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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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"Ewige Schande, daß die Herzogthümer den Dänen gehören! Hätte ich einen
Sohn, stolz würde ich seiner Dienste in der ruhmwürdigen Schleswig-holsteinschen
Armee mich gefreut haben!" In Kopenhagen wird diese Ansicht nicht getheilt;
keiner, der freiwillig gedient, hat Hoffnung auf Anstellung, und selbst denjenigen,
die durch den Dienst ihrer Militärpflicht genügten, wird jedes Erwerbsmittel,
z. B. Handwerksconcession, abgeschlagen. Die junge, kräftige, im Kriege rühm¬
lich bewährte Schleswig-holsteinsche Flotille entging freilich dem deutschen Verstei-
gerungsjammer; sie liegen im Hafen zu Kopenhagen, die 12 Kanonenböte nebst
einem Schooner und 3 Dampfschiffen, mit 41 Stück Geschütz; gegen 700,000 Thlr.
hat das schwergeprüfte Land für seine Seerüstnng aufgebracht; gar manches Mäd¬
chen, manche Frau außerdem ihr Schmuckkästchen geleert und ihre Kleinodien willig
hergegeben für den Bau von Kanonenböten. Die Festung Rendsburg ist nach
Norden geschleift und in einen Brückenkopf gegen Deutschland verwandelt, dem
solchergestalt gegen den Angriff von Nordwest, in der völlig offenen Weser- und
Elbniedernng nur noch Magdeburg übrig. -- Das alte vielhundertjährige Stamm¬
schloß Gottorff wird zu einer Kaserne demolirt; die Pensionen der deutschen Offi¬
ziere sind cassirt; der Versuch, den Rechtsweg zu beschreiten, ward sofort vereitelt
durch eine königliche Verordnung, welche den Gerichten die Annahme der Klage
untersagt. -- Die wackern Kämpfer leiden Hunger, oder ernähren sich mit un¬
gewohnten Gewerben; nur einzelne wurden placirt, andere raffte der Gram da¬
hin! Alle Geschäfte der mittleren und höheren Verwaltung concentriren sich wiederum
in Kopenhagen, geleitet von Apostaten oder Böswilligen; wer amtliche Anstellung
begehrt, darf die 20stündige Seereise nicht scheuen, der künftige Land- und See¬
offizier hat in Kopenhagen sich auszubilden; kurz, um alles zusammenzufassen:
statt Schleswig nicht zu incorporiren, ist Holstein mit Schleswig incorporirt worden.
Dennoch wird das dänische Ministerium des Schleswig-Holsteinismus beschuldigt!
Fünvahr, unbegreiflich, wenn man nicht weiß, mit welchen Argusaugen die Kopen-
hagener die Schleswig-holsteinische Zähigkeit beobachten und vor der russischen Erb¬
folge Scheu tragen.

"Der Finanzminister Sponneck", sagt ein Tageblatt, "hat in der Thron¬
folgesache seine Schleswig-holsteinschen Sporen verdient." "Das ist nicht cor-
rect", ruft der Corsar (der dänische Punct), Kladderadatsch), "er hat ein voll¬
ständiges Reitzeug verdient -- die Peitsche mitgerechnet." "Der hochverehrte
Finanziüinister," erklärt der Corsar, "bläst etwas in den Reichstag, aber der
Wind kommt von einem fremden Blasebalg," und ein Holzschnitt zeigt einen
Blasebalg mit dem Portrait des Kaisers von Rußland als Knauf oder Handgriff.
Der Premier Oerstedt wird im Holzschnitt, überschrieben: Oerstedt in seinem
Atelier, das dänische Grundgesetz entwerfend, dargestellt, beschäftigt, den Kaiser
von Rußland zu portraitiren, auf der Palette steht: "Russisch Grün und preußisch
Blau." -- Ein anderes Bild gibt einen halbentkleideten Dänen, gekrümmt unter


