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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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der türkischen Lande sein mögen, und welches immer die Wechsel, sür die sie
bestimmt sind: Die Bedeutung der Central nat dieses Dreiecks wird
unangetastet bleiben sür alle Zeiten.

Um von Per" aus zum Gangin Kutte zu gelangen, schlägt man den¬
selben Weg ein, den ich Ihnen neulich bei Erzählung eines Ausfluges nach
dem großen Stambuler Bazar beschrieben. Man geht zunächst durch die engen
Straßen von Galata, und über die sogenannte neue oder unterste, der Se¬
railspitze zunächst gelegene Brücke. Sodann/ drüben angekommen, wirst man
sich nach rechts hin in ein Gewirr von Straßen, die ganz dem früher geschil¬
derten Charakter entsprechen. Es mag hierüber vielleicht eine Viertelstunde
vergehen, bevor man vor einer Mauer mit weiter Pforte anlangt, welche letz¬
tere in den Hof des Seraskierats oder türkischen Kriegsministeriumö einführt.
Mitten in diesem Hofe ist es, wo der Thurm sich erhebt. Derselbe ist von
ganz fremdartiger Gestalt, wie sie kaum ein zweiter in Europa haben dürfte;
auf einem Fundament, welches mit einem kolossalen Säulenknauf Aehnlichkeit
hat, erhebt sich ein schlanker, runder Oberbau, einem Riesenminaret vergleich¬
bar, der nach oben hin sich erweitert und in dieser Hinsicht dem Ganzen das
Ansehen einer hohen, in die Erde gestoßenen Lanze mit breiter Spitze verleiht.
Wenn ich mich recht erinnere, hat man hundertundachtzig Stufen zu steigen,
bevor man aus der bedeckten unteren Galerie, welche bereits in der Erweiterung
gelegen ist, anlangt. Durch das dicke Mauerwerk sind Fensteröffnungen ge¬
brochen, welche nach allen Richtungen hinausschauen; indeß ist es nicht der
türkischen Sitte gemäß, bei der Ankunft am Ziele dem jedesmaligen Zwecke
sofort nachzugehen. Im Gegentheil setzt der Begriff osmanischer Anständigkeit
voraus, daß man zuvor Rast machen, einen Tschibuck rauchen und Kaffe trinken
wird. Da ich keinen Anstoß geben mochte, fügte ich mich der Sitte, trank
den versüßten Mokka aus der kleinen Schale mit silbernem Untersatz, die mir
einer der türkischen Feuerwächter darreichte und trat dann erst an eins der
Fenster. Rechts von mir hatte ich die Kuppel der Aga Sophia, links die
Valide Sultan Dschami (Moschee) und vor mir das Serail, über welches
hinaus mein Blick den Bospor und die große Kaserne in Skutari traf. Die
Richtung, in welcher ich ausschaute, war direct gegen Osten gewendet; hinten
am Horizont zeichnete sich in dunklen, aber klaren Umrissen der Kaisch Dagh,
ein einige Stunden hinter Skutari ansteigendes Gebirge ab; interessanter aber
als diese Fernsicht war der Einblick in das innere des großen Serails, auf
der bekannten Spitze. Es ist rings von einer hohen, mit einem schmuzig-
weißlichen Anstrich aus früherer Zeit her versehenen Mauer umzogen, die auf
der Seeseite einen integrirenden Theil der großen Mauer ausmacht, von der
Stambul eingeschlossen wird und die zum bei weitem größeren Theil noch aus
den Zeiten der griechischen Kaiser stammt.


der türkischen Lande sein mögen, und welches immer die Wechsel, sür die sie
bestimmt sind: Die Bedeutung der Central nat dieses Dreiecks wird
unangetastet bleiben sür alle Zeiten.

Um von Per« aus zum Gangin Kutte zu gelangen, schlägt man den¬
selben Weg ein, den ich Ihnen neulich bei Erzählung eines Ausfluges nach
dem großen Stambuler Bazar beschrieben. Man geht zunächst durch die engen
Straßen von Galata, und über die sogenannte neue oder unterste, der Se¬
railspitze zunächst gelegene Brücke. Sodann/ drüben angekommen, wirst man
sich nach rechts hin in ein Gewirr von Straßen, die ganz dem früher geschil¬
derten Charakter entsprechen. Es mag hierüber vielleicht eine Viertelstunde
vergehen, bevor man vor einer Mauer mit weiter Pforte anlangt, welche letz¬
tere in den Hof des Seraskierats oder türkischen Kriegsministeriumö einführt.
Mitten in diesem Hofe ist es, wo der Thurm sich erhebt. Derselbe ist von
ganz fremdartiger Gestalt, wie sie kaum ein zweiter in Europa haben dürfte;
auf einem Fundament, welches mit einem kolossalen Säulenknauf Aehnlichkeit
hat, erhebt sich ein schlanker, runder Oberbau, einem Riesenminaret vergleich¬
bar, der nach oben hin sich erweitert und in dieser Hinsicht dem Ganzen das
Ansehen einer hohen, in die Erde gestoßenen Lanze mit breiter Spitze verleiht.
Wenn ich mich recht erinnere, hat man hundertundachtzig Stufen zu steigen,
bevor man aus der bedeckten unteren Galerie, welche bereits in der Erweiterung
gelegen ist, anlangt. Durch das dicke Mauerwerk sind Fensteröffnungen ge¬
brochen, welche nach allen Richtungen hinausschauen; indeß ist es nicht der
türkischen Sitte gemäß, bei der Ankunft am Ziele dem jedesmaligen Zwecke
sofort nachzugehen. Im Gegentheil setzt der Begriff osmanischer Anständigkeit
voraus, daß man zuvor Rast machen, einen Tschibuck rauchen und Kaffe trinken
wird. Da ich keinen Anstoß geben mochte, fügte ich mich der Sitte, trank
den versüßten Mokka aus der kleinen Schale mit silbernem Untersatz, die mir
einer der türkischen Feuerwächter darreichte und trat dann erst an eins der
Fenster. Rechts von mir hatte ich die Kuppel der Aga Sophia, links die
Valide Sultan Dschami (Moschee) und vor mir das Serail, über welches
hinaus mein Blick den Bospor und die große Kaserne in Skutari traf. Die
Richtung, in welcher ich ausschaute, war direct gegen Osten gewendet; hinten
am Horizont zeichnete sich in dunklen, aber klaren Umrissen der Kaisch Dagh,
ein einige Stunden hinter Skutari ansteigendes Gebirge ab; interessanter aber
als diese Fernsicht war der Einblick in das innere des großen Serails, auf
der bekannten Spitze. Es ist rings von einer hohen, mit einem schmuzig-
weißlichen Anstrich aus früherer Zeit her versehenen Mauer umzogen, die auf
der Seeseite einen integrirenden Theil der großen Mauer ausmacht, von der
Stambul eingeschlossen wird und die zum bei weitem größeren Theil noch aus
den Zeiten der griechischen Kaiser stammt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/117>, abgerufen am 06.10.2024.