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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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sicherer zu lösen vermöchte, als es archäologische und philologische Untersuchungen
bisher im Stande waren. Der Verfasser derselben ist der in Dresden lebende
Hr. Friedrich Rover, ein Sohn des ehemals so hochgeachteten Professors der
Baukunst an der Akademie zu Dresden, Friedr. Gottlob Roher. Bei dem in
Paris im Jahre 1833 plötzlich erfolgten Tode des letzteren hinterließ derselbe
ein nur zum Theil vollendetes Werk, welches seine langjährigen Nachforschungen
über die gesetzmäßige Gestaltung in der Natur enthielt. In diesem Werke
stellte er einen von ihm entdeckten und für das Formationsgesetz höchst wich¬
tigen geometrischen Elementarsatz aus und bewies durch Anwendung desselben
auf die architektonischen Formen des Tempels von Edfu, daß er den Ae-
gyptern bereits bekannt sei. Infolge dessen wurde in Hrn. Roher jun. der
Wunsch rege, auch in den übrigen Tempeln Aegyptens die vorhandenen geo¬
metrischen Constructionen auszusuchen und sie als einen Beitrag zur Förderung
ägyptischer Alterthumskunde und zu weiterer Forschung in größeren Kreisen
bekannt zu machen. Die deshalb von dem Verfasser angestellten mühsamen
Untersuchungen wurden von dem besten Erfolge gekrönt, indem derselbe wirklich
die geometrischen Größenverbindungen fand, nach deren einzelnen Verhältnissen
alle jene berühmten Denkmäler altägyptischer Baukunst construirt worden sind.
Diese geometrischen Größen aber gehen sämmtlich aus der Construction
eines Triangels mit dreifacher Winkelpotenz hervor, welche letztere
also, wie Hr. Roher mit außerordentlichem Scharfsinn ausführt, als der
eigentliche Schlüssel zur Aufsindung der Größenverhältnisse aller einzelnen
Theile der altägyptischen Tempel betrachtet werden muß. Den Beweis dafür
gibt der Versasser bei der Beschreibung der Tempel von Edfu, von Dendera,
von Karnak und des Rhamesseion dadurch, daß er die aus jenen Constructionen
gewonnenen Größen in Zahlenverhältnissen ausdrückt, deren oft sehr mühsame
Berechnung auf eine auffällige Weise mit den schon früher bekannten französi¬
schen Messungen übereinstimmen. Die hier oder da vorkommenden Differenzen
sprechen sich meist nur in Hunderteln oder Tausendeln aus, und sind daher
kaum der Beachtung werth. Es würde zu weit führen und dem Zwecke dieser
Mittheilung wenig entsprechen, wollten wir dem Werke eine Reihe einzelner
Beispiele zu besonderer Darlegung der oben ausgesprochenen Angaben ent¬
lehnen, vielmehr müssen wir in dieser Beziehung den Freund der Alterthums¬
forschung auf die Schrift selbst verweisen. Ebensowenig sind wir gemeint,
einen Auszug aus der so trefflich ausgearbeiteten Einleitung zu geben; nur
soviel sei von ihr bemerkt, daß Hr. Roher sich bemüht, gestützt auf ver¬
schiedene Angaben der wichtigsten Schriftsteller des Alterthums, darzuthun, daß
die alten Aegypter bei allen ihren Tempelbauten bis herab in die Periode der
ersten Cesaren eine ebenso bestimmte als deutlich erkannte geometrische und Natur¬
kenntniß geleitet haben müsse. Allerdings wird diese Behauptung vielleicht bet


Greuzlwte". III. I8si. 19

sicherer zu lösen vermöchte, als es archäologische und philologische Untersuchungen
bisher im Stande waren. Der Verfasser derselben ist der in Dresden lebende
Hr. Friedrich Rover, ein Sohn des ehemals so hochgeachteten Professors der
Baukunst an der Akademie zu Dresden, Friedr. Gottlob Roher. Bei dem in
Paris im Jahre 1833 plötzlich erfolgten Tode des letzteren hinterließ derselbe
ein nur zum Theil vollendetes Werk, welches seine langjährigen Nachforschungen
über die gesetzmäßige Gestaltung in der Natur enthielt. In diesem Werke
stellte er einen von ihm entdeckten und für das Formationsgesetz höchst wich¬
tigen geometrischen Elementarsatz aus und bewies durch Anwendung desselben
auf die architektonischen Formen des Tempels von Edfu, daß er den Ae-
gyptern bereits bekannt sei. Infolge dessen wurde in Hrn. Roher jun. der
Wunsch rege, auch in den übrigen Tempeln Aegyptens die vorhandenen geo¬
metrischen Constructionen auszusuchen und sie als einen Beitrag zur Förderung
ägyptischer Alterthumskunde und zu weiterer Forschung in größeren Kreisen
bekannt zu machen. Die deshalb von dem Verfasser angestellten mühsamen
Untersuchungen wurden von dem besten Erfolge gekrönt, indem derselbe wirklich
die geometrischen Größenverbindungen fand, nach deren einzelnen Verhältnissen
alle jene berühmten Denkmäler altägyptischer Baukunst construirt worden sind.
Diese geometrischen Größen aber gehen sämmtlich aus der Construction
eines Triangels mit dreifacher Winkelpotenz hervor, welche letztere
also, wie Hr. Roher mit außerordentlichem Scharfsinn ausführt, als der
eigentliche Schlüssel zur Aufsindung der Größenverhältnisse aller einzelnen
Theile der altägyptischen Tempel betrachtet werden muß. Den Beweis dafür
gibt der Versasser bei der Beschreibung der Tempel von Edfu, von Dendera,
von Karnak und des Rhamesseion dadurch, daß er die aus jenen Constructionen
gewonnenen Größen in Zahlenverhältnissen ausdrückt, deren oft sehr mühsame
Berechnung auf eine auffällige Weise mit den schon früher bekannten französi¬
schen Messungen übereinstimmen. Die hier oder da vorkommenden Differenzen
sprechen sich meist nur in Hunderteln oder Tausendeln aus, und sind daher
kaum der Beachtung werth. Es würde zu weit führen und dem Zwecke dieser
Mittheilung wenig entsprechen, wollten wir dem Werke eine Reihe einzelner
Beispiele zu besonderer Darlegung der oben ausgesprochenen Angaben ent¬
lehnen, vielmehr müssen wir in dieser Beziehung den Freund der Alterthums¬
forschung auf die Schrift selbst verweisen. Ebensowenig sind wir gemeint,
einen Auszug aus der so trefflich ausgearbeiteten Einleitung zu geben; nur
soviel sei von ihr bemerkt, daß Hr. Roher sich bemüht, gestützt auf ver¬
schiedene Angaben der wichtigsten Schriftsteller des Alterthums, darzuthun, daß
die alten Aegypter bei allen ihren Tempelbauten bis herab in die Periode der
ersten Cesaren eine ebenso bestimmte als deutlich erkannte geometrische und Natur¬
kenntniß geleitet haben müsse. Allerdings wird diese Behauptung vielleicht bet


