Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

bei weitem größere könnte ihm in dieser Hinsicht verliehen werden, wenn man
den Abfluß so weit austiefte, daß Kanonenboote und leichte Dampfer vom
Meere aus einzufahren im Stande wären. Bei einer andern Gelegenheit ge¬
dachte ich des Projectes, einen in Hinsicht auf Tiefe und Breite für Linien¬
schiffe (sie brauchen 30 rheinländ. Fuß Wasser) ausreichenden Durchstich durch
den Isthmus zu führen, infolge dessen der See, welcher eine mittlere Tiefe von
etwa 70 Fuß hat, einer der sichersten Kriegshafen der Welt und gleichzeitig
einer der ausgedehntesten werden würde. Er würde zehnmal so viel fahrbares
Wasser als das goldene Horn bei Konstantinopel umfassen, und in dieser
Hinsicht sich mit Spitheads Rhede, mit Portsmouth, Plymouth, mit dem
Hafen von Pembroke (Mils"rd) und mit-Toulon messen, können. Nur ein
Bassin in Europa würde ihn übertreffen: das vielgegliederte von Cattaro.

In den jetzigen Tagen ist kaum an einen Bau der Art auch nur zu
denken; überhaupt dürften türkische Mittel niemals ausreichend sein, ihn zu
vollenden; aber es ist insofern wichtig, als im Laufe der kommenden Ereignisse,
England und Frankreich eine Flottenstation im schwarzen Meer, nach ge¬
schlossenem Frieden, einrichten dürsten, was sich nur dann ausführen läßt, wenn
für diesen Zweck ein passender Unterkunftsort der Kriegsschiffe und Stapelplatz
für das Material ausfindig gemacht werden kann. Nimmt man den Russen
die Krim und zwingt sie im Frieden zur Abtretung derselben, so ist Sebastopol
ohne Frage der unübertreffliche Stationsplatz eines mächtigen Geschwaders,
bleibt indeß, was immerhin möglich ist, die Krim in Rußlands Händen, so
gibt es keinen andern Punkt als Varna für denselben Zweck, und zwar auf
dem ganzen der Pforte unterworfenen Gestade, dem europäischen wie dem
asiatischen. Man hat an Sinope gedacht, und ohne Frage nahmen englische
Sondirungen daselbst bereits Bezug auf ein etwaiges Kriegöhafenproject;
indeß verlangte dort eine Etablirung der Art unermeßliche Bauten, insbesondere
gewaltige Molen und Wellenbrecher.

Die Reisegesellschaft, der ich angehörte, zumeist Türken, hatte eine Fahrt
den See entlang beschlossen, weshalb am andern Tage nach unsrer Ankunft
aus dem Meere mit großer Mühe einige Barken den Ausfluß hinausgezogen
und binnenwärts gebracht wurden. Es war ein köstlicher Morgen, als wir
uns am Ufer einfanden, um sie zu besteigen. Noch lag ein leichter Nebel gleich
einem dünngewobenen Schleier über der Flut und ließ den See nur zum
Theil, desto klarer aber über denselben hinaus die einschließenden Berge mit
ihren im ersten Sonnenlicht funkelnden Höhen erkennen. stämmige bulgarische
Schiffer führten die Boote. Wir stiegen ein und hatten bald die Mittellinie
des Bassins erreicht, dessen ruhiger Spiegel westwärts nach und nach aus dem
Nebel hervortrat, und meilenweit überschaut werden konnte.

. Wir steuerten quer über den See hinweg und fuhren hieraus dem süd-


bei weitem größere könnte ihm in dieser Hinsicht verliehen werden, wenn man
den Abfluß so weit austiefte, daß Kanonenboote und leichte Dampfer vom
Meere aus einzufahren im Stande wären. Bei einer andern Gelegenheit ge¬
dachte ich des Projectes, einen in Hinsicht auf Tiefe und Breite für Linien¬
schiffe (sie brauchen 30 rheinländ. Fuß Wasser) ausreichenden Durchstich durch
den Isthmus zu führen, infolge dessen der See, welcher eine mittlere Tiefe von
etwa 70 Fuß hat, einer der sichersten Kriegshafen der Welt und gleichzeitig
einer der ausgedehntesten werden würde. Er würde zehnmal so viel fahrbares
Wasser als das goldene Horn bei Konstantinopel umfassen, und in dieser
Hinsicht sich mit Spitheads Rhede, mit Portsmouth, Plymouth, mit dem
Hafen von Pembroke (Mils»rd) und mit-Toulon messen, können. Nur ein
Bassin in Europa würde ihn übertreffen: das vielgegliederte von Cattaro.

