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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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nachdem sie bereits verheirathet war, 1782, sich gleichfalls in diese Hauptstadt
zu begeben, wo sie als Begleiterin und Freundin der ersteren den Zugang in die
höchsten Zirkel fand. Sie führte damals el" Tagebuch und zeichnete mit großer
Pünktlichkeit alles ans, was sie bei Hofe, im Theater, in den Gesellschaften
u. s. w. von bedeutenden Personen antraf, indem sie natürlich auch alle die
Anekdoten hinzufügte, die sie von andern hörte. Sehr interessant ist namentlich
ihr erstes Zusammentreffen mit Cagliostro und mit dem Prinzen von Rohan.
Vielen ernsthaften Lesern wird zwar der Inhalt des ganzen Buchs frivol erschei¬
nen, denn man hat es nur mit Hvfgeschichteu, Ceremonie" u. tgi. zu thun, aber
für die Charakteristik der Zeit ist es höchst bedeutend; denn wir erlange" den
unmittelbarsten Eindruck von de" Stimmungen und Sitten der höheren Gesell¬
schaft, zudem da Frau von Oberkirch ganz entschieden den Eindruck der Offen¬
heit macht und sowenig aufschneidet, als unter den gegebenen Umständen irgend
möglich war. Von Paris aus begleitete sie die Großfürstin durch die franzö-
sischen Provinzen und die Niederlande und reiste dann mit ihr nach Würtemberg,
wo sie Abschied von ihr nahm. Diese Geschichten füllen den ersten Band aus, der
übrigens auch ein paar Briefe von Göthe und Wieland enthält, denn auch diese Dichter
brachten der schönen Dame ihre Huldigungen dar. -- Eine zweite Gelegenheit, die
feine Gesellschaft der Hauptstadt kennen zulernen, bot sich ihr 178L durch die ge¬
naue Bekanntschaft mit der Herzogin von Bourbon, der Schwester des Herzogs von
Orleans, die zwar nicht im besten Rufe stand, aber sehr geistvoll und interessant
war. Diesmal wurde sie auch feierlich bei Hofe vorgestellt und schildert das da¬
selbst übliche Ceremoniell mit einem feierlichen Ernste >und einer Ausführlichkeit,
die einen.sehr komischen Eindruck macht. An Stelle Cagliostros beschäftigte dies¬
mal MeSmer die Aufmerksamkeit der feinen Welt. Mittlerweile dauerte die Freund¬
schaft mit der russischen Großfürstin fort und auch von dieser Seite erhalten wir
manche recht ergötzliche Anekdote. -- Die dritte Reise nach Paris fand 1786
statt. Aus diesem Aufenthalt wollen wir eine kleine Anekdote erzählen, die zu
charakteristisch für den Hofton ist, als daß wir nicht darauf aufmerksam machen
sollten. Sie war unter ander" mit Fran von Mackan bekannt geworden, der
Erzieherin der jungen Prinzen, und besuchte dieselbe, als grade die Herzogin
von Bourbon sich zur Königin begeben hatte. Frau vou Mackau stellte sie den
"Kindern von Frankreich" vor (S. 2S9): "Madame Royale war 7'^ Jahre alt,
sie war für ihr Alter sehr groß und hatte eine vornehme und ausgezeichnete Hat-'
tung. .Als ich diese. Prinzessin so erwachsen und so reizend sah, konnte ich mich
nicht zurückhalte", da ich an die Freiheiten der deutschen Höfe gewöhnt war, es
ihr zu sage". Diese Kühnheit mißfiel Madame Royale, ich sah es den Augenblick
auf ihrem Gesicht. Ihr stolzer Blick wurde feurig, ihre Züge nahmen eine ernste
Haltung an und sie erwiderte ohne Zögern: Ich bin.erfreut, Frau Baronin,
daß Sie es finden, aber ich bin erstaunt, daß Sie es mir sagen. Ich ver-


nachdem sie bereits verheirathet war, 1782, sich gleichfalls in diese Hauptstadt
zu begeben, wo sie als Begleiterin und Freundin der ersteren den Zugang in die
höchsten Zirkel fand. Sie führte damals el» Tagebuch und zeichnete mit großer
Pünktlichkeit alles ans, was sie bei Hofe, im Theater, in den Gesellschaften
u. s. w. von bedeutenden Personen antraf, indem sie natürlich auch alle die
Anekdoten hinzufügte, die sie von andern hörte. Sehr interessant ist namentlich
ihr erstes Zusammentreffen mit Cagliostro und mit dem Prinzen von Rohan.