Greuzlwte». III. I8si. 19
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[0153] sicherer zu lösen vermöchte, als es archäologische und philologische Untersuchungen bisher im Stande waren. Der Verfasser derselben ist der in Dresden lebende Hr. Friedrich Rover, ein Sohn des ehemals so hochgeachteten Professors der Baukunst an der Akademie zu Dresden, Friedr. Gottlob Roher. Bei dem in Paris im Jahre 1833 plötzlich erfolgten Tode des letzteren hinterließ derselbe ein nur zum Theil vollendetes Werk, welches seine langjährigen Nachforschungen über die gesetzmäßige Gestaltung in der Natur enthielt. In diesem Werke stellte er einen von ihm entdeckten und für das Formationsgesetz höchst wich¬ tigen geometrischen Elementarsatz aus und bewies durch Anwendung desselben auf die architektonischen Formen des Tempels von Edfu, daß er den Ae- gyptern bereits bekannt sei. Infolge dessen wurde in Hrn. Roher jun. der Wunsch rege, auch in den übrigen Tempeln Aegyptens die vorhandenen geo¬ metrischen Constructionen auszusuchen und sie als einen Beitrag zur Förderung ägyptischer Alterthumskunde und zu weiterer Forschung in größeren Kreisen bekannt zu machen. Die deshalb von dem Verfasser angestellten mühsamen Untersuchungen wurden von dem besten Erfolge gekrönt, indem derselbe wirklich die geometrischen Größenverbindungen fand, nach deren einzelnen Verhältnissen alle jene berühmten Denkmäler altägyptischer Baukunst construirt worden sind. Diese geometrischen Größen aber gehen sämmtlich aus der Construction eines Triangels mit dreifacher Winkelpotenz hervor, welche letztere also, wie Hr. Roher mit außerordentlichem Scharfsinn ausführt, als der eigentliche Schlüssel zur Aufsindung der Größenverhältnisse aller einzelnen Theile der altägyptischen Tempel betrachtet werden muß. Den Beweis dafür gibt der Versasser bei der Beschreibung der Tempel von Edfu, von Dendera, von Karnak und des Rhamesseion dadurch, daß er die aus jenen Constructionen gewonnenen Größen in Zahlenverhältnissen ausdrückt, deren oft sehr mühsame Berechnung auf eine auffällige Weise mit den schon früher bekannten französi¬ schen Messungen übereinstimmen. Die hier oder da vorkommenden Differenzen sprechen sich meist nur in Hunderteln oder Tausendeln aus, und sind daher kaum der Beachtung werth. Es würde zu weit führen und dem Zwecke dieser Mittheilung wenig entsprechen, wollten wir dem Werke eine Reihe einzelner Beispiele zu besonderer Darlegung der oben ausgesprochenen Angaben ent¬ lehnen, vielmehr müssen wir in dieser Beziehung den Freund der Alterthums¬ forschung auf die Schrift selbst verweisen. Ebensowenig sind wir gemeint, einen Auszug aus der so trefflich ausgearbeiteten Einleitung zu geben; nur soviel sei von ihr bemerkt, daß Hr. Roher sich bemüht, gestützt auf ver¬ schiedene Angaben der wichtigsten Schriftsteller des Alterthums, darzuthun, daß die alten Aegypter bei allen ihren Tempelbauten bis herab in die Periode der ersten Cesaren eine ebenso bestimmte als deutlich erkannte geometrische und Natur¬ kenntniß geleitet haben müsse. Allerdings wird diese Behauptung vielleicht bet Greuzlwte». III. I8si. 19

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/153>, abgerufen am 08.01.2025.