Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

europäische Restauration, etwa im Sinne derer, die man in Varna trifft, vor¬
handen. An Einwohnern wird Schumla etwa 15,000 zählen; in letzter Zeit
haben sich dieselben bedeutend vermindert, indem viele Häuser den Truppen,
dann auch zum Aufstapeln von Vorräthen eingeräumt werden mußten.

Zum Plateau hinauf gelangt man von der Stadt auf zwei Hauptpfadcn,
von denen der eine am rechten Flügel, zunächst dem Dschengellfort, der andere
im Centrum oder im Hintergrunde des Hufeisens gelegen ist. Sie sind beide
zum Reiten geeignet, haben eine ausreichende Breite, um allenfalls mit
Sectionscolonnen darauf marschiren zu können, und die Steigung ist nicht zu groß,
um nicht auch Geschütz auf ihnen transportiren zu können; indeß wird man
für diesen Zweck immerhin einen dritten Weg, welcher vom Dorfe Strandscha
auf dem linken Flügel nach Gildis - Tabia hinaufführt, vorziehen. Alle
diese Verhältnisse sind dem Feind aus der Zeit seiner Occupation auf das
genaueste bekannt, so daß man keinen Anstand nehmen darf, darüber zu
schreiben.

Es war am Tage meiner Ankunft in Schumla, als ich auf dem Pfade des
rechten Flügels zum Plateau hinanritt. Mit jeden hundert Schritten, die das
Pferd vorwärts machte, wurde die Aussicht weiter. Ich war bald über die Höhe
der höchsten Minarets der Stadt hinaus, und bald lag diese sammt der wiesen-
grundigen Ebene und den Befestigungen, die über sie ausgestreut sind, wie ein
bunter Teppich zu meinen Füßen. Dieser Anblick ist unvergleichlich schön, zu¬
mal wenn die Luft klar ist, und in der Ferne der gewaltige Höhenzug, der von
Varna nach Nustschuck läuft, die letzte Parallelkette des Balkans, sich aus
lichtem, wolkenlosem Hintergrunde hervorhebt. Je weiter mein Pferd hinan¬
stieg, desto höher steigerte sich der wunderbare Effect des Bildes. Endlich stand
ich hoch oben aus dem Plateau. Der Grund desselben ist steinig, aber es liegt
eine ausreichende/dicke Humusschicht über dem Boden, um das Fortkommen
des Unterholzes, auch hier und da einzelner großer Stämme, zu ermöglichen.
Uebrigens thun die weidenden und alle jungen Schößlinge abmagerten Ziegen
in Schumla wie anderwärts das Ihrige, um dem Aufkommen eines hohen
Waldwuchses entgegenzuarbeiten.'

Es gibt nur zwei Hauptwege durch dasGestrüppe hindurch. Dieselben
sind eng, und können, wenn man sie nicht etwa neuerdings erweiterte, nur im
Reihenmarsch passirt werden. Ich wählte den mir zunächst gelegenen und ge¬
langte, nachdem ich etwa eine Stunde geritten und einige Lichtungen besehen,
an den rückwärtigen, dem Lager abgewendeten Hang des Berges. Derselbe ist
minder steil, indeß ungleich dichter wie der innere mit Strauch- und Buschwerk
bewachsen. An ein Hinaufkommen mit Cavalerie und Artillerie ist kaum ir¬
gendwo zu denken, mit einziger Ausnahme zweier oder dreier Punkte. Aber
die Uebersicht ist hier nicht so frei wie auf der anderen Seite. Aus Meilen-


europäische Restauration, etwa im Sinne derer, die man in Varna trifft, vor¬
handen. An Einwohnern wird Schumla etwa 15,000 zählen; in letzter Zeit
haben sich dieselben bedeutend vermindert, indem viele Häuser den Truppen,
dann auch zum Aufstapeln von Vorräthen eingeräumt werden mußten.

Zum Plateau hinauf gelangt man von der Stadt auf zwei Hauptpfadcn,
von denen der eine am rechten Flügel, zunächst dem Dschengellfort, der andere
im Centrum oder im Hintergrunde des Hufeisens gelegen ist. Sie sind beide
zum Reiten geeignet, haben eine ausreichende Breite, um allenfalls mit
Sectionscolonnen darauf marschiren zu können, und die Steigung ist nicht zu groß,
um nicht auch Geschütz auf ihnen transportiren zu können; indeß wird man
für diesen Zweck immerhin einen dritten Weg, welcher vom Dorfe Strandscha
auf dem linken Flügel nach Gildis - Tabia hinaufführt, vorziehen. Alle
diese Verhältnisse sind dem Feind aus der Zeit seiner Occupation auf das
genaueste bekannt, so daß man keinen Anstand nehmen darf, darüber zu
schreiben.