„Ewige Schande, daß die Herzogthümer den Dänen gehören! Hätte ich einen
Sohn, stolz würde ich seiner Dienste in der ruhmwürdigen Schleswig-holsteinschen
Armee mich gefreut haben!" In Kopenhagen wird diese Ansicht nicht getheilt;
keiner, der freiwillig gedient, hat Hoffnung auf Anstellung, und selbst denjenigen,
die durch den Dienst ihrer Militärpflicht genügten, wird jedes Erwerbsmittel,
z. B. Handwerksconcession, abgeschlagen. Die junge, kräftige, im Kriege rühm¬
lich bewährte Schleswig-holsteinsche Flotille entging freilich dem deutschen Verstei-
gerungsjammer; sie liegen im Hafen zu Kopenhagen, die 12 Kanonenböte nebst
einem Schooner und 3 Dampfschiffen, mit 41 Stück Geschütz; gegen 700,000 Thlr.
hat das schwergeprüfte Land für seine Seerüstnng aufgebracht; gar manches Mäd¬
chen, manche Frau außerdem ihr Schmuckkästchen geleert und ihre Kleinodien willig
hergegeben für den Bau von Kanonenböten. Die Festung Rendsburg ist nach
Norden geschleift und in einen Brückenkopf gegen Deutschland verwandelt, dem
solchergestalt gegen den Angriff von Nordwest, in der völlig offenen Weser- und
Elbniedernng nur noch Magdeburg übrig. — Das alte vielhundertjährige Stamm¬
schloß Gottorff wird zu einer Kaserne demolirt; die Pensionen der deutschen Offi¬
ziere sind cassirt; der Versuch, den Rechtsweg zu beschreiten, ward sofort vereitelt
durch eine königliche Verordnung, welche den Gerichten die Annahme der Klage
untersagt. — Die wackern Kämpfer leiden Hunger, oder ernähren sich mit un¬
gewohnten Gewerben; nur einzelne wurden placirt, andere raffte der Gram da¬
hin! Alle Geschäfte der mittleren und höheren Verwaltung concentriren sich wiederum
in Kopenhagen, geleitet von Apostaten oder Böswilligen; wer amtliche Anstellung
begehrt, darf die 20stündige Seereise nicht scheuen, der künftige Land- und See¬
offizier hat in Kopenhagen sich auszubilden; kurz, um alles zusammenzufassen:
statt Schleswig nicht zu incorporiren, ist Holstein mit Schleswig incorporirt worden.
Dennoch wird das dänische Ministerium des Schleswig-Holsteinismus beschuldigt!
Fünvahr, unbegreiflich, wenn man nicht weiß, mit welchen Argusaugen die Kopen-
hagener die Schleswig-holsteinische Zähigkeit beobachten und vor der russischen Erb¬
folge Scheu tragen.

„Der Finanzminister Sponneck", sagt ein Tageblatt, „hat in der Thron¬
folgesache seine Schleswig-holsteinschen Sporen verdient." „Das ist nicht cor-
rect", ruft der Corsar (der dänische Punct), Kladderadatsch), „er hat ein voll¬
ständiges Reitzeug verdient — die Peitsche mitgerechnet." „Der hochverehrte
Finanziüinister," erklärt der Corsar, „bläst etwas in den Reichstag, aber der
Wind kommt von einem fremden Blasebalg," und ein Holzschnitt zeigt einen
Blasebalg mit dem Portrait des Kaisers von Rußland als Knauf oder Handgriff.
Der Premier Oerstedt wird im Holzschnitt, überschrieben: Oerstedt in seinem
Atelier, das dänische Grundgesetz entwerfend, dargestellt, beschäftigt, den Kaiser
von Rußland zu portraitiren, auf der Palette steht: „Russisch Grün und preußisch
Blau." — Ein anderes Bild gibt einen halbentkleideten Dänen, gekrümmt unter


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/53>, abgerufen am 06.02.2025.