Vielen ernsthaften Lesern wird zwar der Inhalt des ganzen Buchs frivol erschei¬
nen, denn man hat es nur mit Hvfgeschichteu, Ceremonie» u. tgi. zu thun, aber
für die Charakteristik der Zeit ist es höchst bedeutend; denn wir erlange» den
unmittelbarsten Eindruck von de» Stimmungen und Sitten der höheren Gesell¬
schaft, zudem da Frau von Oberkirch ganz entschieden den Eindruck der Offen¬
heit macht und sowenig aufschneidet, als unter den gegebenen Umständen irgend
möglich war. Von Paris aus begleitete sie die Großfürstin durch die franzö-
sischen Provinzen und die Niederlande und reiste dann mit ihr nach Würtemberg,
wo sie Abschied von ihr nahm. Diese Geschichten füllen den ersten Band aus, der
übrigens auch ein paar Briefe von Göthe und Wieland enthält, denn auch diese Dichter
brachten der schönen Dame ihre Huldigungen dar. — Eine zweite Gelegenheit, die
feine Gesellschaft der Hauptstadt kennen zulernen, bot sich ihr 178L durch die ge¬
naue Bekanntschaft mit der Herzogin von Bourbon, der Schwester des Herzogs von
Orleans, die zwar nicht im besten Rufe stand, aber sehr geistvoll und interessant
war. Diesmal wurde sie auch feierlich bei Hofe vorgestellt und schildert das da¬
selbst übliche Ceremoniell mit einem feierlichen Ernste >und einer Ausführlichkeit,
die einen.sehr komischen Eindruck macht. An Stelle Cagliostros beschäftigte dies¬
mal MeSmer die Aufmerksamkeit der feinen Welt. Mittlerweile dauerte die Freund¬
schaft mit der russischen Großfürstin fort und auch von dieser Seite erhalten wir
manche recht ergötzliche Anekdote. — Die dritte Reise nach Paris fand 1786
statt. Aus diesem Aufenthalt wollen wir eine kleine Anekdote erzählen, die zu
charakteristisch für den Hofton ist, als daß wir nicht darauf aufmerksam machen
sollten. Sie war unter ander» mit Fran von Mackan bekannt geworden, der
Erzieherin der jungen Prinzen, und besuchte dieselbe, als grade die Herzogin
von Bourbon sich zur Königin begeben hatte. Frau vou Mackau stellte sie den
„Kindern von Frankreich" vor (S. 2S9): „Madame Royale war 7'^ Jahre alt,
sie war für ihr Alter sehr groß und hatte eine vornehme und ausgezeichnete Hat-'
tung. .Als ich diese. Prinzessin so erwachsen und so reizend sah, konnte ich mich
nicht zurückhalte», da ich an die Freiheiten der deutschen Höfe gewöhnt war, es
ihr zu sage». Diese Kühnheit mißfiel Madame Royale, ich sah es den Augenblick
auf ihrem Gesicht. Ihr stolzer Blick wurde feurig, ihre Züge nahmen eine ernste
Haltung an und sie erwiderte ohne Zögern: Ich bin.erfreut, Frau Baronin,
daß Sie es finden, aber ich bin erstaunt, daß Sie es mir sagen. Ich ver-