Es war am Tage meiner Ankunft in Schumla, als ich auf dem Pfade des
rechten Flügels zum Plateau hinanritt. Mit jeden hundert Schritten, die das
Pferd vorwärts machte, wurde die Aussicht weiter. Ich war bald über die Höhe
der höchsten Minarets der Stadt hinaus, und bald lag diese sammt der wiesen-
grundigen Ebene und den Befestigungen, die über sie ausgestreut sind, wie ein
bunter Teppich zu meinen Füßen. Dieser Anblick ist unvergleichlich schön, zu¬
mal wenn die Luft klar ist, und in der Ferne der gewaltige Höhenzug, der von
Varna nach Nustschuck läuft, die letzte Parallelkette des Balkans, sich aus
lichtem, wolkenlosem Hintergrunde hervorhebt. Je weiter mein Pferd hinan¬
stieg, desto höher steigerte sich der wunderbare Effect des Bildes. Endlich stand
ich hoch oben aus dem Plateau. Der Grund desselben ist steinig, aber es liegt
eine ausreichende/dicke Humusschicht über dem Boden, um das Fortkommen
des Unterholzes, auch hier und da einzelner großer Stämme, zu ermöglichen.
Uebrigens thun die weidenden und alle jungen Schößlinge abmagerten Ziegen
in Schumla wie anderwärts das Ihrige, um dem Aufkommen eines hohen
Waldwuchses entgegenzuarbeiten.'

