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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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Priesterschaft; diese Gesammtertragnisse fallen in die Kategorie der Opfer und
sind als diejenige Quelle zu bezeichnen, welche seither am reichlichsten floß.
Endlich drittens hat man große Massen Papiergeld emittirt, wodurch allerdings
der Cours des vorhandenen bedeutend niedergedrückt, wodurch auch der
künftige Ertrag der Steuern ermäßigt und aus eine zweifelhafte Größe
reducirt worden ist, da der Staat sich anheischig gemacht hat, dieselben künftig,
abgesehen von Gold und Silber, auch -- ich weiß nicht ob nach einem be¬
stimmten Verhältniß -- in Papier (Kaimi) in Empfang zu nehmen, was aber
mindestens der Regierung den Dienst geleistet hat, daß es ihr über die
Verlegenheiten des Augenblicks hinweghalf. An die Zukunft sind türkische
Staatsmänner überhaupt nicht geneigt zu denken. Sie steht in Allahs Hand,
nicht in der der Menschen!

Obwol nun jene Vermuthung über den Ursprung der extraordinären
Mittel ihre Richtigkeit haben mag, so dürfte es dennoch außerordentlich schwer
fallen, ja für den gegenwärtigen Moment beinahe unmöglich sein: nachzu¬
weisen, welchen Betrag dieselben bis gegenwärtig erreichten, und sodann, in
welchem Verhältniß sie sich auf die erwähnten drei Quellen vertheilen. Ich
will hiernächst den Versuch machen, rücksichtlich dieser Fragepunkte zu einem
mindestens annähernden Resultate zu kommen, bemerke indeß im voraus, daß
meine Schätzungen eines sichern Fundaments entbehren, nur zum Theil auf
offiziellen Angaben fußen, in keinem Falle aber eine sichere Gewähr leisten.

Nach Angaben des Herrn Ubicini, die derselbe in seinen Briefen über
das osmanische Reich gemacht hat, konnte man die Ausgaben des türkischen
Gouvernements im Jahre "1830 auf 732 Millionen Piaster oder 173 Millionen
Franken berechnen. In dieser Gesammtsumme machen die Kosten der Armee,
welche mit 300 Millionen Piaster veranschlagt sind, den Hauptposten aus.
Der zunächst bedeutendste ist der sür die Besoldung der Beamten aller Ad¬
ministrationszweige, im Belaufe von 193 Millionen. Ich habe keinen Grund,
diese letzteren Angaben in Zweifel zu stellen, bin aber der Meinung, daß die
Ausgaben für die Marine, welche Herr Ubicini auf nur 37,300,000 Piaster
veranschlagt, sich auf mindestens 60 Millionen belaufen, wonach das Gesammt-
budget sich nicht wie-vorgemerkt auf 732, sondern aus774Vs Mill. Piaster stellt.

Seit Beginn der Rüstungen und im besondern seit Ausbruch des Krieges
haben sich diese Ziffern indeß bedeutend erhöht. Man kann annehmen, daß
die Armee, nachdem sie von 130,000 Mann, welches der Friedensstand ist,
auf 300,000 Mann gebracht worden, nunmehr zweiundeinhalbmal soviel wie
vordem, mithin etwa 730 Millionen jährlich kostet oder beinahe den gesammten
Betrag des früheren Ausgabebudgets in Anspruch nimmt. Die Ausgaben
des Feldzeugamts, die Herr Ubicini abgesondert von denen für das Heer in
Rechnung gestellt und mit 30 Millionen angeschlagen hat, steigerten sich in


Grenzboten. III. 18se. 14

Priesterschaft; diese Gesammtertragnisse fallen in die Kategorie der Opfer und
sind als diejenige Quelle zu bezeichnen, welche seither am reichlichsten floß.
Endlich drittens hat man große Massen Papiergeld emittirt, wodurch allerdings
der Cours des vorhandenen bedeutend niedergedrückt, wodurch auch der
künftige Ertrag der Steuern ermäßigt und aus eine zweifelhafte Größe
reducirt worden ist, da der Staat sich anheischig gemacht hat, dieselben künftig,
abgesehen von Gold und Silber, auch — ich weiß nicht ob nach einem be¬
stimmten Verhältniß — in Papier (Kaimi) in Empfang zu nehmen, was aber
mindestens der Regierung den Dienst geleistet hat, daß es ihr über die
Verlegenheiten des Augenblicks hinweghalf. An die Zukunft sind türkische
Staatsmänner überhaupt nicht geneigt zu denken. Sie steht in Allahs Hand,
nicht in der der Menschen!

Obwol nun jene Vermuthung über den Ursprung der extraordinären
Mittel ihre Richtigkeit haben mag, so dürfte es dennoch außerordentlich schwer
fallen, ja für den gegenwärtigen Moment beinahe unmöglich sein: nachzu¬
weisen, welchen Betrag dieselben bis gegenwärtig erreichten, und sodann, in
welchem Verhältniß sie sich auf die erwähnten drei Quellen vertheilen. Ich
will hiernächst den Versuch machen, rücksichtlich dieser Fragepunkte zu einem
mindestens annähernden Resultate zu kommen, bemerke indeß im voraus, daß
meine Schätzungen eines sichern Fundaments entbehren, nur zum Theil auf
offiziellen Angaben fußen, in keinem Falle aber eine sichere Gewähr leisten.

Nach Angaben des Herrn Ubicini, die derselbe in seinen Briefen über
das osmanische Reich gemacht hat, konnte man die Ausgaben des türkischen
Gouvernements im Jahre "1830 auf 732 Millionen Piaster oder 173 Millionen
Franken berechnen. In dieser Gesammtsumme machen die Kosten der Armee,
welche mit 300 Millionen Piaster veranschlagt sind, den Hauptposten aus.
Der zunächst bedeutendste ist der sür die Besoldung der Beamten aller Ad¬
ministrationszweige, im Belaufe von 193 Millionen. Ich habe keinen Grund,
diese letzteren Angaben in Zweifel zu stellen, bin aber der Meinung, daß die
Ausgaben für die Marine, welche Herr Ubicini auf nur 37,300,000 Piaster
veranschlagt, sich auf mindestens 60 Millionen belaufen, wonach das Gesammt-
budget sich nicht wie-vorgemerkt auf 732, sondern aus774Vs Mill. Piaster stellt.

Seit Beginn der Rüstungen und im besondern seit Ausbruch des Krieges
haben sich diese Ziffern indeß bedeutend erhöht. Man kann annehmen, daß
die Armee, nachdem sie von 130,000 Mann, welches der Friedensstand ist,
auf 300,000 Mann gebracht worden, nunmehr zweiundeinhalbmal soviel wie
vordem, mithin etwa 730 Millionen jährlich kostet oder beinahe den gesammten
Betrag des früheren Ausgabebudgets in Anspruch nimmt. Die Ausgaben
des Feldzeugamts, die Herr Ubicini abgesondert von denen für das Heer in
Rechnung gestellt und mit 30 Millionen angeschlagen hat, steigerten sich in


Grenzboten. III. 18se. 14
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/113>, abgerufen am 09.11.2024.