In den jetzigen Tagen ist kaum an einen Bau der Art auch nur zu
denken; überhaupt dürften türkische Mittel niemals ausreichend sein, ihn zu
vollenden; aber es ist insofern wichtig, als im Laufe der kommenden Ereignisse,
England und Frankreich eine Flottenstation im schwarzen Meer, nach ge¬
schlossenem Frieden, einrichten dürsten, was sich nur dann ausführen läßt, wenn
für diesen Zweck ein passender Unterkunftsort der Kriegsschiffe und Stapelplatz
für das Material ausfindig gemacht werden kann. Nimmt man den Russen
die Krim und zwingt sie im Frieden zur Abtretung derselben, so ist Sebastopol
ohne Frage der unübertreffliche Stationsplatz eines mächtigen Geschwaders,
bleibt indeß, was immerhin möglich ist, die Krim in Rußlands Händen, so
gibt es keinen andern Punkt als Varna für denselben Zweck, und zwar auf
dem ganzen der Pforte unterworfenen Gestade, dem europäischen wie dem
asiatischen. Man hat an Sinope gedacht, und ohne Frage nahmen englische
Sondirungen daselbst bereits Bezug auf ein etwaiges Kriegöhafenproject;
indeß verlangte dort eine Etablirung der Art unermeßliche Bauten, insbesondere
gewaltige Molen und Wellenbrecher.

Die Reisegesellschaft, der ich angehörte, zumeist Türken, hatte eine Fahrt
den See entlang beschlossen, weshalb am andern Tage nach unsrer Ankunft
aus dem Meere mit großer Mühe einige Barken den Ausfluß hinausgezogen
und binnenwärts gebracht wurden. Es war ein köstlicher Morgen, als wir
uns am Ufer einfanden, um sie zu besteigen. Noch lag ein leichter Nebel gleich
einem dünngewobenen Schleier über der Flut und ließ den See nur zum
Theil, desto klarer aber über denselben hinaus die einschließenden Berge mit
ihren im ersten Sonnenlicht funkelnden Höhen erkennen. stämmige bulgarische
Schiffer führten die Boote. Wir stiegen ein und hatten bald die Mittellinie
des Bassins erreicht, dessen ruhiger Spiegel westwärts nach und nach aus dem
Nebel hervortrat, und meilenweit überschaut werden konnte.