Es gibt nur zwei Hauptwege durch dasGestrüppe hindurch. Dieselben
sind eng, und können, wenn man sie nicht etwa neuerdings erweiterte, nur im
Reihenmarsch passirt werden. Ich wählte den mir zunächst gelegenen und ge¬
langte, nachdem ich etwa eine Stunde geritten und einige Lichtungen besehen,
an den rückwärtigen, dem Lager abgewendeten Hang des Berges. Derselbe ist
minder steil, indeß ungleich dichter wie der innere mit Strauch- und Buschwerk
bewachsen. An ein Hinaufkommen mit Cavalerie und Artillerie ist kaum ir¬
gendwo zu denken, mit einziger Ausnahme zweier oder dreier Punkte. Aber
die Uebersicht ist hier nicht so frei wie auf der anderen Seite. Aus Meilen-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0198" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/281349"/>
            <p xml:id="ID_619" prev="#ID_618"> europäische Restauration, etwa im Sinne derer, die man in Varna trifft, vor¬<lb/>
handen. An Einwohnern wird Schumla etwa 15,000 zählen; in letzter Zeit<lb/>
haben sich dieselben bedeutend vermindert, indem viele Häuser den Truppen,<lb/>
dann auch zum Aufstapeln von Vorräthen eingeräumt werden mußten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_620"> Zum Plateau hinauf gelangt man von der Stadt auf zwei Hauptpfadcn,<lb/>
von denen der eine am rechten Flügel, zunächst dem Dschengellfort, der andere<lb/>
im Centrum oder im Hintergrunde des Hufeisens gelegen ist. Sie sind beide<lb/>
zum Reiten geeignet, haben eine ausreichende Breite, um allenfalls mit<lb/>
Sectionscolonnen darauf marschiren zu können, und die Steigung ist nicht zu groß,<lb/>
um nicht auch Geschütz auf ihnen transportiren zu können; indeß wird man<lb/>
für diesen Zweck immerhin einen dritten Weg, welcher vom Dorfe Strandscha<lb/>
auf dem linken Flügel nach Gildis - Tabia hinaufführt, vorziehen. Alle<lb/>
diese Verhältnisse sind dem Feind aus der Zeit seiner Occupation auf das<lb/>
genaueste bekannt, so daß man keinen Anstand nehmen darf, darüber zu<lb/>
schreiben.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_621"> Es war am Tage meiner Ankunft in Schumla, als ich auf dem Pfade des<lb/>
rechten Flügels zum Plateau hinanritt. Mit jeden hundert Schritten, die das<lb/>
Pferd vorwärts machte, wurde die Aussicht weiter. Ich war bald über die Höhe<lb/>
der höchsten Minarets der Stadt hinaus, und bald lag diese sammt der wiesen-<lb/>
grundigen Ebene und den Befestigungen, die über sie ausgestreut sind, wie ein<lb/>
bunter Teppich zu meinen Füßen. Dieser Anblick ist unvergleichlich schön, zu¬<lb/>
mal wenn die Luft klar ist, und in der Ferne der gewaltige Höhenzug, der von<lb/>
Varna nach Nustschuck läuft, die letzte Parallelkette des Balkans, sich aus<lb/>
lichtem, wolkenlosem Hintergrunde hervorhebt. Je weiter mein Pferd hinan¬<lb/>
stieg, desto höher steigerte sich der wunderbare Effect des Bildes. Endlich stand<lb/>
ich hoch oben aus dem Plateau. Der Grund desselben ist steinig, aber es liegt<lb/>
eine ausreichende/dicke Humusschicht über dem Boden, um das Fortkommen<lb/>
des Unterholzes, auch hier und da einzelner großer Stämme, zu ermöglichen.<lb/>
Uebrigens thun die weidenden und alle jungen Schößlinge abmagerten Ziegen<lb/>
in Schumla wie anderwärts das Ihrige, um dem Aufkommen eines hohen<lb/>
Waldwuchses entgegenzuarbeiten.'</p><lb/>
            <p xml:id="ID_622" next="#ID_623"> Es gibt nur zwei Hauptwege durch dasGestrüppe hindurch. Dieselben<lb/>
sind eng, und können, wenn man sie nicht etwa neuerdings erweiterte, nur im<lb/>
Reihenmarsch passirt werden. Ich wählte den mir zunächst gelegenen und ge¬<lb/>
langte, nachdem ich etwa eine Stunde geritten und einige Lichtungen besehen,<lb/>
an den rückwärtigen, dem Lager abgewendeten Hang des Berges. Derselbe ist<lb/>
minder steil, indeß ungleich dichter wie der innere mit Strauch- und Buschwerk<lb/>
bewachsen. An ein Hinaufkommen mit Cavalerie und Artillerie ist kaum ir¬<lb/>
gendwo zu denken, mit einziger Ausnahme zweier oder dreier Punkte. Aber<lb/>
die Uebersicht ist hier nicht so frei wie auf der anderen Seite.  Aus Meilen-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0198] europäische Restauration, etwa im Sinne derer, die man in Varna trifft, vor¬ handen. An Einwohnern wird Schumla etwa 15,000 zählen; in letzter Zeit haben sich dieselben bedeutend vermindert, indem viele Häuser den Truppen, dann auch zum Aufstapeln von Vorräthen eingeräumt werden mußten. Zum Plateau hinauf gelangt man von der Stadt auf zwei Hauptpfadcn, von denen der eine am rechten Flügel, zunächst dem Dschengellfort, der andere im Centrum oder im Hintergrunde des Hufeisens gelegen ist. Sie sind beide zum Reiten geeignet, haben eine ausreichende Breite, um allenfalls mit Sectionscolonnen darauf marschiren zu können, und die Steigung ist nicht zu groß, um nicht auch Geschütz auf ihnen transportiren zu können; indeß wird man für diesen Zweck immerhin einen dritten Weg, welcher vom Dorfe Strandscha auf dem linken Flügel nach Gildis - Tabia hinaufführt, vorziehen. Alle diese Verhältnisse sind dem Feind aus der Zeit seiner Occupation auf das genaueste bekannt, so daß man keinen Anstand nehmen darf, darüber zu schreiben. Es war am Tage meiner Ankunft in Schumla, als ich auf dem Pfade des rechten Flügels zum Plateau hinanritt. Mit jeden hundert Schritten, die das Pferd vorwärts machte, wurde die Aussicht weiter. Ich war bald über die Höhe der höchsten Minarets der Stadt hinaus, und bald lag diese sammt der wiesen- grundigen Ebene und den Befestigungen, die über sie ausgestreut sind, wie ein bunter Teppich zu meinen Füßen. Dieser Anblick ist unvergleichlich schön, zu¬ mal wenn die Luft klar ist, und in der Ferne der gewaltige Höhenzug, der von Varna nach Nustschuck läuft, die letzte Parallelkette des Balkans, sich aus lichtem, wolkenlosem Hintergrunde hervorhebt. Je weiter mein Pferd hinan¬ stieg, desto höher steigerte sich der wunderbare Effect des Bildes. Endlich stand ich hoch oben aus dem Plateau. Der Grund desselben ist steinig, aber es liegt eine ausreichende/dicke Humusschicht über dem Boden, um das Fortkommen des Unterholzes, auch hier und da einzelner großer Stämme, zu ermöglichen. Uebrigens thun die weidenden und alle jungen Schößlinge abmagerten Ziegen in Schumla wie anderwärts das Ihrige, um dem Aufkommen eines hohen Waldwuchses entgegenzuarbeiten.' Es gibt nur zwei Hauptwege durch dasGestrüppe hindurch. Dieselben sind eng, und können, wenn man sie nicht etwa neuerdings erweiterte, nur im Reihenmarsch passirt werden. Ich wählte den mir zunächst gelegenen und ge¬ langte, nachdem ich etwa eine Stunde geritten und einige Lichtungen besehen, an den rückwärtigen, dem Lager abgewendeten Hang des Berges. Derselbe ist minder steil, indeß ungleich dichter wie der innere mit Strauch- und Buschwerk bewachsen. An ein Hinaufkommen mit Cavalerie und Artillerie ist kaum ir¬ gendwo zu denken, mit einziger Ausnahme zweier oder dreier Punkte. Aber die Uebersicht ist hier nicht so frei wie auf der anderen Seite. Aus Meilen-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/198
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/198>, abgerufen am 01.09.2024.