Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.Uebergriff um so mehr erbittern, da man den Zweck nicht absehen kann, den sie dabei Aus Konstantinopel, -- Ich schrieb Ihnen, wenn ich Uebergriff um so mehr erbittern, da man den Zweck nicht absehen kann, den sie dabei Aus Konstantinopel, — Ich schrieb Ihnen, wenn ich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0123" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/281274"/> <p xml:id="ID_364" prev="#ID_363"> Uebergriff um so mehr erbittern, da man den Zweck nicht absehen kann, den sie dabei<lb/> verfolgen. Nun wird zwar, wie es in solchen Fällen zu geschehen pflegt, die Praxis<lb/> vieles mildern, aber jenes unbehagliche Gefühl wird dadurch nicht aufgehoben, wel¬<lb/> ches die gesammte Presse aller Nuancen zu einer, wenn auch stillen, doch Spöte.<lb/> matischen Opposition treibt. Was hat die Censur bis zum Jahr 18i8 genutzt?<lb/> Kaum war die Fessel für den Augenblick ausgehoben, so kam aller geheime Groll<lb/> ans Licht, der erst eine für jene kritische Zeit sehr bedenkliche Reihe von Monaten<lb/> sich austoben mußte, ehe es wieder zur Bildung einer conservativen Presse kam.<lb/> Und die Lage der Presse ist jetzt im Grunde ebenso unsicher als damals, denn<lb/> es steht ihr kein allgemein anerkanntes Gesetz gegenüber, nach welchem sie sich allen¬<lb/> falls richten könnte, sondern die bunteste Reihe der verschiedenartigsten Bedenken,<lb/> die sie unmöglich alle berechnen kann. Man mag schreiben, wie man will, man<lb/> kann nie vorauswissen, ob nicht eines schönen Tages von diesem oder jenem unsrer<lb/> deutschen Staate» ein Verbot eintreten wird; oder wenn die Staaten selbst säumig<lb/> sind, so übernehmen die Landräthe, die Polizeicommissäre, - vielleicht die Schulzen<lb/> ihre Rollen. So werden in einer preußischen Stadt unsre Hefte regelmäßig con-<lb/> fiscire, weil, wie man uns berichtet, es nicht erlaubt sei, das Publicum der Kreuz¬<lb/> zeitung zu tadeln. In solchen Fällen den Rechtsweg einzuschlagen, ist sast ganz<lb/> unmöglich, da mau die verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen oder polizeilichen Ver¬<lb/> ordnungen gar nicht kennt. — Bei alledem würden wir doch sehr entschieden die¬<lb/> jenigen unsrer College», die bereits nach de» Wohlthaten der Censur seufzen, darauf<lb/> aufmerksam machen, daß sie sich durch de» A»schal» verblenden lassen. Denn wenn<lb/> anch die Censur in vielen Fällen sür den Verleger und selbst für den Schriftsteller<lb/> bequemer war, so war sie desto entwürdigender. Wer sich noch an die Zeit er¬<lb/> innert, wo man seine Schriften einem jungen Assessor oder allenfalls Referendarius<lb/> zur Correctur vorlege» mußte, wie ein Schulknabe seine Exercitien, der wird gewiß<lb/> lieber die Gefahren des gegenwärtigen Zustandes auf sich nehmen, als die Unwür-<lb/> digkeit des damaligen. — — Daß in Preußen die Ergänzungen zum Staatsrath<lb/> fast ausschließlich aus Personen genommen sind, die zur russische» Partei gerechnet<lb/> werden, daß man mit einer gewissen Ostentation russische Feste feiert; daß mau nach<lb/> Wien und Se. Petersburg Männer absendet, über deren Gesinnung kein Zweifel<lb/> obwaltet; daß man noch keine Anstalten trifft, sich zu rüsten, während das verbün¬<lb/> dete Oestreich bereits im Begriff ist, die türkische Grenze zu überschreiten — das<lb/> alles sind Umstände, für welche uns der Conflict zwischen Adler- und Kreuz-<lb/> zeitung nicht ganz entschädigt, und die durch den Conflict unter deu Bethmann-<lb/> Hollwcgs nicht erschwert werden. Diese kleinen Parteimanövcr haben kein Gewicht<lb/> mehr; es kommt einzig und allein darauf an, ob Oestreich fest bleibt. —</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Aus Konstantinopel, </head> <p xml:id="ID_365" next="#ID_366"> — Ich schrieb Ihnen, wenn ich<lb/> nicht irre, daß Lord.Stratsvrd sich aufs Land begeben habe. Dem war<lb/> nicht so. Er weilt noch nach wie vor in dem britischen Gcsandtschaftsvalast zu<lb/> Pera. der auf dem höchsten Punkte des vorderen Hügels, aber zunächst der dem<lb/> Goldhorn entgegcngewcndeten Abdachung gelegen, mit seiner gewaltigen, massiven<lb/> Steinmasse allerdings architektonisch unschön, aber darum dennoch nicht min¬<lb/> der imponirend, über die nach allen Seiten ihn umringenden Häus-i- ans Holz</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0123]
Uebergriff um so mehr erbittern, da man den Zweck nicht absehen kann, den sie dabei
verfolgen. Nun wird zwar, wie es in solchen Fällen zu geschehen pflegt, die Praxis
vieles mildern, aber jenes unbehagliche Gefühl wird dadurch nicht aufgehoben, wel¬
ches die gesammte Presse aller Nuancen zu einer, wenn auch stillen, doch Spöte.
