmannsdorf ihren Haltpunkt besitzen, seit -1763 über den
thüringer Wald ausgedehnt, sind aber wie jene den Schwankungen des Ab¬
satzes nach Außen ausgesetzt, von denen Ebbe und Flut des Verdienstes und
folglich das hungernde oder jubilirende Leben der Fabrikanten abhängt.

Der vierte Nahrungsquell fließt aus der Feldwirtschaft, nicht in dem
südwestlichen Theil des Gebiets, indem hier in den meisten aus Herrnwaldboden
entstandenen Fabrikorten der Ackerbau ganz untergeordnet ist, sondern in dem
nordöstlichen, an Privatgrund reicheren District, wo sich durch feste Flurauf¬
theilung nach Bändern ein geordnetes Güterwesen und dadurch eine Gliederung
der Dörfler in Bauern, Hinterstedler und Hintersassen gebildet hat. Klima
und Boden sind hier im allgemeinen dem Ackerbau wenig günstig, auch eine
rationelle Behandlung des Bodens fehlt und so bleibt der Ertrag der Felder
nur ein mittlerer und deckt weder die Bedürfnisse der Agrardörfer noch die der
Fabrikvrtc. Das Fehlende bezieht der District aus den Main- und Saallanden,
meist von den Märkten zu Coburg, Sonneberg, Saalfeld und Rudolstadt und
dadurch steht er zum nachbarlichen Plattland in naturnothwendiger Abhängig¬
keit. Für die Feldwirthschaft wird hier das Rind und zwar in einigen Strichen
die Kuh, in anderen nur der Ochse verwendet. Pferde gibt es wenig, weil sie
für die steilen Bergwände unbrauchbar sind. Wie die Kargheit der Ackerkrume,
so hat der Wechsel von steilen Höhen und Tiefen hier in der Feldwirthschaft
alles zum Kleinen verurtheilt. Kleine Gclanggüter, kleine Früchte, kleine Gar¬
ben, .kleines Vieh, kleine Wirthschaftswagen, überhaupt kleine Ackergeräthschaften,
deren Maße sich meist zu denen im Plattlande wie 1 zu 3 verhalten. So
hat man zufolge der Steilheit der Bergleiter zweierlei Pflüge, den Beet- und
Wendpflug. In allen diesen Agrarbörsen,- kommen glücklicherweise den geringen
Bauernwirthschaften noch Waldungen zu Hilfe, die Gelegenheit zu verschiedenen
Thätigkeiten, Schieferarbeiten, Bergbau auf Eisen, Olitätenhandel, Prcißelbeer-
verkauf und Fuhrwesen. Von besonderem Interesse ist die Medicamenlenfabri-
cation, die in früherer Zeit für den thüringer Wald höchst einträglich war,
jetzt aber, unter medicinalpolizeiliche Aufsicht gestellt, auf den rudolstädter Amts-


enthält fast nur die Familiennamen Greiner und Müller, Nachkommen der
ersten Begründer der Hütte und ist in der Geschichte der Glasfabrication
wichtig, auch durch seine vielfachen Erfindungen und durch sein stetes reges
industrielles Leben. In Lauscha entstanden die sogenannte Winkelmalerei, das
Pvrzellanfarbereiben, die Fabrication der Porzellanmärmel und zahlreicher Glas¬
spielwaaren, und die der Glaskugeln oder Glasmärmel, welche allen Continenten
millionenweis zugeführt werden. Aber auch die mit Recht gerühmten schönen
Glasaugen, darunter die künstlichen oder Pariser Menschenaugen, werden in
Laufcha gefertigt. In gleicher Weise wie die Glashütten habe» sich die Por¬
zellanfabriken, die in dem Holz des Waldes und in dem trefflichen Kaolin von
Stcinheid und Reichmannsdorf ihren Haltpunkt besitzen, seit -1763 über den
thüringer Wald ausgedehnt, sind aber wie jene den Schwankungen des Ab¬
satzes nach Außen ausgesetzt, von denen Ebbe und Flut des Verdienstes und
folglich das hungernde oder jubilirende Leben der Fabrikanten abhängt.

Der vierte Nahrungsquell fließt aus der Feldwirtschaft, nicht in dem
südwestlichen Theil des Gebiets, indem hier in den meisten aus Herrnwaldboden
entstandenen Fabrikorten der Ackerbau ganz untergeordnet ist, sondern in dem
nordöstlichen, an Privatgrund reicheren District, wo sich durch feste Flurauf¬
theilung nach Bändern ein geordnetes Güterwesen und dadurch eine Gliederung
der Dörfler in Bauern, Hinterstedler und Hintersassen gebildet hat. Klima
und Boden sind hier im allgemeinen dem Ackerbau wenig günstig, auch eine
rationelle Behandlung des Bodens fehlt und so bleibt der Ertrag der Felder
nur ein mittlerer und deckt weder die Bedürfnisse der Agrardörfer noch die der
Fabrikvrtc. Das Fehlende bezieht der District aus den Main- und Saallanden,
meist von den Märkten zu Coburg, Sonneberg, Saalfeld und Rudolstadt und
dadurch steht er zum nachbarlichen Plattland in naturnothwendiger Abhängig¬
keit. Für die Feldwirthschaft wird hier das Rind und zwar in einigen Strichen
die Kuh, in anderen nur der Ochse verwendet. Pferde gibt es wenig, weil sie
für die steilen Bergwände unbrauchbar sind. Wie die Kargheit der Ackerkrume,
so hat der Wechsel von steilen Höhen und Tiefen hier in der Feldwirthschaft
alles zum Kleinen verurtheilt. Kleine Gclanggüter, kleine Früchte, kleine Gar¬
ben, .kleines Vieh, kleine Wirthschaftswagen, überhaupt kleine Ackergeräthschaften,
deren Maße sich meist zu denen im Plattlande wie 1 zu 3 verhalten. So
hat man zufolge der Steilheit der Bergleiter zweierlei Pflüge, den Beet- und
Wendpflug. In allen diesen Agrarbörsen,- kommen glücklicherweise den geringen
Bauernwirthschaften noch Waldungen zu Hilfe, die Gelegenheit zu verschiedenen
Thätigkeiten, Schieferarbeiten, Bergbau auf Eisen, Olitätenhandel, Prcißelbeer-
verkauf und Fuhrwesen. Von besonderem Interesse ist die Medicamenlenfabri-
cation, die in früherer Zeit für den thüringer Wald höchst einträglich war,
jetzt aber, unter medicinalpolizeiliche Aufsicht gestellt, auf den rudolstädter Amts-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/216>, abgerufen am 01.09.2024.