Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.ungehört, und, mit Schmerz sei es gesagt, vom größeren Theile der Nation Heute nun, nachdem vierzig Jahre darüber vergangen, Nußland durch Heißt ein solches Eingeständniß nicht diejenigen des Hochverraths zeihen, Es ist wahr, Kaiser Nikolaus hat durch ein weit ausgedehntes Chaussee¬ Es ist nicht abzusehen, daß man bei dem Mangel an aller strategischen ungehört, und, mit Schmerz sei es gesagt, vom größeren Theile der Nation Heute nun, nachdem vierzig Jahre darüber vergangen, Nußland durch Heißt ein solches Eingeständniß nicht diejenigen des Hochverraths zeihen, Es ist wahr, Kaiser Nikolaus hat durch ein weit ausgedehntes Chaussee¬ Es ist nicht abzusehen, daß man bei dem Mangel an aller strategischen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0182" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/281333"/> <p xml:id="ID_553" prev="#ID_552"> ungehört, und, mit Schmerz sei es gesagt, vom größeren Theile der Nation<lb/> unverstanden; andere Organe wurden unterdrückt. Es war die Zeit, wo die<lb/> „heilige Allianz" unseligen Andenkens eben ins Leben getreten war, und die<lb/> deutschen Fürsten im besonderen im engen Anschließen an Rußland ihr Interesse<lb/> — es war freilich kein nationales! — zu wahren meinten.</p><lb/> <p xml:id="ID_554"> Heute nun, nachdem vierzig Jahre darüber vergangen, Nußland durch<lb/> unerhörte Frevel gegen Völkerrecht und Verträge sich die europäische Acht ver¬<lb/> dient und im Vertrauen aus den Anschluß der deutschen Mächte, aber auch<lb/> ohne diesen deS Sieges gewiß, England und Frankreich ihm den Krieg erklärt<lb/> haben, — heute verkünden, wenn nicht dieselben Männer, so doch die Partei¬<lb/> genossen und Nachkommen derer, welche die Ueberlassung Polens an Nußland<lb/> damals sür durchaus unverfänglich hielten, eben diesen Besitz in russischer Hand<lb/> sür ein so starkes Bollwerk des Zarenreiches, daß an einen Angriff von dieser<lb/> Seite her nicht gedacht werden könne, ja daß man bei der Nähe der russischen<lb/> Grenze an Breslau und selbst an Berlin einen östlichen Krieg am meisten ver¬<lb/> meiden müsse.</p><lb/> <p xml:id="ID_555"> Heißt ein solches Eingeständniß nicht diejenigen des Hochverraths zeihen,<lb/> welche die Congreßacte unterschrieben, und zwar um so mehr, wenn die uns von<lb/> Russisch-Polen her drohenden Gefahren erst seit Ausbau der dortigen grandiosen<lb/> Festungen ihren Anfang genommen haben? Wäre es nicht unter solchen Um¬<lb/> ständen Pflicht der Rathgeber sowol der preußischen als östreichischen Krone<lb/> gewesen, auf einen Krieg bis zum letzten Mann um diesen Besitz zu dringen,<lb/> und eher die Wiederaufrichtung Polens zu proclamiren, als in den Anfall<lb/> seines Haupttheils an Nußland zu willigen?!</p><lb/> <p xml:id="ID_556"> Es ist wahr, Kaiser Nikolaus hat durch ein weit ausgedehntes Chaussee¬<lb/> netz und ein noch großartigeres von festen Plätzen sich eine wunderbar trefflich<lb/> gelegene Basis für Defensiv- und Ossensivoperationen in Polen geschaffen. Das<lb/> starke Lowicz ist weit gegen Posen vorgeschoben und deckt Warschau wie ein<lb/> Schild gegen den Stoß von Westen her, indeß nur dann, wenn sich in jener<lb/> Festung eine starke und wohlgeführte Besatzung befindet. Das Führertalent,<lb/> welches an der Donau russischerseits producirt worden, wird indeß schwerlich<lb/> ausreichen, um eine von der Warthe aus gegen Osten vperirende preußische<lb/> Armee vor Lowicz zum Stillstehen zu bringen. Man läßt ein gleich starkes<lb/> oder auch nur annähernd dieselbe Stärke erreichendes Corps vor seinen Mauern,<lb/> nicht um sie einzuschließen, sondern nur mit der Bestimmung: sie zu beobachten,<lb/> zurück: voila Wut! Der Rest der Armee geht weiter.</p><lb/> <p xml:id="ID_557" next="#ID_558"> Es ist nicht abzusehen, daß man bei dem Mangel an aller strategischen<lb/> Combinationsgabe russischerseits genöthigt sein sollte, gegen Motum und Jwan-<lb/> gorod, gegen Sierock und die Alerandercitadelle nebst Praga anders zu ver¬<lb/> fahren. Zamoscz endlich wird man kaum mit einem Beobachtungscorps be-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0182]
ungehört, und, mit Schmerz sei es gesagt, vom größeren Theile der Nation
unverstanden; andere Organe wurden unterdrückt. Es war die Zeit, wo die
„heilige Allianz" unseligen Andenkens eben ins Leben getreten war, und die
deutschen Fürsten im besonderen im engen Anschließen an Rußland ihr Interesse
— es war freilich kein nationales! — zu wahren meinten.