matischen Opposition treibt. Was hat die Censur bis zum Jahr 18i8 genutzt?
Kaum war die Fessel für den Augenblick ausgehoben, so kam aller geheime Groll
ans Licht, der erst eine für jene kritische Zeit sehr bedenkliche Reihe von Monaten
sich austoben mußte, ehe es wieder zur Bildung einer conservativen Presse kam.
Und die Lage der Presse ist jetzt im Grunde ebenso unsicher als damals, denn
es steht ihr kein allgemein anerkanntes Gesetz gegenüber, nach welchem sie sich allen¬
falls richten könnte, sondern die bunteste Reihe der verschiedenartigsten Bedenken,
die sie unmöglich alle berechnen kann. Man mag schreiben, wie man will, man
kann nie vorauswissen, ob nicht eines schönen Tages von diesem oder jenem unsrer
deutschen Staate» ein Verbot eintreten wird; oder wenn die Staaten selbst säumig
sind, so übernehmen die Landräthe, die Polizeicommissäre, - vielleicht die Schulzen
ihre Rollen. So werden in einer preußischen Stadt unsre Hefte regelmäßig con-
fiscire, weil, wie man uns berichtet, es nicht erlaubt sei, das Publicum der Kreuz¬
zeitung zu tadeln. In solchen Fällen den Rechtsweg einzuschlagen, ist sast ganz
unmöglich, da mau die verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen oder polizeilichen Ver¬
ordnungen gar nicht kennt. — Bei alledem würden wir doch sehr entschieden die¬
jenigen unsrer College», die bereits nach de» Wohlthaten der Censur seufzen, darauf
aufmerksam machen, daß sie sich durch de» A»schal» verblenden lassen. Denn wenn
anch die Censur in vielen Fällen sür den Verleger und selbst für den Schriftsteller
bequemer war, so war sie desto entwürdigender. Wer sich noch an die Zeit er¬
innert, wo man seine Schriften einem jungen Assessor oder allenfalls Referendarius
zur Correctur vorlege» mußte, wie ein Schulknabe seine Exercitien, der wird gewiß
lieber die Gefahren des gegenwärtigen Zustandes auf sich nehmen, als die Unwür-
digkeit des damaligen. — — Daß in Preußen die Ergänzungen zum Staatsrath
fast ausschließlich aus Personen genommen sind, die zur russische» Partei gerechnet
werden, daß man mit einer gewissen Ostentation russische Feste feiert; daß mau nach
Wien und Se. Petersburg Männer absendet, über deren Gesinnung kein Zweifel
obwaltet; daß man noch keine Anstalten trifft, sich zu rüsten, während das verbün¬
dete Oestreich bereits im Begriff ist, die türkische Grenze zu überschreiten — das
alles sind Umstände, für welche uns der Conflict zwischen Adler- und Kreuz-
zeitung nicht ganz entschädigt, und die durch den Conflict unter deu Bethmann-
Hollwcgs nicht erschwert werden. Diese kleinen Parteimanövcr haben kein Gewicht
mehr; es kommt einzig und allein darauf an, ob Oestreich fest bleibt. —
Aus Konstantinopel, — Ich schrieb Ihnen, wenn ich
nicht irre, daß Lord.Stratsvrd sich aufs Land begeben habe. Dem war
nicht so. Er weilt noch nach wie vor in dem britischen Gcsandtschaftsvalast zu
Pera. der auf dem höchsten Punkte des vorderen Hügels, aber zunächst der dem
Goldhorn entgegcngewcndeten Abdachung gelegen, mit seiner gewaltigen, massiven
Steinmasse allerdings architektonisch unschön, aber darum dennoch nicht min¬
der imponirend, über die nach allen Seiten ihn umringenden Häus-i- ans Holz
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