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[0519] nachdem sie bereits verheirathet war, 1782, sich gleichfalls in diese Hauptstadt zu begeben, wo sie als Begleiterin und Freundin der ersteren den Zugang in die höchsten Zirkel fand. Sie führte damals el» Tagebuch und zeichnete mit großer Pünktlichkeit alles ans, was sie bei Hofe, im Theater, in den Gesellschaften u. s. w. von bedeutenden Personen antraf, indem sie natürlich auch alle die Anekdoten hinzufügte, die sie von andern hörte. Sehr interessant ist namentlich ihr erstes Zusammentreffen mit Cagliostro und mit dem Prinzen von Rohan. Vielen ernsthaften Lesern wird zwar der Inhalt des ganzen Buchs frivol erschei¬ nen, denn man hat es nur mit Hvfgeschichteu, Ceremonie» u. tgi. zu thun, aber für die Charakteristik der Zeit ist es höchst bedeutend; denn wir erlange» den unmittelbarsten Eindruck von de» Stimmungen und Sitten der höheren Gesell¬ schaft, zudem da Frau von Oberkirch ganz entschieden den Eindruck der Offen¬ heit macht und sowenig aufschneidet, als unter den gegebenen Umständen irgend möglich war. Von Paris aus begleitete sie die Großfürstin durch die franzö- sischen Provinzen und die Niederlande und reiste dann mit ihr nach Würtemberg, wo sie Abschied von ihr nahm. Diese Geschichten füllen den ersten Band aus, der übrigens auch ein paar Briefe von Göthe und Wieland enthält, denn auch diese Dichter brachten der schönen Dame ihre Huldigungen dar. — Eine zweite Gelegenheit, die feine Gesellschaft der Hauptstadt kennen zulernen, bot sich ihr 178L durch die ge¬ naue Bekanntschaft mit der Herzogin von Bourbon, der Schwester des Herzogs von Orleans, die zwar nicht im besten Rufe stand, aber sehr geistvoll und interessant war. Diesmal wurde sie auch feierlich bei Hofe vorgestellt und schildert das da¬ selbst übliche Ceremoniell mit einem feierlichen Ernste >und einer Ausführlichkeit, die einen.sehr komischen Eindruck macht. An Stelle Cagliostros beschäftigte dies¬ mal MeSmer die Aufmerksamkeit der feinen Welt. Mittlerweile dauerte die Freund¬ schaft mit der russischen Großfürstin fort und auch von dieser Seite erhalten wir manche recht ergötzliche Anekdote. — Die dritte Reise nach Paris fand 1786 statt. Aus diesem Aufenthalt wollen wir eine kleine Anekdote erzählen, die zu charakteristisch für den Hofton ist, als daß wir nicht darauf aufmerksam machen sollten. Sie war unter ander» mit Fran von Mackan bekannt geworden, der Erzieherin der jungen Prinzen, und besuchte dieselbe, als grade die Herzogin von Bourbon sich zur Königin begeben hatte. Frau vou Mackau stellte sie den „Kindern von Frankreich" vor (S. 2S9): „Madame Royale war 7'^ Jahre alt, sie war für ihr Alter sehr groß und hatte eine vornehme und ausgezeichnete Hat-' tung. .Als ich diese. Prinzessin so erwachsen und so reizend sah, konnte ich mich nicht zurückhalte», da ich an die Freiheiten der deutschen Höfe gewöhnt war, es ihr zu sage». Diese Kühnheit mißfiel Madame Royale, ich sah es den Augenblick auf ihrem Gesicht. Ihr stolzer Blick wurde feurig, ihre Züge nahmen eine ernste Haltung an und sie erwiderte ohne Zögern: Ich bin.erfreut, Frau Baronin, daß Sie es finden, aber ich bin erstaunt, daß Sie es mir sagen. Ich ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/519>, abgerufen am 05.02.2025.