Heute nun, nachdem vierzig Jahre darüber vergangen, Nußland durch
unerhörte Frevel gegen Völkerrecht und Verträge sich die europäische Acht ver¬
dient und im Vertrauen aus den Anschluß der deutschen Mächte, aber auch
ohne diesen deS Sieges gewiß, England und Frankreich ihm den Krieg erklärt
haben, — heute verkünden, wenn nicht dieselben Männer, so doch die Partei¬
genossen und Nachkommen derer, welche die Ueberlassung Polens an Nußland
damals sür durchaus unverfänglich hielten, eben diesen Besitz in russischer Hand
sür ein so starkes Bollwerk des Zarenreiches, daß an einen Angriff von dieser
Seite her nicht gedacht werden könne, ja daß man bei der Nähe der russischen
Grenze an Breslau und selbst an Berlin einen östlichen Krieg am meisten ver¬
meiden müsse.
Heißt ein solches Eingeständniß nicht diejenigen des Hochverraths zeihen,
welche die Congreßacte unterschrieben, und zwar um so mehr, wenn die uns von
Russisch-Polen her drohenden Gefahren erst seit Ausbau der dortigen grandiosen
Festungen ihren Anfang genommen haben? Wäre es nicht unter solchen Um¬
ständen Pflicht der Rathgeber sowol der preußischen als östreichischen Krone
gewesen, auf einen Krieg bis zum letzten Mann um diesen Besitz zu dringen,
und eher die Wiederaufrichtung Polens zu proclamiren, als in den Anfall
seines Haupttheils an Nußland zu willigen?!
Es ist wahr, Kaiser Nikolaus hat durch ein weit ausgedehntes Chaussee¬
netz und ein noch großartigeres von festen Plätzen sich eine wunderbar trefflich
gelegene Basis für Defensiv- und Ossensivoperationen in Polen geschaffen. Das
starke Lowicz ist weit gegen Posen vorgeschoben und deckt Warschau wie ein
Schild gegen den Stoß von Westen her, indeß nur dann, wenn sich in jener
Festung eine starke und wohlgeführte Besatzung befindet. Das Führertalent,
welches an der Donau russischerseits producirt worden, wird indeß schwerlich
ausreichen, um eine von der Warthe aus gegen Osten vperirende preußische
Armee vor Lowicz zum Stillstehen zu bringen. Man läßt ein gleich starkes
oder auch nur annähernd dieselbe Stärke erreichendes Corps vor seinen Mauern,
nicht um sie einzuschließen, sondern nur mit der Bestimmung: sie zu beobachten,
zurück: voila Wut! Der Rest der Armee geht weiter.
Es ist nicht abzusehen, daß man bei dem Mangel an aller strategischen
Combinationsgabe russischerseits genöthigt sein sollte, gegen Motum und Jwan-
gorod, gegen Sierock und die Alerandercitadelle nebst Praga anders zu ver¬
fahren. Zamoscz endlich wird man kaum mit einem Beobachtungscorps be-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |