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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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ses Landes Anwendung findenden Gemälde, aber nichtsdestoweniger hat es einige
Eigenthümlichkeiten voraus. Es besitzt vor allem mehre Thürme, unter denen ein
ziemlich hoher Uhr- (um nicht zu sagen Glocken-) Thurm. Er ist roth angestrichen,
wie ich vermuthe mit Ochsenblut, und es ist nicht daran zu zweifeln, daß er
den Türken um dieses Umstandes willen sehr imponirt. Die Uhr verkündet
türkische Zeit. Sodann befinden sich hier einige Konaks (Herrenhäuser), die
von außen recht freundlich aussehen, und auch in Stambul für hübsch gefun¬
den werden würden. Unter allen war indeß der Konak, in dem wir unser
Nachtlager genommen, bei weitem der größte und eleganteste, wenn auch seit
lange schon im mehr und mehr um sich greifenden Verfall. Er stößt nicht
unmittelbar an die Straße, sondern man gelangt durch einen geräumigen Hof
zu der Treppe, welche nach der Veranda im oberen Stock hinanführt. Dieselbe
umfaßt die ganze, ziemlich breite Fronte des Hauses, hat, wie bemerkt, in der
Mitte einen Springbrunnen mit umlaufenden Sitzbänken und steht in offener
Verbindung mit einem weitläufigen, aber ziemlich finstern Corridor, zu dem hier
alle Thüren der Gemächer des KonakS führen. Im Hintergrunde liegt die Küche,
das Bad, welches in großen Häusern nie fehlt, und eine Anzahl Kammern für
die Diener. Die Staatszimmer sind rechts und links, zunächst der Veranda
gelegen. In dem links pflegt Omer Pascha logirt zu werden, wenn er hier
übernachtet; der Boden ist mit einem sauberen Teppich bedeckt, und die umlau¬
fenden Divane haben Bezüge von Wolle, im Unterschiede von dem sonst all¬
gemein angewendeten, groß- und bunt-musterigen Kattun.

Nachdem jeder in seinem Zimmer Toilette gemacht, verkündete ein Sklave
des Hausbesitzers, daß das Frühstück am Springbrunnen aufgetragen werden
solle. Es war besonders delicat, bestand aus über dreißig Schüsseln und
machte dem Konak alle Ehre. Für diejenigen Ihrer Leserinnen, deren häus¬
liche Direction sich auch über die Küche erstreckt, bemerke ich, daß die Damen
im Harem des Suleiman Bei, unsres gastfreien Wirths, sich in der Kunst
ausgezeichneter, mit Confitüren belegter Crüme producivt hatten.

Als militärischer Punkt hat Rasgrad kaum eine andere Bedeutung wie
die, daß es auf dem Wege von Schumla nach Nustschuck Station macht. Es
befinden sich im Orte keine auf die Landesvertheidigung Bezug habende An¬
stalten, mit Ausnahme einer Salpeterfabrik, die auf Staatskosten betrieben
wird und in einem alten von Grund aus massiven Gebäude etablirt ist. Die¬
selbe steht, wenn ich nicht irre, unter der Leitung eines Jtalieners.

Die Bauart der türkischen Ortschaften bedingt, daß sie sich ungemein weit
ausdehnen, ohne darum eine bedeutende Bevölkerung einzuschließen. Zumal
Rasgrad stellt stellenweise einen langen fadenförmigen Stadtanbau dar. Die
Straßen sind auf weite Strecken hin geflastert und wo dies nicht der Fall ist,
läuft an den Häusern ein mit Steinen belegter Pfad entlang. Außerdem fus-


ses Landes Anwendung findenden Gemälde, aber nichtsdestoweniger hat es einige
Eigenthümlichkeiten voraus. Es besitzt vor allem mehre Thürme, unter denen ein
ziemlich hoher Uhr- (um nicht zu sagen Glocken-) Thurm. Er ist roth angestrichen,
wie ich vermuthe mit Ochsenblut, und es ist nicht daran zu zweifeln, daß er
den Türken um dieses Umstandes willen sehr imponirt. Die Uhr verkündet
türkische Zeit. Sodann befinden sich hier einige Konaks (Herrenhäuser), die
von außen recht freundlich aussehen, und auch in Stambul für hübsch gefun¬
den werden würden. Unter allen war indeß der Konak, in dem wir unser
Nachtlager genommen, bei weitem der größte und eleganteste, wenn auch seit
lange schon im mehr und mehr um sich greifenden Verfall. Er stößt nicht
unmittelbar an die Straße, sondern man gelangt durch einen geräumigen Hof
zu der Treppe, welche nach der Veranda im oberen Stock hinanführt. Dieselbe
umfaßt die ganze, ziemlich breite Fronte des Hauses, hat, wie bemerkt, in der
Mitte einen Springbrunnen mit umlaufenden Sitzbänken und steht in offener
Verbindung mit einem weitläufigen, aber ziemlich finstern Corridor, zu dem hier
alle Thüren der Gemächer des KonakS führen. Im Hintergrunde liegt die Küche,
das Bad, welches in großen Häusern nie fehlt, und eine Anzahl Kammern für
die Diener. Die Staatszimmer sind rechts und links, zunächst der Veranda
gelegen. In dem links pflegt Omer Pascha logirt zu werden, wenn er hier
übernachtet; der Boden ist mit einem sauberen Teppich bedeckt, und die umlau¬
fenden Divane haben Bezüge von Wolle, im Unterschiede von dem sonst all¬
gemein angewendeten, groß- und bunt-musterigen Kattun.