. Wir steuerten quer über den See hinweg und fuhren hieraus dem süd-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0184" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/281335"/>
            <p xml:id="ID_563" prev="#ID_562"> bei weitem größere könnte ihm in dieser Hinsicht verliehen werden, wenn man<lb/>
den Abfluß so weit austiefte, daß Kanonenboote und leichte Dampfer vom<lb/>
Meere aus einzufahren im Stande wären. Bei einer andern Gelegenheit ge¬<lb/>
dachte ich des Projectes, einen in Hinsicht auf Tiefe und Breite für Linien¬<lb/>
schiffe (sie brauchen 30 rheinländ. Fuß Wasser) ausreichenden Durchstich durch<lb/>
den Isthmus zu führen, infolge dessen der See, welcher eine mittlere Tiefe von<lb/>
etwa 70 Fuß hat, einer der sichersten Kriegshafen der Welt und gleichzeitig<lb/>
einer der ausgedehntesten werden würde. Er würde zehnmal so viel fahrbares<lb/>
Wasser als das goldene Horn bei Konstantinopel umfassen, und in dieser<lb/>
Hinsicht sich mit Spitheads Rhede, mit Portsmouth, Plymouth, mit dem<lb/>
Hafen von Pembroke (Mils»rd) und mit-Toulon messen, können. Nur ein<lb/>
Bassin in Europa würde ihn übertreffen: das vielgegliederte von Cattaro.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_564"> In den jetzigen Tagen ist kaum an einen Bau der Art auch nur zu<lb/>
denken; überhaupt dürften türkische Mittel niemals ausreichend sein, ihn zu<lb/>
vollenden; aber es ist insofern wichtig, als im Laufe der kommenden Ereignisse,<lb/>
England und Frankreich eine Flottenstation im schwarzen Meer, nach ge¬<lb/>
schlossenem Frieden, einrichten dürsten, was sich nur dann ausführen läßt, wenn<lb/>
für diesen Zweck ein passender Unterkunftsort der Kriegsschiffe und Stapelplatz<lb/>
für das Material ausfindig gemacht werden kann. Nimmt man den Russen<lb/>
die Krim und zwingt sie im Frieden zur Abtretung derselben, so ist Sebastopol<lb/>
ohne Frage der unübertreffliche Stationsplatz eines mächtigen Geschwaders,<lb/>
bleibt indeß, was immerhin möglich ist, die Krim in Rußlands Händen, so<lb/>
gibt es keinen andern Punkt als Varna für denselben Zweck, und zwar auf<lb/>
dem ganzen der Pforte unterworfenen Gestade, dem europäischen wie dem<lb/>
asiatischen. Man hat an Sinope gedacht, und ohne Frage nahmen englische<lb/>
Sondirungen daselbst bereits Bezug auf ein etwaiges Kriegöhafenproject;<lb/>
indeß verlangte dort eine Etablirung der Art unermeßliche Bauten, insbesondere<lb/>
gewaltige Molen und Wellenbrecher.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_565"> Die Reisegesellschaft, der ich angehörte, zumeist Türken, hatte eine Fahrt<lb/>
den See entlang beschlossen, weshalb am andern Tage nach unsrer Ankunft<lb/>
aus dem Meere mit großer Mühe einige Barken den Ausfluß hinausgezogen<lb/>
und binnenwärts gebracht wurden. Es war ein köstlicher Morgen, als wir<lb/>
uns am Ufer einfanden, um sie zu besteigen. Noch lag ein leichter Nebel gleich<lb/>
einem dünngewobenen Schleier über der Flut und ließ den See nur zum<lb/>
Theil, desto klarer aber über denselben hinaus die einschließenden Berge mit<lb/>
ihren im ersten Sonnenlicht funkelnden Höhen erkennen. stämmige bulgarische<lb/>
Schiffer führten die Boote. Wir stiegen ein und hatten bald die Mittellinie<lb/>
des Bassins erreicht, dessen ruhiger Spiegel westwärts nach und nach aus dem<lb/>
Nebel hervortrat, und meilenweit überschaut werden konnte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_566" next="#ID_567"> .  Wir steuerten quer über den See hinweg und fuhren hieraus dem süd-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0184] bei weitem größere könnte ihm in dieser Hinsicht verliehen werden, wenn man den Abfluß so weit austiefte, daß Kanonenboote und leichte Dampfer vom Meere aus einzufahren im Stande wären. Bei einer andern Gelegenheit ge¬ dachte ich des Projectes, einen in Hinsicht auf Tiefe und Breite für Linien¬ schiffe (sie brauchen 30 rheinländ. Fuß Wasser) ausreichenden Durchstich durch den Isthmus zu führen, infolge dessen der See, welcher eine mittlere Tiefe von etwa 70 Fuß hat, einer der sichersten Kriegshafen der Welt und gleichzeitig einer der ausgedehntesten werden würde. Er würde zehnmal so viel fahrbares Wasser als das goldene Horn bei Konstantinopel umfassen, und in dieser Hinsicht sich mit Spitheads Rhede, mit Portsmouth, Plymouth, mit dem Hafen von Pembroke (Mils»rd) und mit-Toulon messen, können. Nur ein Bassin in Europa würde ihn übertreffen: das vielgegliederte von Cattaro. In den jetzigen Tagen ist kaum an einen Bau der Art auch nur zu denken; überhaupt dürften türkische Mittel niemals ausreichend sein, ihn zu vollenden; aber es ist insofern wichtig, als im Laufe der kommenden Ereignisse, England und Frankreich eine Flottenstation im schwarzen Meer, nach ge¬ schlossenem Frieden, einrichten dürsten, was sich nur dann ausführen läßt, wenn für diesen Zweck ein passender Unterkunftsort der Kriegsschiffe und Stapelplatz für das Material ausfindig gemacht werden kann. Nimmt man den Russen die Krim und zwingt sie im Frieden zur Abtretung derselben, so ist Sebastopol ohne Frage der unübertreffliche Stationsplatz eines mächtigen Geschwaders, bleibt indeß, was immerhin möglich ist, die Krim in Rußlands Händen, so gibt es keinen andern Punkt als Varna für denselben Zweck, und zwar auf dem ganzen der Pforte unterworfenen Gestade, dem europäischen wie dem asiatischen. Man hat an Sinope gedacht, und ohne Frage nahmen englische Sondirungen daselbst bereits Bezug auf ein etwaiges Kriegöhafenproject; indeß verlangte dort eine Etablirung der Art unermeßliche Bauten, insbesondere gewaltige Molen und Wellenbrecher. Die Reisegesellschaft, der ich angehörte, zumeist Türken, hatte eine Fahrt den See entlang beschlossen, weshalb am andern Tage nach unsrer Ankunft aus dem Meere mit großer Mühe einige Barken den Ausfluß hinausgezogen und binnenwärts gebracht wurden. Es war ein köstlicher Morgen, als wir uns am Ufer einfanden, um sie zu besteigen. Noch lag ein leichter Nebel gleich einem dünngewobenen Schleier über der Flut und ließ den See nur zum Theil, desto klarer aber über denselben hinaus die einschließenden Berge mit ihren im ersten Sonnenlicht funkelnden Höhen erkennen. stämmige bulgarische Schiffer führten die Boote. Wir stiegen ein und hatten bald die Mittellinie des Bassins erreicht, dessen ruhiger Spiegel westwärts nach und nach aus dem Nebel hervortrat, und meilenweit überschaut werden konnte. . Wir steuerten quer über den See hinweg und fuhren hieraus dem süd-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/184
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/184>, abgerufen am 09.11.2024.