Nachdem jeder in seinem Zimmer Toilette gemacht, verkündete ein Sklave
des Hausbesitzers, daß das Frühstück am Springbrunnen aufgetragen werden
solle. Es war besonders delicat, bestand aus über dreißig Schüsseln und
machte dem Konak alle Ehre. Für diejenigen Ihrer Leserinnen, deren häus¬
liche Direction sich auch über die Küche erstreckt, bemerke ich, daß die Damen
im Harem des Suleiman Bei, unsres gastfreien Wirths, sich in der Kunst
ausgezeichneter, mit Confitüren belegter Crüme producivt hatten.

Als militärischer Punkt hat Rasgrad kaum eine andere Bedeutung wie
die, daß es auf dem Wege von Schumla nach Nustschuck Station macht. Es
befinden sich im Orte keine auf die Landesvertheidigung Bezug habende An¬
stalten, mit Ausnahme einer Salpeterfabrik, die auf Staatskosten betrieben
wird und in einem alten von Grund aus massiven Gebäude etablirt ist. Die¬
selbe steht, wenn ich nicht irre, unter der Leitung eines Jtalieners.

Die Bauart der türkischen Ortschaften bedingt, daß sie sich ungemein weit
ausdehnen, ohne darum eine bedeutende Bevölkerung einzuschließen. Zumal
Rasgrad stellt stellenweise einen langen fadenförmigen Stadtanbau dar. Die
Straßen sind auf weite Strecken hin geflastert und wo dies nicht der Fall ist,
läuft an den Häusern ein mit Steinen belegter Pfad entlang. Außerdem fus-


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[0158] ses Landes Anwendung findenden Gemälde, aber nichtsdestoweniger hat es einige Eigenthümlichkeiten voraus. Es besitzt vor allem mehre Thürme, unter denen ein ziemlich hoher Uhr- (um nicht zu sagen Glocken-) Thurm. Er ist roth angestrichen, wie ich vermuthe mit Ochsenblut, und es ist nicht daran zu zweifeln, daß er den Türken um dieses Umstandes willen sehr imponirt. Die Uhr verkündet türkische Zeit. Sodann befinden sich hier einige Konaks (Herrenhäuser), die von außen recht freundlich aussehen, und auch in Stambul für hübsch gefun¬ den werden würden. Unter allen war indeß der Konak, in dem wir unser Nachtlager genommen, bei weitem der größte und eleganteste, wenn auch seit lange schon im mehr und mehr um sich greifenden Verfall. Er stößt nicht unmittelbar an die Straße, sondern man gelangt durch einen geräumigen Hof zu der Treppe, welche nach der Veranda im oberen Stock hinanführt. Dieselbe umfaßt die ganze, ziemlich breite Fronte des Hauses, hat, wie bemerkt, in der Mitte einen Springbrunnen mit umlaufenden Sitzbänken und steht in offener Verbindung mit einem weitläufigen, aber ziemlich finstern Corridor, zu dem hier alle Thüren der Gemächer des KonakS führen. Im Hintergrunde liegt die Küche, das Bad, welches in großen Häusern nie fehlt, und eine Anzahl Kammern für die Diener. Die Staatszimmer sind rechts und links, zunächst der Veranda gelegen. In dem links pflegt Omer Pascha logirt zu werden, wenn er hier übernachtet; der Boden ist mit einem sauberen Teppich bedeckt, und die umlau¬ fenden Divane haben Bezüge von Wolle, im Unterschiede von dem sonst all¬ gemein angewendeten, groß- und bunt-musterigen Kattun. Nachdem jeder in seinem Zimmer Toilette gemacht, verkündete ein Sklave des Hausbesitzers, daß das Frühstück am Springbrunnen aufgetragen werden solle. Es war besonders delicat, bestand aus über dreißig Schüsseln und machte dem Konak alle Ehre. Für diejenigen Ihrer Leserinnen, deren häus¬ liche Direction sich auch über die Küche erstreckt, bemerke ich, daß die Damen im Harem des Suleiman Bei, unsres gastfreien Wirths, sich in der Kunst ausgezeichneter, mit Confitüren belegter Crüme producivt hatten. Als militärischer Punkt hat Rasgrad kaum eine andere Bedeutung wie die, daß es auf dem Wege von Schumla nach Nustschuck Station macht. Es befinden sich im Orte keine auf die Landesvertheidigung Bezug habende An¬ stalten, mit Ausnahme einer Salpeterfabrik, die auf Staatskosten betrieben wird und in einem alten von Grund aus massiven Gebäude etablirt ist. Die¬ selbe steht, wenn ich nicht irre, unter der Leitung eines Jtalieners. Die Bauart der türkischen Ortschaften bedingt, daß sie sich ungemein weit ausdehnen, ohne darum eine bedeutende Bevölkerung einzuschließen. Zumal Rasgrad stellt stellenweise einen langen fadenförmigen Stadtanbau dar. Die Straßen sind auf weite Strecken hin geflastert und wo dies nicht der Fall ist, läuft an den Häusern ein mit Steinen belegter Pfad entlang. Außerdem fus-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/158>, abgerufen am 09.11.2024.